Klimawandel und Klimafolgen

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Gletscher in Kanada

In Kanada liegen mit Abstand die größten vergletscherten Flächen Nordamerikas.

Die kanadische Arktis

© Wikimedia: North America satellite orthographic.jpg

Abb. 1: Wichtige Gletschergebiete in Alaska und KanadaB1

In Kanada befinden sich Gletscher hauptsächlich auf den Inseln der Arktis. Der kanadisch-arktische Archipel besteht aus rund 36 000 Inseln, auf denen eine Fläche von 146 000 km2 mit Eis bedeckt ist.1 Er ist damit das größte Landeisgebiet der Erde außerhalb der Eisschilde auf Grönland und der Antarktis. Sein Anteil am globalen Landeis (ohne Grönland und Antarktis) beträgt 28 %. Die größten vergletscherten Gebiete befinden sich auf den Königin-Elisabeth-Inseln (107 000 km2), der Baffin-Insel (38 000 km2) und der Bylot-Insel (5 000 km2). Neben großen Eiskappen, die als Reste der eiszeitlichen Eisschilde gelten, gibt es kleinere Eiskappen und Talgletscher. Am Nordrand der Ellesmere-Insel, der größten Insel der Königin-Elisabeth-Gruppe, gehen die Gletscher in ein großes Schelfeisgebiet über.2

Auch in der kanadischen Arktis zeigt sich die „Arktische Verstärkung“ des Klimawandels. Die Temperaturen haben sich im 20. Jahrhundert zunächst bis in die 1950er und 1960er Jahre hinein deutlich erhöht und sind anschließend etwas gesunken. Eine erneute Erwärmung wurde in den letzten Jahrzehnten seit Ende der 1980er Jahre und besonders in den 2000er Jahren festgestellt. Davon waren besonders die Sommermonate Juni-August betroffen. In den letzten 25 Jahre war nördlich von 75 °N der sommerliche Temperaturanstieg mit 2,2 °C etwa dreimal so stark wie im Mittel der Nordhalbkugel.3 Die Erwärmung steht im Zusammenhang mit Änderungen der atmosphärischen Zirkulation im Sommer. Seit 1987 drang verstärkt warme Luft vom nordamerikanischen Kontinent in das arktische Archipel ein, seit 2005 stammt die Warmluft vor allem aus dem Nordatlantik, der ungewöhnlich hohe Temperaturen zeigte.2

Die starke Erwärmung hatte in manchen Datenreihen die höchsten Schmelzraten in den letzten 2000, in anderen sogar in den letzten 4200 Jahren zur Folge.3 Untersuchungen auf den Königin-Elisabeth-Inseln zeigen einen merklichen Vorstoß der Gletscher mit dem Beginn der Kleinen Eiszeit um 1500, die in dieser Region bis 1925 anhielt. Die anschließende Erwärmung führte zu einem Rückgang der vergletscherten Fläche um 37 % bis etwa 1960. Auf den anderen größeren Inseln war der Rückgang geringer, so auf der Baffin-Insel um 7,3 %. Am stärksten betroffen waren die kleinen Gletscher mit einer Fläche von unter 1 km2, von denen viele ganz verschwanden, am wenigsten gingen die großen Eiskappen und Eisfelder zurück. In den letzten drei bis vier Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts setzte sich der Eisverlust fort: auf den Königin-Elisabeth-Inseln um 2,7 %, auf der Baffin-Insel um 2 % und auf der Bylot-Insel 5,1 %.3

© NASA Earth Observatory 2014


Abb. 2: Gletscher auf Ellesmere auf dem Weg von den Krieger Mountains in das Oobloyah-Tal. Die Lage der älteren Moränen zeigt den Trend zum Rückzug der Gletscher.B2

Höhen- und Schwerefeldmessungen mit Satelliten sowie Modellsimulationen haben es in jüngster Zeit auch ermöglicht, die Volumenverluste der Gletscher des kanadisch-arktischen Archipels zu bestimmen. So haben die Königin-Elisabeth-Inseln zwischen 2004 und 2009 jährlich einen Verlust von 61 Gt pro Jahr zu verzeichnen, was einem Beitrag zum Meeresspiegelanstieg von 0,17 mm pro Jahr entspricht. Dabei hat sich das Tempo der Eisschmelze in diesen fünf Jahren verdreifacht. Zunehmend waren an dem Eisverlust auch die größeren Eiskappen und Eisfelder beteiligt. Sehr stark, nämlich um 90 %, hat sich auch das Schelfeisgebiet am Nordrand der Ellesmere-Insel verringert.3 Andere Untersuchungen zeigen einen Massenverlust im Zeitraum von 2004-2011 für das gesamte Archipel von 579 Gt bzw. eine jährliche Rate von zunächst 31 Gt/Jahr in 2004-2006 und dann 92 Gt/Jahr in 2007-2009. Die mittlere Rate in 2003-2012 belief sich nach Schwerefeldmessungen des GRACE-Projekts auf 69 Gt/Jahr. Nach Modellberechnungen wird der Massenverlust gegen Ende des 21. Jahrhundert bei 144 Gt/Jahr liegen. Der Beitrag zum Meeresspiegelanstieg des kanadisch-arktischen Archipels wird im Mittel für das 21. Jahrhundert hiernach auf 0,35 mm/Jahr geschätzt, d.h. über das ganze Jahrhundert 3,5 cm betragen.1

