Der Strahlungshaushalt der Atmosphäre
Strahlungshaushalt
Wenn in der Öffentlichkeit heute vom „Treibhauseffekt“ die Rede ist, so ist meist der anthropogene oder vom Menschen verursachte Treibhauseffekt gemeint. Der anthropogene Treibhauseffekt ist jedoch nichts anderes als eine Verstärkung des natürliche Treibhauseffekts, der eine Folge von natürlichen Strahlungsvorgängen in der Atmosphäre ist. Hätte die Erde keine Atmosphäre und wäre wie der Mond ein nackter Felsen im Weltraum, wäre sie wie dieser ein unwirtlicher Himmelskörper. Ohne den natürlichen Treibhauseffekt wäre Leben auf der Erde undenkbar, da durch ihn die durchschnittliche globale Temperatur der Erdoberfläche um 33 oC von –18 oC auf gegenwärtig ca. 15 oC erhöht wird. Um diese Vorgänge zu verstehen, ist zunächst ein Blick auf den natürlichen Strahlungshaushalt nötig.
Abb. 1: Der Strahlungshaushalt der Atmosphäre. Die Werte sind in W/m2 angegeben.B1
Die mit Abstand wichtigste Energiequelle der Erde und des Klimasystems ist die Sonne. Aufgrund ihrer hohen Temperatur von etwa 5700 °C strahlt die Sonne ungleich viel mehr Energie ab als die relativ kühle Erde. Die hohe Temperatur an der Sonnenoberfläche bewirkt auch, dass die von der Sonne abgegebene Strahlung hauptsächlich im kurzwelligen Bereich bis etwa 3,5 µmm (1 µmm = 10-6 m = 1 Millionstel m), d.h. im Bereich des sichtbaren Lichts, liegt. Die Energie der kurzwelligen Sonneneinstrahlung besitzt oberhalb der Erdatmosphäre einen Wert von 1368 Watt pro Quadratmeter. Dieser Wert wird als Solarkonstante bezeichnet. Im Durchschnitt erhält davon die Atmosphäre wegen der Kugelgestalt der Erde und der sonnenabgewandten Nachtseite jeweils einer Erdhälfte aber nur ein Viertel1 oder 340 W/m2. Von dieser Strahlung stehen aber nur 240 W/m2 für die Erwärmung der Atmosphäre und der Erdoberfläche tatsächlich zur Verfügung, da durch die Reflexion an der Erdoberfläche und in der Atmosphäre 100 W/m2, die sogenannte planetare Albedo, in den Weltraum wieder unmittelbar zurückgestrahlt werden. Von den 240 W/m2 werden 80 W/m2 von Wolken, Wasserdampf, Staub und Ozon in der Atmosphäre absorbiert und erwärmen so die Atmosphäre direkt, während 160 W/m2 von der Erdoberfläche absorbiert werden und diese erwärmen (Abb. 1).
Das auf diese Weise erwärmte System Erde-Atmosphäre gibt die aufgenommene Energie entsprechend seiner gegenüber der Sonne deutlich geringeren Temperatur im langwelligen Infrarotbereich als Wärmestrahlung wieder ab. Die aufgewärmte Erdoberfläche emittiert langwellige Strahlung in die Atmosphäre. Diese Strahlung geht zu einem kleinen Teil (ca. 14%) durch das sog. atmosphärische Fenster (atmospheric window) direkt an den Weltraum verloren. Der größere Teil wird von Treibhausgasen und Wolken absorbiert und als Wärmestrahlung nach allen Seiten emittiert, u.a. als sog. atmosphärische Gegenstrahlung mit 342 W/m2 Richtung Erdoberfläche. Auf diese Weise bleibt ein erheblicher Teil der langwelligen, von der Erdoberfläche ausgehenden Wärmestrahlung im Klimasystem der Erde.
In der Summe erhält die Erdoberfläche eine Strahlung von 502 W/m2, von der Sonne 160 W/m2 und von der Atmosphäre 342 W/m2. Davon gibt sie 398 W/m2 an die Atmosphäre wieder ab. Damit würde die Erdoberfläche jedoch 104 W/m2 mehr Energie erhalten als sie abgibt und sich stetig erwärmen. Das wird durch zwei Prozesse verhindert. Über Verdunstung und Kondensation verliert die Erdoberfläche 82 W/m2 als sog. latente Wärme und über das Aufsteigen warmer Luftmassen 21 W/m2 als sensible Wärme.
Die Menge der gesamten an den Weltraum zurückgestrahlten Energie an der Obergrenze der Atmosphäre, d.h. der reflektierten Solarstrahlung und der emittierten Wärmestrahlung, entspricht bei einer natürlichen und ausgeglichenen Bilanz genau der aufgenommenen Solarenergie. Andernfalls würde die Erde sich stetig aufheizen bzw. abkühlen. Aktuell ist die Strahlungsbilanz der Erde aufgrund des menschlichen Einflusses auf den Energiehaushalt der Atmosphäre aber nicht ganz ausgeglichen. Die Erde erhält 340 W/m2 Einstrahlung, aber nur 339 W/m2 (239 + 100) verlassen die Atmosphäre wieder Richtung Weltraum. Der Grund ist, dass die natürliche Energiebilanz durch den anthropogenen, menschengemachten Treibhauseffekt nicht mehr ausgeglichen ist. Die zusätzliche Wärme wird hauptsächlich durch den Ozean aufgenommen, der Rest erwärmt hauptsächlich die untere Atmosphäre.2
Anmerkungen:
1. Ein Viertel deswegen, weil die Sonneneinstrahlung in der ursprünglichen Menge nur in Bezug auf die Querschnittsfläche der Erde ΠR2 wirksam ist und nicht in Bezug auf die gesamte Erdoberfläche 4ΠR2.
2. Hansen, J., M. Sato, P. Kharecha, and K. von Schuckmann (2011): Earth's energy imbalance and implications, Atmos. Chem. Phys., 11, 13421–13449, https://doi.org/10.5194/acp-11-13421-2011
Bildquellen:
B1. Wild, M., A. Ohmura, C. Schär, G. Müller, D. Folini, M. Schwarz, M.Z. Hakuba, and A. Sanchez-Lorenzo. (2017): The Global Energy Balance Archive (GEBA) version 2017: a database for worldwide measured surface energy fluxes, Earth Syst. Sci. Data, 9, 601–613, https://doi.org/10.5194/essd-9-601-2017; Lizenz: CC BY