Klimawandel

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Marine Hitzewellen

Hitzewellen auf dem Land sind in den Medien und der Öffentlichkeit viel beachtet und in der Forschung ausgiebig untersucht. Dass es auch im Ozean Hitzewellen gibt, die wie diejenigen auf dem Land mit dem Klimawandel ebenfalls zugenommen haben und stärker geworden sind, ist dagegen kaum bekannt.

Einleitung

Extremereignisse gibt es nicht nur auf dem Land, sondern auch im Ozean. Dazu gehören z.B. das Auftreten von starkem Sauerstoffmangel in flachen Küstenbereichen sowie extrem warme und kalte Wassertemperaturen. Starke Erwärmungen der Meeresoberflächentemperaturen sind neuerdings zunehmend auch im Ozean festgestellt worden und wurden als marine Hitzewellen (MHW) bezeichnet. Ebenso wie bei den Hitzewellen auf dem Land zeigt sich auch bei den marinen Hitzewellen eine Abhängigkeit von der globalen Erwärmung.1 Marine Hitzewellen stehen außerdem auf jährlichen Zeitskalen unter dem Einfluss der Nordatlantischen Oszillation und von El-Niño- und La-Niña-Ereignissen (ENSO) und auf Zeitskalen von Dekaden oder länger unter dem der Atlantischen Multidekaden-Oszillation (AMO) und der Pazifischen Dekaden-Oszillation (PDO). Bei ENSO handelt es sich um Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur (SST=Sea Surface Temperature) im östlichen tropischen Pazifik in Abständen von einigen Jahren, bei AMO bzw. AMOC und PDO um längerfristige Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur in den beiden großen Ozeanen Atlantik und Pazifik.2

Marine Hitzewellen haben häufig starke Auswirkungen auf marine Ökosysteme wie den Verlust von Lebensraum, die Korallenbleiche sowie das Massensterben von Seevögeln und Meeressäugern. Nicht selten sind damit auch ökonomische Konsequenzen verbunden.1

© Frölicher et al. 2018

Abb. 1: Marine Hitzewellen der jüngsten Zeit: Maximum-Temperaturen über dem Mittel von 1982-2016.B1

Definition und Klassifizierung

Als marine Hitzewelle (MHW) werden allgemein extrem warme Meeresoberflächentemperaturen verstanden, die in einem größeren Gebiet über Tage oder Monate andauern.3 Bei genaueren Definitionen liegen MHWs dann vor, wenn die Meeresoberflächentemperaturen des betroffenen Gebietes während einer mindestens fünf Tage langen Periode im oberen 10%-Bereich relativ zu dem Mittel der langjährigen lokalen Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur liegen,1 d.h. im Bereich der oberen 10 % der Werte liegen. Hobday et al.1 teilen marine Hitzewellen je nach Differenz der SST zum langjährigen lokalen Mittel in vier Kategorien ein:

  • Kategorie I: moderate MHWs
  • Kategorie II: starke MHWs
  • Kategorie III: schwere MHWs
  • Kategorie IV: extreme MHWs

Beispiele

MHWs wurden in jüngster Zeit in allen großen Ozeanbecken beobachtet. Aber nur wenige wurden dokumentiert und analysiert. Eine der frühesten in der Literatur untersuchten MHWs ereignete sich 2003 im nordwestlichen Mittelmeer mit 3-5 °C über der mittleren Meeresoberflächentemperatur der Vergleichsperiode 1982-2016. Eine ähnliche starke marine Hitzewelle gab es 2011 vor der Küste von West-Australien, die mehr als 10 Wochen lang anhielt. Die größte beobachtete marine Hitzewelle gab es zwischen 2013 und 2015 im Nordost-Pazifik, bekannt als „The Blob“, mit maximalen Temperaturabweichungen vom langjährigen Mittel von über 6 °C vor der Küste Kaliforniens. Weitere bekannte MHWs waren die starke Erwärmung 2012 im Nordwest-Atlantik, die mehr als 250 Tage andauernde MHW in der Tasmansee sowie die wiederholten marinen Hitzewellen 1998, 2002 und 2016 im westlichen pazifischen Warmpool, die auch das Great Barrier Reef betrafen.3

© NASA 2015


Abb. 2: Marine Hitzewelle im Nordost-Pazifik („The Blob“), Juli 2015. Abweichung der Meeresoberflächentemperatur vom Mittel 2003-2012 in °C.B2

