Folgen der NAO-Variabilität
Die Bedeutung der NAO (und AO) liegt in ihrem großen Einfluss auf die Temperaturen, aber auch auf die Sturmtätigkeit und die Niederschläge im Winterhalbjahr über einem großen Teil der Nordhalbkugel. Sowohl die bodennahen Lufttemperaturen wie die Meeresoberflächentemperaturen sind über weite Teile Europas, des Mittelmeerraumes, des östlichen Nordamerikas sowie des Nordatlantikraumes signifikant mit der NAO-Variabilität korreliert. Daraus resultieren Einflüsse auf Stürme und Niederschlag, die Meeresströmungen und deren Wärmetransport sowie auf die Meereisbedeckung. Diese Faktoren beeinflussen wiederum die von ihnen abhängigen Ökosysteme im Meer wie auf dem Festland und schließlich auch bestimmte wirtschaftliche Prozesse.1
Klimatische Folgen
Bei einem positiven NAO-Index bewegen starke Westwinde relativ warme maritime Luft über Mittel- und Nordeuropa, während starke Nordwinde kalte Luft aus arktischen Breiten über Grönland und das nordöstliche Kanada nach Süden transportieren und die Temperaturen über dem Land wie an der Meeresoberfläche über dem nordwestatlantischen Raum senken. Mit der um das stärkere Subtropen-Hoch im Nordatlantik verbundenen Strömung im Uhrzeigersinn sind außerdem bei einem hohen NAO-Index auch Abkühlungen und Trockenheit im Mittelmeerraum und eine Erwärmung in den östlichen USA verbunden.2
Abb. 1: Wetterlagen bei positiver (links) und negativer (rechts) NAO-Phase3
Besonders deutlich zeigen sich die Temperaturauswirkungen in Mittel- und Westeuropa nördlich 50° N und im Einzugsbereich der Ostsee.4 Der Wasserkörper von Nord- und Ostsee wirkt dabei als Wärmespeicher, der die winterlichen NAO-Einflüsse von Südnorwegen bis Norddeutschland und östlich davon auch noch im Frühling sichtbar werden lässt.
Der höhere NAO-Index hat sich in den letzten 30 Jahren vor allem auf die Temperaturen ausgewirkt. So stiegen die Wintertemperaturen über Eurasien und großen Teilen Nordamerikas seit den frühen 80er Jahren um 1-2 °C, woran der Anteil der NAO auf ca. ein Drittel geschätzt wird. Allerdings geht die tatsächliche Erwärmung über das aus der NAO-Variabilität ableitbare Maß hinaus, wie die hohen Wintertemperaturen seit Ende der 1990er Jahre trotz eines sich abschwächenden NAO-Index zeigen.
Höhere NAO-Index-Werte sind außerdem mit trockeneren Bedingungen über großen Gebieten Grönlands und Kanadas gekoppelt, ebenso im Mittelmeerraum und in Teilen des Nahen Ostens, während über Nord- und Mitteleuropa mehr Niederschläge fallen. Auch das häufigere Auftreten von Starkniederschlägen in Europa zwischen den 1960er und den 1990er Jahren im Winter wurde mit der NAO in Verbindung gebracht.5 Diese und die Temperaturwirkungen der NAO konnten in Modellrechnungen jedoch nur dann z.T. mit der NAO erklärt werden, wenn die Variabilität der Stratosphäre mit berücksichtigt wurde.
Bei einem hohen NAO-Index nahmen auch die Anzahl und die Intensität der Tiefdruckgebiete zu, in der negativen NAO-Phase dagegen ab. Mit stärkeren und häufigeren Tiefs sind in der Regel auch stärkere und häufigere Stürme und Niederschläge verbunden. Die Stürme besitzen eine längere Lebensdauer und weisen längere Zugbahnen auf. Für die Zukunft werden nach dem A1B-Szenario keine wesentlichen Änderungen erwartet: Die Intensität der Tiefdruckgebiete nimmt leicht zu, die Anzahl nimmt um ca. 10 % ab. Als Ursache für die Abnahme der Zahl der Tiefs wird ein reduzierter Temperaturgradient in der unteren Troposphäre als Folge der stärkeren Erwärmung in den hohen Breiten angenommen. Tiefdruckgebiete und Stürme können dennoch intensiver werden, weil z.B. in einer wärmeren Atmosphäre die latente Wärme zunimmt. Eine Ausnahme von der beschriebenen Entwicklung ist das Gebiet nahe der Britischen Inseln, wo deutlich mehr und stärkere Tiefdruckgebiete erwartet werden, in deren Folge stärkere Stürme auch in West- und Mitteleuropa auftreten können. Deren Zerstörungskraft könnte in Zukunft merklich zunehmen.6
Eine große Schwierigkeit besteht darin, Auswirkungen der NAO von anderen Einflussfaktoren, z.B. der globalen Erwärmung, zu unterscheiden. Wichtig wäre es außerdem, den Grund der NAO-Schwankungen selbst zu kennen.7 Sind die NAO-Änderungen der letzten Jahrzehnte durch natürliche Dekaden-Schwankungen bedingt, könnte sich das europäische Winterklima in den nächsten Jahren trotz der globalen Erwärmung eventuell abkühlen. Falls die Zunahme des NAO-Index seit den 1960er Jahren anthropogen bedingt ist, könnte sich die NAO auch in Zukunft positiv entwickeln (wie in den meisten Modellrechnungen) und den bisherigen Trend im europäischen Winter weiter verstärken. Eine zutreffende Einschätzung der Zusammenhänge wird noch dadurch erschwert, dass der anthropogene Anteil an den wichtigen Schwankungen der Stratosphäre ebenfalls schwer feststellbar ist.
