Die Welt der Gene
Die Welt der Gene
Proteine - die heimlichen Herrscher
Die Zellen aller Lebewesen bestehen, einmal abgesehen vom Wasser, vor allem aus Proteinen (Eiweiße), Kohlenhydraten und Fetten. Proteine sind die wichtigste Gruppe dieser Naturstoffe, denn sie haben die vielfältigsten Aufgaben. Sie sind aus einzelnen Bausteinen, den Aminosäuren, zusammengesetzt.
Der Aufbau der Proteine
Zwanzig verschiedene Aminosäuren gibt es in der Natur zum Aufbau der Proteine: Man kann sich die Proteine als Perlenketten aus zwanzig verschiedenfarbigen Perlen vorstellen. Sehr kleine Proteine haben z.B. nur zehn Perlen, sehr große können aus mehreren 1000 Perlen bestehen. Die Länge ist entscheidend für die Aufgabe, die ein Protein erfüllt. Aber eine noch viel wichtigere Rolle spielt dabei die Reihenfolge, in der die 20 verschiedenen Perlen auf der Kette aufgezogen sind. Denn von dieser Reihenfolge hängt die räumliche Eigenschaft der "Perlenkette" ab: ob sie ganz einfach eine Kette bleibt, ob sie sich verdreht und "aufdrillt" oder ob sie ein Knäuel mit einem inneren Hohlraum bildet, wird bestimmt durch die miteinander in Wechselwirkung tretenden Perlen. Die Folge der Perlen bestimmt also die Form des Proteins und ist damit entscheidend für seine biologische Funktion.
Ähnliche Proteine haben ähnliche Aufgaben
Proteine mit gleichen Aufgaben sind bei so verschiedenen Lebewesen wie einem Bakterium, einem Wurm, einem Schwein oder dem Menschen, in der Regel sehr ähnlich aufgebaut: Legt man die Perlenketten exakt nebeneinander, so sieht man, dass sie sich in nur wenigen Perlen unterscheiden. Diese große Ähnlichkeit im chemischen Aufbau von Proteinen mit ähnlichen Aufgaben verwundert bei genauerer Betrachtung nicht, denn alle Lebensformen haben einen gemeinsamen Ursprung. Perlenketten, deren Zusammensetzung sich für die entsprechende Aufgabe bewährt hat, blieben im Lauf der Entwicklungsgeschichte der Lebewesen (=Evolution) mit geringfügigen Änderungen erhalten.
Das Erbmaterial enthält die Baupläne für Proteine
Die Information - der Bauplan- zum Aufziehen der richtigen Perlenfolge auf eine Kette ist im Erbmaterial gespeichert: Jede einzelne lebende Zelle enthält in ihrem Erbmaterial die Baupläne zum Aufbau aller Proteine,die sie oder der Organismus, zu dem sie gehört, benötigt.
Ein Gen ist der Bauplan für ein Protein
Einfache Lebewesen haben in der Regel weniger Erbmaterial als höher entwickelte: Sie benötigen nicht so viele unterschiedliche Baupläne, weil weniger Proteine zum Aufbau ihrer Struktur und zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Den Bauplan zum Aufbau eines einzelnen Proteins bezeichnet man als ein Gen. Ein Mensch braucht viel mehr Gene als ein Bakterium: während das menschliche Erbmaterial aus ungefähr 100.000 Genen besteht, hat ein Bakterium nur etwa 5.000 Baupläne zum Aufbau von 5.000 verschiedenen Proteinen. Je nach Aufgabe der Zelle werden aber nur ganz bestimmte Proteine aufgebaut, d.h. nur ganz bestimmte Baupläne benutzt.
Die Erbinformation aller Lebewesen hat die gleiche Sprache
Die Baupläne aller Lebewesen auf dieser Erde, vom Bakterium bis zum Menschen, sind in der gleichen "chemischen Sprache" geschrieben: ein Bakterium kann deshalb auch einen Bauplan für ein Protein aus einer Zelle des menschlichen Körpers "lesen". Setzt man z.B. den Bauplan für das menschliche Protein Insulin in ein Bakterium ein, so kann das Bakterium entsprechend diesem Bauplan die "Perlenkette" für das menschliche Insulin "aufziehen". Die Bausteine, d.h. die Aminosäuren, die das Bakterium für den Aufbau des Insulins braucht, sind in der Bakterienzelle vorhanden, denn das Bakterium benötigt diese 20 verschiedenen Perlen genauso zum Aufbau seiner eigenen Proteine. Aber in der "Insulin-Reihenfolge" hat das Bakterium mit dem eingeführten Insulin-Gen, noch nie zuvor eine "Perlenkette aufgezogen", d. h. ein Protein zusammengesetzt: weil ihm der Bauplan für das Insulin fehlte.
Die chemische Sprache besteht aus nur 4 Buchstaben
Die Bauanleitung ist mit nur 4 unterschiedlichen Buchstaben geschrieben. Weil damit aber 20 verschiedene Aminosäuren verschlüsselt werden müssen, werden immer 3 dieser Buchstaben als Informationseinheit zusammengefasst Theoretisch ergeben sich so sogar 64 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten. Tatsächlich werden alle diese 64 Möglichkeiten genutzt: für einige Aminosäuren gibt es nicht nur 1 "Wort" (Codon), sondern manchmal sogar 6 und selbstverständlich darf die Verschlüsselung des Start- und Stopwortes nicht fehlen.
Gentechnik: Das Einsetzen eines Bauplans
Mit Hilfe der Gentechnik kann man einen Bauplan aus einer fremden Zelle entnehmen und in das Bauplan-Repertoire z.B. eines Bakteriums einsetzen. Damit erreicht man, dass das entsprechende Bakterium jetzt einen zusätzlichen Bauplan hat und damit ein zusätzliches Protein herstellen kann. Man kann aber auch noch andere Veränderungen vornehmen:
- Unveränderte Baupläne im Erbmaterial
- Einbau eines zusätzlichen, bereits vorhandenen eigenen Bauplans
Folge: das entsprechende Protein wird in größerer Menge gebildet.
- Änderung eines Bauplans
Folge: an einer bestimmten Stelle der Kette wird eine andere Perle aufgezogen:
es entsteht ein Protein mit geringfügig veränderten Eigenschaften.
- Entfernung eines bestimmten Bauplans
Folge: das entsprechende Protein wird nicht mehr gebildet.
Gentechnik im Vergleich
Auch die klassischen Züchtungsmethoden beeinflussen ein bestimmtes Protein durch Änderungen im Erbmaterial, d.h. im entsprechenden Bauplan des Proteins. Im Unterschied zur Gentechnik findet diese Bauplan- Veränderung bei klassischen Züchtungsmethoden aber immer nur zufällig statt.
Mit Hilfe der Gentechnik kann man einen Bauplan gezielt verändern und damit die Bildung eines bestimmten Proteins in einer Zelle gezielt beeinflussen. Da man dabei nicht mehr vom Zufall abhängig ist, kann man sehr viel schneller und ohne unerwünschte Nebenwirkungen arbeiten. Der wichtigste Unterschied zu klassischen Methoden ist aber die neue Möglichkeit, Baupläne anderer Arten zu nutzen wie zum Beispiel das menschliche Insulin in Bakterien herzustellen. Die Voraussetzungen dafür hat die Natur selbst geschaffen.
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Quelle: BioLinX