Klimawandel

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Bodenbedeckung und Klima

Der Mensch verändert das Klima nicht nur durch die Emission von Treibhausgasen, sondern auch über die Veränderung der Bodenbedeckung, vor allem für landwirtschaftliche Zwecke.

Die eisfreie globale Landoberfläche wird gegenwärtig auf 130 Mio. km2 geschätzt. Gegenwärtig sind ca. die Hälfte der Landoberfläche der Erde durch die menschliche Nutzung umgewandelt, davon 12% durch Ackerbau und 37% durch mehr oder weniger intensive Weidenutzung. 1% wird von Siedlungen und Infrastrukturanlagen eingenommen. Vor rund 300 Jahren betrug der Anteil an Anbaufläche nur 2,2% und selbst um 1850 nur 4,4%.1 Erst seit dem Mittelalter und besonders seit Beginn der Industrialisierung verschwand die natürliche Bodenbedeckung in immer schnellerem Tempo zugunsten landwirtschaftlicher Flächen. Dabei war in klimatischer Hinsicht die Umwandlung von Wäldern in Ackerland von wesentlich größerer Bedeutung als die von Steppen und Buschland in Weideland.2

© Klein Goldewijk 2017

Abb. 1: Entwicklung der Ackerbau- und Weidefläche in Millionen haB1

Seit dem Auftauchen des Homo sapiens vor rund 200 000 Jahren hat die Jäger- und Sammler-Gesellschaft über 95 % der Zeit insgesamt verhältnismäßig wenig in die natürlichen Ökosysteme eingegriffen. Mit der Entstehung der Landwirtschaft vor ca. 11 000 Jahren begann eine zunehmend stärkere Änderung der Bodenbedeckung, die in vielen Regionen der Welt durch Waldbeseitigung gekennzeichnet war. Dieser Prozess ist in Anlehnung an die „Industrielle Revolution“ als „Neolithische Revolution“ bezeichnet worden. Dabei handelte es sich allerdings weniger um eine revolutionäre Umwälzung als um einen über 3000 Jahre dauernden Prozess, der von verschiedenen Zentren ausging.

© Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Centres_of_origin_and_spread_of_agriculture.svg


Abb. 2: Wichtige Ursprungszentren der Landwirtschaft und deren frühe Ausbreitung; Zeitangaben in Jahre vh.B2

Zuerst haben die Menschen den Schritt zur landwirtschaftlichen Produktion in der Region des „Fruchtbaren Halbmonds“, die sich vom Südosten der heutigen Türkei über Nordsyrien bis zum Nordirak erstreckte, vollzogen. Hier änderten Jäger und Sammler vor etwa 11 Jahrtausenden ihr Leben grundlegend und wurden sesshafte Bauern, die Getreide anbauten, Vieh züchteten und Vorratshaltung betrieben. Von hier breitete sich die neue Agrargesellschaft bis 5700 vh. über die meisten Gebiete Europas aus, zunächst im mediterranen Raum, dann aber auch über Mitteleuropa und bis zu den britischen Inseln. Ein zweiter Schwerpunkt der Entwicklung lag unabhängig davon in China, wo vor 8500 Jahren der Reisanbau begann und um 5500 vh. Südostasien und gut tausend Jahre später Nordindien erreichte. Ein dritter Schwerpunkt befand sich in Mittelamerika, wo Mais möglicherweise schon um 9000 vh. kultiviert wurde .

Auf der einen Seite hat die Veränderung der Bodenbedeckung einen globalen Einfluss auf das Klima: Aus ihr resultieren 35 % der anthropogenen Emission von Kohlendioxid in die Atmosphäre, das zuvor in Bäumen und anderen Pflanzen gespeichert war. Da CO2 ein langlebiges Treibhausgas ist, das nach kurzer Zeit überall in der Atmosphäre gut durchmischt vorliegt, ist seine Wirkung global. Neben diesem biogeochemischen Effekt wirkt sich die Beseitigung von Wald und anderer natürlicher Pflanzendecke aber auch direkt auf das regionale Klima aus, vor allem auf die Strahlung und den Niederschlag. Bei der Ersetzung von Wald z.B. durch landwirtschaftliche Nutzfläche wird in der Regel der Boden aufgehellt und damit mehr Strahlung reflektiert, was einen Abkühlungseffekt zur Folge hat. Außerdem wird weniger Wasser gespeichert, das dann auch nicht verdunsten und damit den regionalen Wasserkreislauf speisen kann. Die Verringerung der Verdunstung bewirkt darüber hinaus eine Erwärmung der unteren Luftschicht, da bei Verdunstung der Umgebung Energie entzogen wird. Diese Folgen werden als biogeophysikalische Effekte bezeichnet. Während sich etwa die Emission von CO2 unmittelbar global auswirkt, besitzen die biogeophysikalischen Effekte in der Regel verhältnismäßig starke regionale Auswirkungen, die aber global nur wenig ins Gewicht fallen.

