Extremereignisse

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Indien

Weizen und Reis sind die beiden wichtigsten Anbaufrüchte in Indien. Dürren stellen zunehmend eine der größten Bedrohungen für die indische Landwirtschaft dar.

Dürren und Landwirtschaft in Indien

Indien ist mit seinen 1,24 Mrd. Einwohnern seit jeher von zahlreichen Wetterextremen wie Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren betroffen. Im Vergleich zu anderen Extremereignissen entstehen Dürren allmählich und werden in ihren Folgen nicht unmittelbar wahrgenommen. Sie stehen daher häufig nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Ihre ökonomischen und sozialen Folgen sind jedoch oft größer als bei anderen Wetterextremen.1

© Pratap 2019


Abb. 1: Trockener Boden in Nord-Indien am mittleren Ganges, aufgenommen  am 16.1.2019B1

Weltweit leiden unter Dürren jedes Jahr Millionen von Menschen. Dürren senken den Grundwasserspiegel, verringern die Wasserressourcen und verschlechtern die Wasserqualität, was zu empfindlichen Ernteausfällen führen sowie Hungerkatastrophen und Krankheiten auslösen kann. Wenn anhaltende Niederschlagsdefizite und hohe Temperaturen zusammen fallen, verringert sich die Bodenfeuchte im Wurzelbereich der Pflanzen. Das Pflanzenwachstum wird beeinträchtigt, Ernten und Ernährungssicherheit sind gefährdet (Abb. 1). In dem stark agrarisch geprägten Indien ist die Landwirtschaft immer noch von dominierender Bedeutung. In ihr sind 52 % der Arbeitskräfte beschäftigt und die indische Agrarproduktion trug 2010 rund 18 % zum Bruttosozialprodukt des Landes bei.2

© Nepal 2015


Abb. 2: Indus-Ganges-Brahmaputra-Flusssysteme: Hervorgehoben sind einige ausgewählte Flusseinzugsbecken.B2

Weizen und Reis sind die beiden wichtigsten Anbaufrüchte und wachsen in Indien in Rotation auf mindestens 12 Mio. ha, Reis in der sog. Kharif-Periode von Juni bis Oktober, Weizen in der Rabi-Periode von November bis Februar. In der landwirtschaftlich intensiv genutzten und als „Brotkorb“ Indiens bezeichneten Ganges-Ebene (Abb. 2) dominiert Reis im Osten im Regenfeldbau, im Westen dagegen mit Hilfe von Bewässerung. 2013-14 wurden hier außerdem 67 % der Weizenproduktion Indiens erzeugt.3 Die Ernten sind entscheidend von den Niederschlägen des Südwest-Monsuns im Juli bis September abhängig. Die langfristigen (1906-2005) mittleren Niederschläge in der Indus-Ganges-Ebene betragen 1099 mm. 81 % davon fallen in der Monsunzeit. West-Bengalen im Osten erhält mit 2038 mm den höchsten Jahresniederschlag in der Ganges-Ebene, Haryana im Westen mit 571 mm den geringsten.4 Für den Weizenanbau ist das Winterhalbjahr entscheidend, das jedoch nur geringe Niederschläge aufweist. Die Bewässerung der Felder nimmt daher mit 40 % der Fläche (2009-10) eine prominente Stellung ein.3

Dürre-Ereignisse

Indien insgesamt erhält 70-90 % seiner Jahresniederschläge durch den Südwest-Monsun. Als Dürrejahr wird in Indien ein Jahr bezeichnet, das mindestens 10 % weniger als den langfristigen Durchschnitt an Niederschlägen erhält. Danach gab es zwischen 1901 und 2010 etwa 21 Dürrejahre. Als die schlimmsten Dürrejahre in den letzten ca. 100 Jahren gelten die Jahre 1918 und 2002.5 Aber auch 1972 und 1987 ereigneten sich außergewöhnlich starke Dürren. Die Dürre von 1972 erstreckte sich primär über den südwestlichen, zentralen und nordöstlichen Teilen von Indien. Betroffen war ca. ein Viertel des Landes. Der Schwerpunkt der Dürre von 1987, von der während der Wachstumszeit von Reis (Juli-Oktober) 35 % des Landes erfasst wurden, lag im westlichen Indien. Insgesamt wurden 56,8 Mio. ha Anbaufläche schwer geschädigt, und 285 Mio. Menschen waren von der Dürre betroffen. Nicht weniger schwer war die Dürre des Jahres 2002, die vor allem während der Aussaat von Reis (Mai-Juli) in der Ganges-Ebene Ernten zerstörte und die jährliche Getreideproduktion Indiens von 212 auf 174 Mio. t reduzierte.2