West-Kanada

Die Gletscher in West-Kanada verteilen sich primär auf drei Gebirgszüge: das Küstengebirge, die Columbia Mountains und die Rocky Mountains in den Provinzen British Columbia und Albert. Sie bedecken zusammen eine Fläche von 12 658 km2. Hinzu kommen 649 km2 in Yukon und den Nordwest-Territorien, z.B. in den Mackenzie Mountains (Abb. 3). Zweidrittel dieser Gletscherfläche (8760 km2) befindet sich in den Küstengebirgen.4 Die Gletscher im kanadischen Westen machen flächenmäßig jedoch nur ca. ein Zehntel der Gletscher in der kanadischen Arktis aus und spielen für den globalen Meeresspiegel kaum eine Rolle. Sie sind jedoch in vielen Regionen ein wichtiges Süßwasserreservoire, das vor allem im Spätsommer, wenn die Schneebedeckung weitgehend abgeschmolzen ist, als Schmelzwasserlieferant von Bedeutung ist.

Die vorherrschenden Westwinde sorgen aufgrund der von Norden nach Süden verlaufenden Gebirgszüge für starke Niederschlagsunterschiede von West nach Ost. Die höchsten Niederschläge fallen im Winter in den Coast Mountains.5 Auch in den weiter landeinwärts gelegenen Cariboo Mountains, der nördlichsten Kette der Columbia Mountains, zeigt sich noch die Exponiertheit nach Westen. Rund 1000 mm Niederschläge fallen hier auf der Luv- und nur 680 mm auf der Leeseite.6

© Menounos et al. 2019


Abb. 3: Änderung der Oberflächenhöhe der Gletscher in m/Jahr im westlichen Nordamerika (ohne Alaska) 2000-2018, (a) in der frühen Periode 2000-2009 und (b) in 2009-2018. (c) gibt die Differenz zwischen beiden Perioden an. Die Größe der Kreise zeigt die Flächengröße der Gletschergebiete in km2. Die Ziffern geben Gebirgszüge an: 1+2: Coast Mountains, 3: Vancouver Island, 4+5: Interior Range, 6: Mackenzie Mountains, 7-9: Rocky Mountains, (nur USA:) 10 Olympics, 11+12: Cascades, 13 Sierra Nevada, 14: Glacier National Park, 15: Wind River Range.B3

In British Columbia und Alberta gab es in den 1980ern ein etwa 30 000 km2 großes vergletschertes Gebiet, das etwa 23 % der nordamerikanischen und 4 % der der nichtpolaren weltweiten Eisbedeckung entsprach. Von den ursprünglich ca. 14 300 Gletschern lösten sich zwischen den 1980ern und den 2000er Jahren ungefähr 2000 in kleinere Einheiten auf, so dass sich die Anzahl der Gletscher um etwa 3000 erhöhte. 300 Gletscher verschwanden in derselben Periode aber auch ganz. Den geringsten relativen Verlust hatte mit 7 % das nördliche Küstengebirge, den größten mit 25 % die nördlichen Rocky Mountains.5 Im nördlichen Teil der westlich von den Rocky Mountains liegenden Columbia Mountains, den Cariboo Mountains, bedeckten die Gletscher 1952 noch eine Fläche von 824 km2, 2005 nur noch 731 km2. Die Volumenveränderungen zwischen 1952 und 2005 werden auf rund 11 km3 geschätzt.6  Einen deutlich größeren Verlust an Eismasse zeigten mit 7,4 Gt/Jahr allein zwischen 2009 und 2018 die südlichen Coast Mountains, die fast die Hälfte der westkanadischen Eisbedeckung beherbergen (Abb. 3). Neben anthropogen bedingten Klimaänderungen werden von auch natürliche Schwankungen der Westwindzirkulation als Ursache angenommen.7

© Beedle, et al. (2015): Glacier change in the Cariboo Mountains


Abb. 4: Gletschergebiete in den Cariboo Mountains (BC: British Columbia, AB: Alberta)B4