Ökologische Folgen
Die von der NAO geprägten Winter- und Frühlingstemperaturen haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung von Pflanzen und Tieren im europäischen Raum. Vor allem für den Blattaustrieb und die Blüte sind die Wärmeangebote im Spätwinter und Frühling von großer Bedeutung. Dabei zeigt sich der NAO-Einfluss am stärksten in Norddeutschland und Dänemark, etwa am Beginn der Blüte des Schneeglöckchens. Außerdem wurde in Dänemark eine eindeutige Beziehung zwischen dem Beginn der Blüte der Vogelkirsche sowie dem Beginn des Pollenflugs der Birke und der NAO festgestellt. Die winterlichen Impulse der NAO, z.B. eine Erwärmung, werden dabei in der Nordsee gespeichert und im Frühjahr an das dänische Festland weitergegeben.8
Auch das Verhalten der Tiere, vor allem der Zugvögel, ist durch die NAO geprägt. So hängt die Ankunftszeit der Zugvögel auf Helgoland deutlich mit den Schwankungen der NAO zusammen. Dabei orientieren sich die Vögel stärker an den NAO-Phasen, z.B. auch deren Windverhältnissen, als an den lokalen Temperaturen.9 Ebenso wurde beobachtet, dass die Überlebenschancen und die Verbreitungsgebiete von Vögeln und Schmetterlingen in Großbritannien und auf dem europäischen Festland sich in den letzten Jahrzehnten vergrößert haben. Auch das Rotwild an der norwegischen Westküste, die im Winter unter besonders starkem NAO-Einfluss steht, wird durch einen hohen NAO-Index in seinen Lebensbedingungen begünstigt.10
Die Auswirkungen der NAO auf die Meeresoberflächentemperatur und die Meeresströmungen sind ebenfalls nicht ohne ökologische Folgen.11 So zeigte der Dorsch im Nordmeer und in der Nordsee während der letzten Jahrzehnte ein größeres individuelles Wachstum und dehnte sein Verbreitungsgebiet in der Barents-See in östliche und nördliche Regionen aus, die normalerweise zu kalt für diese Art sind. Zur selben Zeit waren in der kühleren Labradorsee eher negative Auswirkungen für die Dorsch-Population zu beobachten. Dagegen zeigte der atlantische Lachs in positiven NAO-Jahren eine geringere Verbreitung als in negativen, und auch der Hering vor der schwedischen Westküste wird durch negative NAO-Phasen eher begünstigt.
Auch auf das Leben in Süßwasserseen ist der Einfluss der NAO signifikant.12 Die Temperatur der Luft und der oberen Wasserschicht, das Aufbrechen der Eisdecke und die Nährstoffflüsse werden von der NAO beeinflusst, und damit auch die Konzentration und Zusammensetzung des Phytoplanktons in einem See. Ein positiver NAO-Index führt in der Regel zu einer früheren Phytoplanktonblüte im Frühling, wovon wiederum höhere Lebewesen profitieren.
Die Folgen der NAO-Variabilität auf terrestrische und marine Ökosysteme sind nicht immer direkt von der Temperatur bestimmt. Eine wichtige Rolle spielen z.B. auch die Sturmtätigkeit, die Niederschläge, die Durchmischung der oberen Wasserschichten etc. Die Kausalketten sind nicht immer einfach zu bestimmen und in vielen Fällen in der Forschung noch ungeklärt, insbesondere was den Anteil der NAO und den der globalen Erwärmung betrifft.