© Roxy 2017


Abb. 3: Änderung der Niederschläge über Indien 1950-2015 in mm/Tag während der Monsunzeit (Juni-September). Die gepunkteten Bereiche bezeichnen eine hohe statistische Wahrscheinlichkeit der Ergebnisse (>95 %). Gestricheltes Rechteck: Zentral-Indien (76°–86 E, 19°–26 N), auf das sich die Untersuchung der Quelle konzentriert. Blau: Niederschlagsabnahme, braun: -zunahme!B3

Eine weitere schwere Dürre, von der insgesamt 330 Millionen Menschen betroffen waren, ereignete sich 2015-2016. Trockenheit und Wasserknappheit zogen vor allem den Agrarsektor in Mitleidenschaft, z.B. in der Ganges-Ebene, im Bundesstaat Maharashtra im Westen des Landes u.a. Gebieten. In 91 großen Wasserreservoiren lag der Wasserstand bei nur rund 15 % des normalen Niveaus. Die Regierung sah sich genötigt, die Wasserversorgung der betroffenen Regionen durch Züge sicherzustellen. Hauptursache waren geringe Niederschläge in der Monsunzeit (Juni-September). Teilweise fielen 20-50 % weniger Niederschläge als im Mittel. Das Niederschlagsdefizit 2015 über ganz Indien wurde zwar von einigen früheren Dürren übertroffen (so von den Dürren 1972, 2002 und 2010). Die Dürre 2015 war jedoch mit 24 % des Landes sehr ausgedehnt und erfasste Gebiete mit einer hohen Bevölkerungsdichte und intensiven Landwirtschaft wie die Ganges-Ebene. Außerdem dauerte die Dürre auch bis in das Folgejahr 2016 an. Rechnet man die Niederschlagsdefizite während der Monsunzeit beider Jahre zusammen, war die Dürre 2015/16 in den letzten 110 Jahren mit einem Defizit der Monsunniederschläge von 26,6 % und einer Wiederkehrperiode von 88 Jahren die stärkste Dürre dieser Periode. Die Ganges-Ebene wies in diesen beiden Jahren sogar ein Defizit von 51 % der Monsunniederschläge und eine Wiederkehrperiode von über 500 Jahren auf und war damit beispiellos.6

Trends

Seit den 1950er Jahren ist eine Abnahme des Niederschlags in der Monsun-Zeit vor allem in der Ganges-Ebene zu beobachten, während der Jahresniederschlag stabil blieb (Abb. 3 und 4).1 Nach einigen Studien haben die extremen Niederschläge zugenommen, die moderaten dagegen abgenommen. Auch über den Zeitraum 1901-2012 zeigt sich eine Abschwächung der Monsun-Niederschläge zumindest über Teilen von Südasien, so über die zentral-östlichen und die nördlichen Regionen Indiens, im Ganges-Brahmaputra-Becken und am Fuß der Himalaya-Kette.7 Nach Untersuchungen der Wachstumszeiten von Reis und Weizen in der Ganges-Ebene verringerten sich die Niederschläge während der Anbauzeit von Reis, die ungefähr mit der Monsun-Saison zusammenfällt, zwischen 1950 und 2008 deutlich. Die Temperaturen nahmen allerdings gleichfalls ab, so dass die abnehmende Bodenfeuchte weniger durch Verdunstung als durch die geringen Niederschläge bedingt war. In den übrigen Gebieten Indiens stieg zumeist auch die Temperatur an und war somit infolge höherer Verdunstung an der Austrocknung des Bodens beteiligt. Während der Weizenanbauzeit zeigten die Ganges-Ebene sowie die zentralen und nordöstlichen Gebiete Indiens ebenfalls abnehmende, der Süden und Nordosten Indiens dagegen höhere Niederschläge. Zugleich stiegen die Temperaturen teilweise um fast 1 °C oder mehr. Die Bodenfeuchte nahm daher vor allem in der Ganges-Ebene sowie im zentralen und westlichen Indien im Winter deutlich ab.2