Als Beispiel für die Kategorie I wird von Hobday et al.1 die marine Hitzewelle von 1999 im Mittelmeer angeführt, während der die maximale SST über acht Tage im Herbst 1,92 °C über dem Mittel lag. Dennoch hatte diese MHW erhebliche Folgen wie ein starkes Absterben von Korallengemeinschaften um die Insel Menorca. Die mediterrane marine Hitzewelle 2003 gehörte zu den starken MHWs der Kategorie II. Die maximale SST lag um 4,38 °C über dem Mittel. Es kam zu einer massiven Algenblüte in den Gewässern um Portofino im Golf von Genua. In die Kategorie II wird auch die MHW 2015 in der Tasmannsee eingestuft, die zwar nur eine maximale Temperatur von 2,7 °C über dem Mittel erreichte, aber 252 Tage andauerte. Die Folgen reichten von toten Abalone-Muscheln bis zum Ausbrechen neuer Krankheiten bei Muscheln und anderen Schalentieren in Aquakulturen. Ein Jahr später kam es auch im Gebiet des Great Barrier Reefs zu einer MHW der Kategorie II, die 55 Tage dauerte und deren Meeresoberflächentemperaturen mit 2,2 °C das langjährige Mittel übertrafen. Die Folge waren u.a. schwere Störungen der Symbiose zwischen Korallen und Algen, die zu einer starken Korallenbleiche bei mehr als 40 % der Riffe führten.1

Zu den schweren MHWs der Kategorie III gehörten die MHWs im NW-Atlantik 2012 und im NO-Pazifik 2015-2016. Die Hitzewelle im NW-Atlantik dauerte 132 Tage, wovon allerdings nur 2 % als schwere MHW klassifiziert wurden, mit einer maximalen SST von 4,3 °C über dem langjährigen Mittel. Die Folgen waren u.a. Verschiebungen in der Verbreitung von Tintenfischen und Hummern und Probleme in der Krabbenfischerei. Die nordostpazifische Hitzewelle, die unter dem Namen „The Blob“ in die Literatur eingegangen ist, erreichte zwar nur eine mittlere maximale Temperatur von 2,6 °C über dem langjährigen Mittel, erreichte aber unter dem Einfluss des starken El Niños von 2015 vor Santa Barbara in Kalifornien mit 5,1 °C maximaler SST über dem Durchschnitt einen Rekordwert. Sie war außerdem mit 711 Tagen die längste bisher beobachtete marine Hitzewelle überhaupt. Die Folgen sind noch nicht wirklich erfasst, betreffen aber das Massensterben von Vögeln und Meeressäugern sowie Veränderungen in der geographischen Verbreitung von Zooplankton und dem Verhalten von Fischarten. Fast 5 °C über dem Mittel des regionalen Sommers erreichte auch die MHW 2011 vor der Westküste Australiens, deren hohe Temperaturen deutlich länger anhielten als die hohen Werte vor Kalifornien und die daher als extrem (Kategorie IV) eingestuft wurde. Die hohen Temperaturen haben entlang eines 100 km langen Küstenstreifens zum Aussterben von Algen- und Seegrasarten geführt. Auch wirtschaftlich wertvolle Krabben- und Korallenarten wurden geschädigt.1

Veränderungen, Trends, Ursachen

© Oliver et al. 2018

Abb. 3: Veränderung der Anzahl der Tage von marinen Hitzewellen 1900-2016 nach verschiedenen Messprogrammen.B3

Der obere Ozean hat sich in den letzten Jahrzehnten in den meisten Regionen der Welt deutlich erwärmt. Zusätzlich zeigen Satellitendaten und Messungen vor Ort eine Zunahme sowohl der Dauer wie der Häufigkeit mariner Hitzewellen. Als Ergebnis hat sich die Anzahl der MHW-Tage pro Jahr zwischen den Zeiträumen 1925-1954 und 1987-2016 um 54 % erhöht, bei einer zunehmenden Beschleunigung des Trends.4 Auch die von MHWs betroffenen Gebiete dehnen sich weiter aus. So haben sich während der bisherigen 35jährigen Periode der Satellitenbeobachtung die Ozeangebiete, die keine Hitzewelle während irgendeiner Zeit des Jahres erlebt haben, um 35 % verringert. Und die Gebiete mit MHWs der Kategorie II haben sich in den letzten 35 Jahren um 24 % erweitert.5

© Oliver et al. 2018

Abb. 4: Zeitserie der jährlichen Gesamtzahl der globalen marinen Hitzewellen. Schwarze Linie: gesamte Anzahl; rote Linie: ohne die ENSO-Effekte. Rote Streifen: El Niño Zeiten, blaue Streifen: La Niña Zeiten.B3

