Hamburger Bildungsserver

Sie lesen den Originaltext

Vielen Dank für Ihr Interesse an einer Übersetzung in leichte Sprache. Derzeit können wir Ihnen den Artikel leider nicht in leichter Sprache anbieten. Wir bemühen uns aber das Angebot zu erweitern.

Vielen Dank für Ihr Interesse an einer Übersetzung in Gebärden­sprache. Derzeit können wir Ihnen den Artikel leider nicht in Gebärdensprache anbieten. Wir bemühen uns aber das Angebot zu erweitern.

Über die sogenannte Klimapause

Hat es 1998 bis 2012 eine Klimapause gegeben?

© Dieter Kasang; Daten nach National Oceanic and Atmospheric Administration: Annual global temperatures


Abb. 1: Globale Jahresmittelwerte der bodennahen Lufttemperatur und Jahrzehntmittelwerte. 2015: vorläufiger Mittelwert Januar bis Oktober.1a

Die neuen Daten über die globale Temperatursteigerung 2014 und 2015 sowie die Prognosen zu 2016 lassen die Debatte um die sog. Erwärmungspause der Jahre 1998-2012 fast historisch erscheinen. Die globale Temperaturkurve zeigt immer wieder starke Schwankungen von Jahr zu Jahr. Einzelne Jahre miteinander zu vergleichen, wie etwa das für die 1990er Jahre außergewöhnlich warme Jahr 1998 und das eher kühle Jahr 2012, deren Mitteltemperatur sich kaum unterscheidet, sagt daher nichts über die Klimaentwicklung in diesem Zeitraum aus, sondern nur über die Temperaturverhältnisse in zwei zufällig herausgegriffenen Jahren. Um einen längerfristigen klimatischen Trend von 20 oder 30 Jahren zu bestimmen, müssen längere Zeiträume, mindestens Jahrzehnte, miteinander verglichen werden. Dabei kommt man dann zu ganz anderen Ergebnissen: Der Mittelwert des Jahrzehnts 1981-1990 lag um 0,25 °C über dem langjährigen Mittel des 20. Jahrhunderts, der von 1991-2000 lag um 0,40 °C und der des Jahrzehnts 2001-2010 um 0,60 °C darüber. Die 2000er Jahre waren also deutlich wärmer als die 1990er und diese deutlich wärmer als die 1980er Jahre. Sie sind auch deutlich das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der (global relevanten) Messungen Mitte des 19. Jahrhunderts, wahrscheinlich sogar seit dem Mittelalter. 15 der 16 wärmsten Jahre seit 1850 liegen im neuen Jahrhundert. 1998 ist die einzige Ausnahme (vgl. auch die Studie des Met Office1).

Interessant sind auch einige regionale Unterschiede: Die Arktis hat sich insgesamt doppelt so schnell erwärmt wie im globalen Mittel. Die globalen Landgebiete haben sich seit 1970 um 0,26 °C erwärmt, die Temperatur über den Ozeanen nur um 0,13 °C. Die Landgebiete zeigen auch nach 2000 einen leichten Temperaturanstieg. Insgesamt ist eine Pause der Erwärmung wohl vor allem aus der geringen Erwärmung über den Ozeanen, besonders über dem östlichen Pazifik, herzuleiten.1

Möglicherweise, auch die jüngsten Daten von 2014 und 2015 sprechen dafür, gibt es jedoch diese Erwärmungspause gar nicht, da die gängigen Messreihen vor allem die Polargebiete nur sehr schlecht abdecken und die Daten über den Ozeanen mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Gerade die Arktis hat sich aber nach Satellitenmessungen und den wenigen Bodendaten in den letzten zwei Jahrzehnten besonders stark erwärmt. Eine neue Methode der Datenauswertung, die Satelliten- und Bodendaten miteinander verknüpft, gelangt zu einer Erwärmungsrate von 0,15 °C pro Jahrzehnt während der letzten 15 Jahre, eine Verdreifachung gegenüber dem IPCC- Wert von 0,05 °C/Jahrzehnt.2 Auch jüngere Untersuchungen, die sich auf korrigierte Daten und verbesserte statistische Methoden stützen, kommen zu dem Ergebnis, dass der Erwärmungstrend in den letzten ca. eineinhalb Jahrzehnten nicht schwächer war als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.3 und es eine globale Erwärmungspause nicht gegeben habe.4

Ursachen einer möglichen Klimapause

Dennoch ist es interessant und lehrreich, einen Blick auf die wissenschaftlichen Begründungsversuche der möglicherweise gar nicht existenten Erwärmungspause zu werfen. Da der Anstieg der Konzentration der Treibhausgase unvermindert anhält, kommen als Antriebskräfte für eine Abschwächung des Temperaturanstiegs nur natürliche oder anthropogene Abkühlungseffekte in Frage. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene Prozesse unterscheiden, zum einen eine Veränderung im Strahlungshaushalt der Atmosphäre und zum andern eine veränderte Energieverteilung durch interne Klimaschwankungen.