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Abb. 4: Änderung von Tiefdruckgebieten (Anzahl Tage mit Tiefdrucksystemen) und spezifischer Feuchtigkeit (g pro kg Luft) über Zentral-Indien 1950-2015 während der Monsunzeit (Juni-September). Gezeigt werden Jahresmittel (dünne Linie),  10-Jahresglättung (dicke Linie) und eine Trendlinie.B3

Als Folge haben Häufigkeit, Ausdehnung und Intensität von Dürren in Indien im Mittel zugenommen. Von den insgesamt 19 Dürren im Zeitraum 1906-2015 ereigneten sich 12 Dürren nach 1960.1 Die Länge der Dürren hat seit Beginn des 20. Jahrhunderts ebenfalls zugenommen. So gab es nur drei mehrjährige Dürren zwischen 1901 und 1950 gegenüber 12 in den folgenden 60 Jahren. Außerdem wurden auch die Intensität der Dürren in den letzten Jahrzehnten stärker und die erfassten Gebiete größer.5

Ursachen

Als Ursache für die Abnahme der Niederschläge vor allem in der Ganges-Ebene werden eine Erwärmung des westlichen tropischen Indischen Ozeans und daneben die Zunahme von Aerosolen über dem nördlichen Indien diskutiert. Der westliche Indische Ozean ist im Vergleich zum östlichen Teil zwar grundsätzlich kühler, weil die starken Monsunwinde kaltes Auftriebswasser erzeugen. Er hat sich jedoch in den letzten ca. 100 Jahren um 1,2 °C erwärmt und damit um 0,5 °C mehr als der an sich wärmere östliche Teil (Abb. 5).
 

© Roxy 2017


Abb. 5: Änderung der Meeresoberflächentemperatur des nördlichen Indischen Ozeans 1901 bis 2010.B4

Klimamodelle zeigen übereinstimmend, dass sich der Land-Meer-Gegensatz bei einem zunehmendem Treibhausgasantrieb verstärkt, weil sich das Land stärker erwärmt als der Ozean. Über dem wärmer werdenden Ozean erhöht sich zudem die Verdunstung, die einen Abkühlungseffekt über dem Meer bewirkt, wodurch die Ozeanerwärmung zusätzlich verlangsamt wird. Dadurch sollte der Temperaturgegensatz zwischen Land und Meer und damit die Stärke des Monsuns zunehmen. Die starke Erwärmung des westlichen tropischen Indischen Ozeans und die gleichzeitig nur geringe oder sogar fehlende Erwärmung über dem indischen Festland haben diese Entwicklung jedoch verhindert. Die höheren Meeresoberflächentemperaturen haben vielmehr den Temperaturgegensatz zwischen Meer und Land und damit auch die Monsunzirkulation und den Transport feuchter Luftmassen abgeschwächt. Als Ursache für die starke Erwärmung des Indischen Ozeans wird der anthropogene Treibhauseffekt angenommen. Die Abschwächung des Land-Meer-Gegensatzes wurde noch dadurch verstärkt, dass sich die Temperaturen über dem Festland nur schwach oder gar nicht erhöht haben (Abb. 6). Der Grund dafür wird in der zunehmenden Aerosolbelastung der Atmosphäre über dem indischen Subkontinent durch anthropogene Emissionen gesehen.7