Die Häufigkeit mariner Hitzewellen nahm zwischen 1925 und 2016 um 34 % zu. Die stärkste Zunahme ergab sich dabei in den letzten Jahrzehnten im Nordatlantik nördlich von 50 °N. Die Dauer von marinen Hitzewellen ist regional sehr unterschiedlich. Im östlichen tropischen Pazifik liegt sie unter dem Einfluss von ENSO bei rund 60 Tagen, in anderen tropischen Regionen bei 5-10 Tagen und in den außertropischen Ozeangebieten bei 10-15 Tagen. Die mittlere MHW-Dauer nahm zwischen 1925 und 2016 um 84 % zu.4

Auf die jährlichen Schwankungen der marinen Hitzewellen pro Jahr hatte ENSO den stärksten Einfluss, auf Schwankungen über Jahrzehnte PDO und AMO. Die langfristigen Trends in der Häufigkeit der MHW konnten über mehr als 80 % der ozeanischen Oberfläche durch die Veränderungen der mittleren jährlichen Meeresoberflächentemperatur erklärt werden. An diesen langfristigen Veränderungen sind sowohl die natürlichen Schwankungen PDO und AMO beteiligt wie die Ozeanerwärmung durch den anthropogenen Treibhauseffekt. Wenn kurzfristige und langfristige Schwankungen zusammentreffen, kann es zu besonders deutlichen MHWs kommen wie 2014-2016 im NO-Pazifik. Zum einen war der Wechsel in eine positive PDO-Phase dafür verantwortlich, zum anderen der starke El Niño 2015/16.4 Drittens ist über mehrere Jahrzehnte die globale Erwärmung ein wichtiger Antriebsfaktor, weshalb auch zukünftig mit mehr und stärkeren marinen Hitzewellen gerechnet werden muss.5

Zwischen 1982 und 2016 hat sich die Anzahl der marinen Hitzewellen verdoppelt. Bei einer weiteren Erwärmung von 1,5 °C gegenüber den vorindustriellen Werten wird sich die Anzahl gegenüber der vorindustriellen Zeit nach Modellberechnungen um das 23fache, bei 3,5 °C Erwärmung um das 41fache erhöhen. Gegenwärtig hat sich nach Modellberechnungen die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer globalen Hitzewelle gegenüber der vorindustriellen Zeit verneunfacht und die Ausdehnung verdreifacht.4

In vorindustrieller Zeit dauerte eine typische marine Hitzewelle 11 Tage, heutzutage 25 Tage. Bei einer globalen Erwärmung um 3,5 °C werden marine Hitzewellen im Mittel 112 Tage dauern und Gebiete umfassen, die 21 Mal größer sind als in vorindustrieller Zeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine MHW ereignet wird 41 Mal größer sein als vorindustriell. D.h. ein Ereignis, das vorindustriell einmal in 100 Tagen vorkam, wird alle drei Tage vorkommen.5

Anmerkungen:
1. Hobday, A.J., E.C.J. Oliver, A. Sen Gupta, J.A. Benthuysen, M.T. Burrows, M.G. Donat, N.J. Holbrook, P.J. Moore, M.S. Thomsen, T. Wernberg, and D.A. Smale (2018): Categorizing and naming marine heatwaves. Oceanography 31(2), https://doi.org/ 10.5670/oceanog.2018.205.
2. Scannell, H. A., Pershing, A. J., Alexander, M. A., Thomas, A. C. & Mills, K. E. (2016): Frequency of marine heatwaves in the North Atlantic and North Pacific since 1950. Geophys. Res. Lett. 43, 2069–2076
3. Frölicher, T.L., C. Laufkötter (2018): Emerging risks from marine heat waves, Nature Communications, 9:650, DOI: 10.1038/s41467-018-03163-6
4. Oliver, E.C.J., et al. (2018): Longer and more frequent marine heatwaves over the past century, Nature Communications, 9:1324, DOI: 10.1038/s41467-018-03732-9
5. Frölicher, T.L., E.M. Fischer, N. Gruber (2018): Marine heatwaves under global warming, Nature 560, 360-376

Bildquellen:
B1.
Quelle: Frölicher, T.L., C. Laufkötter (2018): Emerging risks from marine heat waves, Nature Communications, 9:650, DOI: 10.1038/s41467-018-03163-6; Lizenz: CC BY
B2: Quelle: NASA, Earth Observatory (2015): The Demise of the Warm Blob; Lizenz: public domain
B3: Quelle: Oliver, E.C.J., et al. (2018): Longer and more frequent marine heatwaves over the past century, Nature Communications, 9:1324, DOI: 10.1038/s41467-018-03732-9; Lizenz: CC BY

Autor: Dieter Kasang