Veränderte Strahlung

Die Temperatur des Klimasystems wird grundlegend kontrolliert durch die eingehende kurzwellige Solarstrahlung und die ausgehende langwellige Strahlung des Planeten. Die Treibhausgase fangen einen Teil dieser langwelligen Strahlung in der Atmosphäre ab und erwärmen das System. Die steigende Emission anthropogener Treibhausgase verstärkt diesen Effekt. Die Konzentration des mit Abstand wichtigsten anthropogenen Treibhausgases, nämlich Kohlendioxid, ist unvermindert angestiegen.

Eine Möglichkeit, die einfallende Strahlung von der Sonne zu verringern, wären Vulkanausbrüche. Bei starken Vulkaneruptionen werden Aerosole bis in die Stratosphäre geschleudert und können dort in nennenswertem Maße Sonnenstrahlen reflektieren und so zu einer Abkühlung am Boden führen. Die wenigen größeren Vulkanausbrüche der letzten 50 Jahre liegen jedoch mehr als 20 Jahre zurück, mit dem Ausbruch des Mt. Pinatubo von 1991 als dem letzten und stärksten Ereignis. Die abkühlende Wirkung von Vulkanausbrüchen hält außerdem nur zwei bis drei Jahre an. Damit kommen Vulkanausbrüche für eine Erwärmungspause der letzten eineinhalb Jahrzehnte eher nicht in Frage.

Auch durch menschliche Aktivitäten könnte sich die Aerosol-Konzentration in der Atmosphäre erhöhen und damit eine Abkühlung bewirken. Tatsächlich sind die anthropogenen Emissionen von Sulfataerosolen von 106 Tg SO2 im Jahre 2000 auf 112 Tg SO2 im Jahre 2005 angestiegen. Grund war vor allem der gestiegene Anteil Asiens, d.h. vor allem Chinas und Indiens, von 41 auf 52 % der weltweiten Emissionen, während im selben Zeitraum der Anteil Nordamerikas und Europas (einschließlich Russlands) von 38 auf 25 % gesunken ist. Zwischen 2005 und 2011 haben die globalen Emissionen jedoch wieder von 112 auf 101 Tg SO2 abgenommen, weil China als größter Aerosol-Emittent durch Kontrollmaßnahmen bei Kraftwerken seine Emissionen deutlich gesenkt hatte.5 Ein relevanter Anteil von anthropogenen Aerosolen an dem fehlenden Temperaturanstieg kann demnach nicht angenommen werden.6

Möglicherweise kommt auch eine Abnahme der Sonneneinstrahlung als Verursacher in Frage. Die letzten drei Maxima um 1990, 2001 und 2013 zeigen einen deutlichen Abwärtstrend.7 Es ist daher davon auszugehen, dass der deutliche Abschwung des Schwabe-Zyklus zwischen 2002 und 2009 einen Einfluss darauf hatte, dass es im neuen Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts trotz weiterhin steigender Treibhausgaskonzentration keine weitere Zunahme der globalen Mitteltemperatur gegeben hat8 Der Einfluss abnehmender Sonneneinstrahlung wird insgesamt jedoch als sehr gering eingeschätzt (s. Abb. 2). Selbst wenn die Sonnenaktivität bis zum Ende des Jahrhunderts auf das Niveau der Kleinen Eiszeit zurückgehen sollte, wird dadurch nicht mehr als ein Abkühlungseffekt von -0,1 °C erwartet.9

Veränderte Energieverteilung

Da die Veränderungen im Strahlungshaushalt der Atmosphäre zu geringfügig sind, um die ausbleibende Erwärmung zu erklären, kann die entscheidende Ursache nur in einer veränderten Umverteilung der zusätzlichen Energie durch Treibhausgase im Klimasystem liegen. Die zunehmende CO2-Konzentration hat die Erwärmung des Klimasystems weiter vorangetrieben, aber eben nicht in 2 m über der Erdoberfläche, wo die globale Mitteltemperatur gemessen wird, sondern irgendwie darunter. Dafür kommt eigentlich nur der Ozean in Frage. Ozean aufgrund seiner hohen Wärmekapazität und seiner im Vergleich zur Atmosphäre viel größeren Masse ohnehin über 90 % der Erwärmung des Klimasystems seit der Mitte des 20. Jahrhunderts aufgenommen hat.10 Der größte Teil der Erwärmung fand in den oberen Schichten statt, aber auch darunter erwärmte sich der Ozean zunehmend. Im Ozean können Änderungen in der vertikalen Zirkulation warmes Wasser in den tieferen Ozean verfrachten und kaltes Wasser an die Oberfläche bringen. Eine Ursache kann in Ozean-Atmosphäre-Wechselwirkungen liegen wie z.B. der El-Niño-Southern-Oscillation (ENSO), eine andere in Änderungen der Dichte des Ozeanwassers, z.B. durch Änderungen der Wassertemperatur oder des Salzgehaltes, wie etwa bei der thermohalinen Zirkulation im Nordatlantik.