Zu den wichtigsten Wechselwirkungen zwischen Bodenbedeckung und Klima im Einzelnen:3

Kohlendioxid
Die wichtigste biogeochemische Wechselwirkung ist der Austausch von Kohlendioxid. Pflanzen nehmen CO2 direkt aus der Atmosphäre auf, da sie es zum Wachsen brauchen. In Wäldern sind 45 % des globalen terrestrischen Kohlenstoffs gespeichert, allein in den tropischen Wäldern 25 %. Bei der Veratmung geben sie einen Teil davon wieder direkt ab, weitere Teile werden bei der Verrottung von Pflanzenteilen emittiert. Bäume, die im Wachstum begriffen sind, oder eine sich ausdehnende Pflanzendecke nehmen mehr Kohlendioxid auf, als sie abgeben. Bei absterbenden Bäumen oder der Verringerung einer Pflanzendecke, z.B. durch Abholzung, ist das Umgekehrte der Fall. Nähere Einzelheiten unter:  Rückkopplungsprozesse zwischen Vegetation und Atmosphäre sowie Kohlenstoffkreislauf auf dem Land.

Albedo
Die biogeophysikalischen Wechselwirkungen zwischen Vegetation und Atmosphäre bestehen vor allem im Austausch von Energie und Wasser. Die beiden physikalischen Schlüsselgrößen, die diesen Austausch steuern, sind die Albedo, die die Strahlung, und die Evapotranspiration (Verdunstung und Transpiration), die den Wasserkreislauf und die Temperatur beeinflusst.

Wälder haben mit 10 % eine sehr viel geringere Albedo als z.B. Schnee- (bis zu 90 %), Wüstenoberflächen (ca. 30 %) oder Ackerflächen. Der Hauptgrund sind die dunklen Oberflächen von Wäldern. Hinzu kommt, dass Wälder eine komplizierte geometrische Oberflächenstrukur besitzen und daher das einfallende Licht vielfach reflektieren und absorbieren. Wichtig sind dabei die Blattfläche, die Blattorientierung im Verhältnis zum Lichteinfall, die Lichtdurchlässigkeit und das Reflexionsvermögen der Blätter. Bei Schneeflächen spielen Struktur und Alter des Schnees, der Verschmutzungsgrad, z.B. durch Rußablagerungen, und andere Faktoren eine Rolle. Auch Ackerflächen und Weiden können je nach Bewuchs eine unterschiedliche Albedo aufweisen, die jedoch geringer als die von Schnee oder Wüstenböden ist.

© Eigene Darstellung


Abb. 3:
Wichtige Beziehungen zwischen Bodenbedeckung (Beispiel: Wald) und KlimaB3

Bei einer geringen Albedo wird die einfallende Strahlung in hohem Maße absorbiert und die Oberfläche erwärmt sich stark. Dadurch wird langwellige Wärmestrahlung an die Atmosphäre abgegeben. Der Energieüberschuss der erwärmten Erdoberfläche wird aber auch durch sensible und latente Wärme abtransportiert. Ein sensibler (fühlbarer) Wärmefluss bedeutet, dass erwärmte Luft vom Boden in die Atmosphäre transportiert wird. Ein latenter Wärmefluss entsteht dadurch, dass dem Boden und der erwärmten Luft unmittelbar darüber durch Verdunstung Energie entzogen wird, die dann in höheren Luftschichten bei der Kondensation von Wasserdampf zu flüssigem Wasser (Tröpfchen) wieder freigesetzt wird. Eine Erhöhung der Albedo, z.B. durch Abholzung von Wald, bedeutet daher immer eine Abkühlung, eine Verringerung der Albedo, z.B. durch Aufforstung, eine Erwärmung.