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Abb. 6: Temperaturveränderung über S-Asien in °C/66 Jahre (1950-2015). Die gepunkteten Bereiche zeigen  eine hohe statistische Wahrscheinlichkeit der Ergebnisse (>95 %) an.B4

Bei kurzfristigen, d.h. sich nur über einige Jahre erstreckenden, Schwankungen der Niederschläge spielt das ENSO-Phänomen eine wichtige Rolle, wobei El-Niño-Jahre für stärkere Dürren und La-Niña-Jahre für mehr Niederschlag stehen.5 So hat der starke El Niño 2015 wahrscheinlich einen Teil zu der Dürre 2015 in Indien beigetragen.6

Projektionen

Klimaprojektionen ergeben für die Reis-Anbauzeit eine Zunahme der Niederschläge von bis zu 20 % und teilweise sogar mehr bis zum Ende des Jahrhunderts. Da die Temperaturen nur mäßig um ca. 2 °C zunehmen werden, soll auch die Bodenfeuchte nach Modellberechnungen über das ganze Land gemittelt um ca. 4 % steigen. Als Ergebnis wird nach diesen Berechnungen die Häufigkeit von Dürren mittelfristig zu-, nach der Mitte des Jahrhunderts im Vergleich zu heute aber abnehmen. Ähnliches gilt für die Ausdehnung von Dürren.2

Anmerkungen:
1.
Rahmann, R., & H. Lateh (2016): Meteorological drought in Bangladesh: assessing, analysing and hazard mapping using SPI, GIS and monthly rainfall data, Environmental Earth Sciences 75, 12, 1-20
2. Mishra, V., R. Shah, and B. Thrasher (2014): Soil moisture droughts under the retrospective and projected climate in India, J. Hydrometeorol.,15(6), 2267–2292
3. Zhang, X., R. Obringer, C. Wei, N. Chen & D. Niyogi (2017): Droughts in India from 1981 to 2013 and Implications to Wheat Production. Scientific Reports 7, 44552; doi: 10.1038/srep44552
4. Subash, N. & Mohan, H. S. R. (2011): Trend detection in rainfall and evaluation of standardized precipitation index as a drought assessment index for rice-wheat productivity over IGR in India. Int. J. Climatol. 31, 1694–1709, doi: 10.1002/joc.2188
5. Kumar, K.N., M. Rajeevan, D.S.Pai, A.K.Srivastava, B.Preethi (2013): On the observed variability of monsoon droughts over India, Weather and Climate Extremes 1, 42-50
6. Mishra, V., S. Aadhar, A. Asoka, S. Pai, and R. Kumar (2016): On the frequency of the 2015 monsoon season drought in the Indo-Gangetic Plain, Geophys. Res. Lett., 43, 12,102–12,112, doi:10.1002/2016GL071407
7. Roxy, M. K. et al. (2015): Drying of Indian subcontinent by rapid Indian Ocean warming and a weakening land-sea thermal gradient. Nature Communications 6:7423, doi: 10.1038/ncomms8423

Bildquellen:
B1. 
Pratap, S. (2019): Earth seeks attention, https://imaggeo.egu.eu/view/13659/, Lizenz:  CC BY
B2.  Nepal, S., & A. B. Shrestha (2015): Impact of climate change on the hydrological regime of the Indus, Ganges and Brahmaputra river basins: a review of the literature, International Journal of Water Resources Development, 31:2, 201-218, DOI: 10.1080/07900627.2015.1030494, Lizenz: CC BY-NC-ND
B3. M. K. Roxy, Subimal Ghosh, Amey Pathak, R. Athulya, Milind Mujumdar et al. (2017): A threefold rise in widespread extreme rain events over central India, Nature Communications 8, 708, DOI: 10.1038/s41467-017-00744-9, Lizenz: CC BY
B4. Kumar, K.N., M. Rajeevan, D.S.Pai, A.K.Srivastava, B.Preethi (2013): On the observed variability of monsoon droughts over India, Weather and Climate Extremes 1, 42-50, Lizenz: CC BY