Ökonomische Folgen
Es gibt zahlreiche Beispiele für die wirtschaftlichen Folgen der Schwankungen des NAO-Index. Sie reichen von Reparaturen auf den Offshore-Ölplattformen wegen des höheren Wellengangs, dem durch die schwierigeren Schneeverhältnisse veränderten Ski-Tourismus in den Alpen bis hin zu den Erträgen des Hochseefischfangs. Selbst die politischen Konflikte zwischen der Türkei und Syrien um die knappen Wasserressourcen von Euphrat und Tigris sind in Teilen von der NAO abhängig, da die Niederschläge in der Region und die Wasserführung der Flüsse durch den lang anhaltenden positiven NAO-Index in den letzten Jahrzehnten noch geringer geworden sind.
Ein bezeichnendes Beispiel ist auch die Beziehung zwischen NAO-Index und der norwegischen Energieproduktion.13 Die enge Korrelation zwischen der NAO und den Niederschlägen an der norwegischen Westküste ist evident. Davon ist aber auch die Produktion der elektrischen Energie in Norwegen grundlegend abhängig, da diese zu 99% auf Wasserkraft beruht. Wie sehr selbst Jahr-zu-Jahr-Schwankungen des NAO-Index auf diesem Sektor ökonomisch durchschlagen, zeigt das Jahr 1996, das nach einer langen Serie von Jahren mit deutlich positivem NAO-Index zu den Jahren mit den niedrigsten Index-Werten des Jahrhunderts gehört. Die Niederschläge gingen gravierend zurück und die Reservoire der Stauseen fielen auf 40% des Durchschnitts. Norwegen wurde vom Exporteur zum Importeur von elektrischer Energie und musste Elektrizität von schwedischen Atom- und dänischen Kohlekraftwerken kaufen.
Abb. 2: Hydroelektrische Energieproduktion und Energiehandel in Terawattstunden pro Monat in Norwegen in Abhängigkeit vom NAO-Index. Links oben: Energieproduktion in TWh pro Monat (rote dünne Kurve) und jährliche Mittelwerte (schwarze dicke Kurve); rechts unten: die Differenz zwischen Energieproduktion und -verbrauch; blaue Bereiche zeigen den Export nach Schweden, rote den Importbedarf bei zu geringer Produktion; die hellgrünen Balken geben den NAO-Index an.14
Anmerkungen:
1. vgl. u.a. Marshall, J., Y. Kushnir, D. Battisti, P. Chang, A. Czaja, R. Dickson, J. Hurrell, M. McCartney, R. Saravanan, M. Visbeck (2001): North Atlantic climate variability: phenomena, impacts and mechanisms, International Journal of Climatology 21, 1863-1898; Greatbach, J.R. (2000): The North Atlantic Oscillation, Stochastic Environmental Research and Risk Assessment 14, 213-242; Hurrell, J.W., Y. Kushnir, M. Visbeck, and G. Ottersen (2003): An Overview of the North Atlantic
2. Scaife, A.A., et al. (2008): European Climate Extremes and the North Atlantic Oscillation, Journal of Climate 21, 72-83
3. Eigene Darstellung
4. Hense, A., R. Glowienka-Hense: Auswirkungen der Nordatlantischen Oszillation, promet 34, H.3-4, 89-94
5. Scaife, A.A., et al. (2008): European Climate Extremes and the North Atlantic Oscillation, Journal of Climate 21, 72-83
6. Pinto, J.G., et al. (2009): Factors contributing to the development of extreme North Atlantic cyclones and their Relationship with the NAO, Climate Dynamics 32, 711-737
7. Scaife, A.A., et al. (2008): European Climate Extremes and the North Atlantic Oscillation, Journal of Climate 21, 72-83
8. Hense, A., R. Glowienka-Hense: Auswirkungen der Nordatlantischen Oszillation, promet 34, H.3-4, 89-94
9. Hense, A., R. Glowienka-Hense: Auswirkungen der Nordatlantischen Oszillation, promet 34, H.3-4, 89-94
10. Ottersen, G., Planque, B.A. Belgrano, E. Post, P.C. Reid, and N.C. Stenseth (2001): Ecological effects of the North Atlantic Oscillation, Oecologia 128, 1-14
11. Ottersen, G., Planque, B.A. Belgrano, E. Post, P.C. Reid, and N.C. Stenseth (2001): Ecological effects of the North Atlantic Oscillation, Oecologia 128, 1-14
12. Hense, A., R. Glowienka-Hense: Auswirkungen der Nordatlantischen Oszillation, promet 34, H.3-4, 89-94
13. vgl. Hurrell, J.W., Y. Kushnir, M. Visbeck, and G. Ottersen (2003): An Overview of the North Atlantic; Cherry J., Cullen H., Visbeck M., Small A., Uvo C., 2005: Impacts of the North Atlantic Oscillation on Scandinavian hydropower production and energy markets, Water Resources Management 19 (6): 673-691 - online
14. Eigene Darstellung nach Hurrell, J.W., Y. Kushnir, M. Visbeck, and G. Ottersen (2003): An Overview of the North Atlantic