Evapotranspiration
Die zweite wichtige Rolle der Bodenbedeckung für das Klima ist ihr Einfluss auf den Wasserkreislauf. Dabei sind die direkte Verdunstung (Evaporation) von der Oberfläche der Blätter und des Bodens zu unterscheiden vom Verdampfen von Wasser aus den Stomata (Spaltöffnungen) der Pflanzen (Transpiration), das größtenteils über die Wurzeln aus dem Bodenreservoir entnommen wird. Je dichter die Vegetation, desto mehr Niederschlagswasser haftet auf den verschiedenen Oberflächenschichten oder wird von den Pflanzen dem Versickern im Boden zugeführt und durch Evapotranspiration (Evaporation + Transpiration) wieder an die Atmosphäre zurückgegeben. Pflanzendecken erhalten also regional ein feuchtes Klima.

Die Evapotranspiration beeinflusst außerdem den Energieaustausch zwischen Boden und Atmosphäre. Eine hohe Verdunstungs- und Transpirationsrate führt durch den Transport latenter Wärme zur Abkühlung der bodennahen und zur Erwärmung der höheren Luftschichten. Das geschieht dadurch, dass bei Verdunstung bzw. der Umwandlung von Wasser in Wasserdampf Energie verbraucht wird, die bei der Kondensation von Wasserdampf zu Wassertropfen in größerer Höhe wieder frei gesetzt wird. Hinzu kommt, dass durch die hohe Verdunstung auch die Feuchtigkeit in den höheren Luftschichten größer ist und es eher zur Wolkenbildung kommt als bei vegetationsarmen oder -losen Oberflächen. Wolken aber reflektieren Sonnenstrahlen und wirken abkühlend auf die untere Luftschicht. Andererseits hindern sie langwellige Wärmestrahlen daran, in den Weltraum zu entweichen, was vor allem nachts einen Erwärmungseffekt hat. Die Beseitigung von Wald hat also durch die Änderung der Evapotranspiration einen sehr differenzierten Einfluss auf das Klima, der größtenteils im Gegensatz zum Albedoeffekt steht.

© Eigene Darstellung

Abb. 4: Wichtige Unterschiede zwischen einer Waldbedeckung und einer AckerflächeB4

Wechselwirkungen
Alle Effekte können untereinander Wechselwirkungen eingehen bzw. sich verstärken oder sich aufheben. Welche Effekte etwa bei einer Waldzerstörung oder einer Aufforstung überwiegen, hängt nicht zuletzt von regionalen Bedingungen ab. Die Folgen für das regionale und globale Klima können daher von Region zu Region sehr unterschiedlich sein. Die Abholzung von Wäldern führt zunächst zu einer Emission von Kohlendioxid und damit zu einer Erwärmung. Gleichzeitig erhöht sich aber auch die Albedo, was einen Abkühlungseffekt zur Folge hat. Aber auch die Evapotranspiration verändert sich. Die Summe dieser Effekte ist in den Tropen eine andere als in den schneebedeckten hohen nördlichen Breiten. In den Tropen kommt es durch Waldvernichtung zu einer deutlichen Erwärmung, da sich die Emission von Kohlendioxid und die Verminderung der Verdunstung stärker auswirken als die Änderung der Albedo. In den hohen Breiten hat die Abholzung dagegen eine abkühlende Wirkung, weil hier die Erhöhung der Albedo gegenüber den anderen Effekten überwiegt. Das bedeutet, dass Aufforstungsmaßnahmen in den hohen Breiten den gegenwärtigen Erwärmungstrend verstärken, in den Tropen aber verringern würden. Eine umgekehrte Wirkung hat die Beseitigung von Wald: Sie wirkt in den Tropen erwärmend, in hohen Breiten abkühlend.4

Anmerkungen:
1. IPCC (2019): Climate Change and Land, Figure 1.1
2. Ellis, E. C., J. O. Kaplan, D. Q. Fuller, S. Vavrus, K. Klein Goldwijk & P. Verburg (2013): Used planet: A global history, Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 110, 7978–7985
3. Vgl. auch IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Box 7.1
4. Claußen, M., V. Brovkin and A. Ganopolski (2001): Biogeophysical versus biogeochemical feedbacks of large-scale land cover change, Geophysical Research Letters 28, 1011-1014

Bildquellen:
B1. Klein Goldewijk, K., Beusen, A., Doelman, J., and Stehfest, E. (2017): Anthropogenic land use estimates for the Holocene – HYDE 3.2, Earth Syst. Sci. Data, 9, 927–953, https://doi.org/10.5194/essd-9-927-2017; Lizenz: CC BY  https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/
B2. Wikimedia Commons (2010): https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Centres_of_origin_and_spread_of_agriculture.svg, Autor: Joey Roe; Lizenz: CC BY-SA
B3. Eigene Darstellung (D. Kasang)
B4. Eigene Darstellung (D. Kasang)