© NOA/NASA: Annual Global Analysis for 2015


Abb. 2: Monatliche globale Mitteltemperaturen bei La-Nina- (blau), El-Nino (rot) und neutralen Bedingungen10a

So war z.B. 1998 deshalb ein außergewöhnlich warmes Jahr, weil der bis dahin stärkste je gemessenen El Niño die Temperaturen weltweit nach oben getrieben hat. Bei einem El Niño wird durch Umverteilung von Wassermassen im Pazifik kaltes Auftriebswasser im östlichen tropischen Pazifik unterdrückt und durch warmes Wasser aus dem westlichen Pazifik ersetzt. Der Unterschied in der globalen Mitteltemperatur zwischen einer warmen El-Niño- und einer kalten La-Niña-Phase liegt bei 0,2 bis 0,3 °C.6 Das entspricht etwa der geschätzten Erwärmungsrate pro Jahrzehnt durch den Anstieg von Treibhausgasen. Seit dem Jahr 2000 gab es kein größeres El-Niño-Ereignis; vielmehr dominierten im tropischen Pazifik die kühlen La-Niña-Zustände. Es ist daher wahrscheinlich, dass das ENSO-Phänomen einen gewissen Beitrag zu der ausbleibenden Erwärmung in den 2000er Jahren geleistet hat. ENSO-Phasen halten jedoch immer nur für einige Monate an und können daher selbst im Zusammenwirken mit der schwächeren Solarstrahlung die Erwärmungspause des letzten Jahrzehnts nicht vollständig erklären. In Frage kommen zusätzlich Schwankungen der Ozeanzirkulation im Pazifik und Atlantik, die als  Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO) und Pazifische Multidekaden Oszillation (PDO) bekannt sind. Der größte Teil der Ozean-Erwärmung fand in den oberen Schichten statt, aber auch darunter erwärmte sich der Ozean zunehmend. Die schwierige Auswertung von Beobachtungen legt den Schluss nahe, dass gerade die Temperatur zwischen 700 und 2000 m stärker angestiegen sind, während die Erwärmung in den oberen Schichten eher stagnierte.11

© Eigene Darstellung nach MetOffice (2013): The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?

Abb. 3: Änderung der globalen 2m-Temperatur über dem Land, über dem Ozean und über Land und Ozean sowie Änderung des Wärmegehalts in den oberen 800 m des Ozeans im Verhältnis zum Mittelwert 1961-199012

Anmerkungen:
1.a.
Eigene Darstellung (Dieter Kasang). Daten nach National Oceanic and Atmospheric Administration: Global Surface Temperature Anomalies
1. MetOffice (2013): The recent pause in global warming (1): What do observations of the climate system tell us?
2. Cowtan, K., and R.G. Way (2013): Coverage bias in the HadCRUT4 temperature series and its impact on recent temperature trends, The Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society, DOI: 10.1002/qj.2297
3. Karl, T.R., A. Arguez, B. Huang, J.H. Lawrimore, J.R. McMahon, M.J. Menne, T.C. Peterson, R.S. Vose RS, H.M. Zhang (2015): Possible artifacts of data biases in the recent global surface warming hiatus. Science 348, 1469–1472
4. Rajaratnam, B., J. Romano, M. Tsiang, N.S. Diffenbaugh (2015): Debunking the climate hiatus, Climatic Change 133, 129–140
5. Klimont, Z., S.J Smith, and J. Cofala (2013): The last decade of global anthropogenic sulfur dioxide: 2000–2011 emissions, Environmental Research Letters 8, doi:10.1088/1748-9326/8/1/014003
6. MetOffice (2013): The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?
7. Solar Influences Data Analysis Center (SIDC): International Sunspot Number
8. J.L. Lean (2010): Cycles and trends in solar irradiance and climate, WIREs Climate Change 1, 111-122
9. Jones, G. S., M. Lockwood, and P. A. Stott (2012): What influence will future solar activity changes over the 21st century have on projected global near-surface temperature changes?, Journal of Geophysical Research, 117, D05103, doi:10.1029/2011JD017013
10. Roemmich, D., W.J. Gould and J. Gilson (2012): 135 years of global ocean warming between the Challenger expedition an the Argo Programme, Nature Climate Change 2, 425–428, DOI: 10.1038/NCLIMATE1461
10.a. Schmidt, G.A., & T.R. Karl (NOAA/NASA, 2016): Global analysis for 2015. The warmest year in th record. Copyright: Freie Nutzung für Bildungs- und Informationszwecke
11. Balmaseda, M.A., K.E. Trenberth, and E. Källén (2013): Distinctive climate signals in reanalysis of the global ocean heat content, Geophysical Research Letters 40, 1754-1759
12. Eigene Darstellung nach MetOffice (2013): The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?