Nach Simulationen mit einem hochaufgelösten regionalen Eis-Modell nach verschiedenen Szenarien bis 2100 zeigen die etwas landeinwärts gelegenen Gletscher der Küstenregion den stärksten Widerstand gegenüber dem Klimawandel, vor allem die massereichen Gletscher im Norden und Süden des Küstengebirges. Die küstennahen Gletscher werden dagegen gegenüber dem Zustand von 2005 bis 2100 durch die zu erwartende Erwärmung und Veränderung der Niederschläge 75 % ihrer Fläche und 70 % ihres Volumens verlieren. In den Columbia Mountains und den Rocky Mountains werden Fläche und Volumen nach diesen Modellberechnungen sogar um 90 % zurückgehen. Dabei zeigt die Entwicklung zwischen niedrigem (RCP2.6) und hohem (RCP8.5) Szenario bis 2050 kaum einen Unterschied, differiert aber bis zum Ende des  Jahrhunderts deutlich.8

Die Folgen der Gletscherschmelze für die Hydrologie der Region sind schon heute gravierend. Der fast 2000 km lange und in den Columbia Mountains entspringende Columbia River ist der wasserreichste pazifische Zufluss Nordamerikas. Der kanadische Anteil an dem Flusseinzugsgebiet beträgt nur 15 %, da der Columbia River hauptsächlich durch die nordwestlichen Vereinigten Staaten fließt. Er liefert jedoch aufgrund der hohen Niederschläge und Gletscherschmelze 30-40 % des gesamten Abflusses des Columbia Rivers.9 Die Wasserkraftwerke seiner Staudämme produzieren so viel Strom wie an keinem anderen Fluss in Nordamerika. In British Columbia sind sie stark vom Schmelzwasserzufluss der umliegenden Gletscher abhängig, die in den Sommermonaten auch die Flusstemperaturen regulieren, was für den Fischreichtum der Region von großer Bedeutung ist.8

Anmerkungen:
1. Lenaerts, J.T.M., et al. (2013): Irreversible mass loss of Canadian Arctic Archipelago glaciers, Geophysical Research Letters 40, doi:10.1002/grl.50214
2. Sharp, M., et al. (2014): Remote sensing of recent glacier changes in the Canadian Arctic, in: Kargel, J.S., et al. (Ed.) (2014): Global Land Ice Measurements from Space
3. Fisher, D. et al. (2012): Recent melt rates of Canadian arctic ice caps are the highest in four millennia, Global and Planetary Change 84-85, doi:10.1016/j.gloplacha.2011.06.005
4. Menounos, B., R. Hugonnet, D. Shean, A. Gardner, L. Howat, E. Berthier, E., et al. (2019): Heterogeneous changes in western North American glaciers linked to decadal variability in zonal wind strength. Geophysical Research Letters, 46, 200–209
5. Bolch, T., B. Menounos, R. Wheate (2010): Landsat-based inventory of glaciers in western Canada, 1985–2005, Remote Sensing of Environment 114, 127–137
6. Beedle, M.J., B. Menounos, and R. Wheate (2015): Glacier change in the Cariboo Mountains, British Columbia, Canada (1952–2005), The Cryosphere, 9, 65–80
7. Menounos, B., R. Hugonnet, D. Shean, A. Gardner, L. Howat, E. Berthier, E., et al.
(2019): Heterogeneous changes in western North American glaciers linked to decadal variability in zonal wind strength. Geophysical Research Letters, 46, 200–209. https://doi.org/10.1029/2018GL080942; die absoluten Werte sind nach den Angaben von Menounos et al. (2019) berechnet.
8. Clarke1, G.K.C., A.H. Jarosch, F.S. Anslow, V. Radic and B. Menounos (2015): Projected deglaciation of western Canada in the twenty-first century, Nature Geoscience, doi:10.1038/ngeo2407
9. Pelto, B. M., Menounos, B., and Marshall, S. J. (2019): Multi-year evaluation of airborne geodetic surveys to estimate seasonal mass balance, Columbia and Rocky Mountains, Canada, The Cryosphere, 13, 1709–1727, https://doi.org/10.5194/tc-13-1709-2019

Bildquellen
B1. Quelle: Wikimedia: North America satellite orthographic.jpg; Beschriftung hinzugefügt, eigener Bildausschnitt. Lizenz: public domain.
B2. NASA Earth Observatory (2014): Scratching out a Living on Ellesmere Island; Lizenz: public domain
B3. Menounos, B., R. Hugonnet, D. Shean, A. Gardner, L. Howat, E. Berthier, E., et al. (2019): Heterogeneous changes in western North American glaciers linked to decadal variability in zonal wind strength. Geophysical Research Letters, 46, 200–209. https://doi.org/10.1029/2018GL080942; Lizenz:  CC BY-ND-NC
B4. Beedle, M.J., B. Menounos, and R. Wheate (2015): Glacier change in the Cariboo Mountains, British Columbia, Canada (1952–2005), The Cryosphere 9, 65–80; Lizenz: CC BY