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Samuel Huntington - Der neue Westen als Wertegemeinschaft

Samuel Huntington distanziert sich ausdrücklich vom angeblichen "Ende der Geschichte"31. Nicht die Konvergenz der Gesellschaftsordnungen im Sinne des Liberalismus und die Ausweitung der OECD-Friedensregion, sondern der sich verschärfende clash of civilizations, der "Kampf der Kulturen", stellt für ihn die Grundtendenz der Weltpolitik dar.32 Er erwartet, daß nach dem Ende des Kalten Kriegs die zentralen weltpolitischen Konfliktlinien entlang der Großkulturen verlaufen werden:

"The fault lines between civilizations will be the battle lines of the future"33.

Als objektive Tatsache unterstellt er, daß es sieben bis acht Großkulturen bzw. Kulturkreise (civilizations) gibt: die "westliche", die slawisch-orthodoxe, die lateinamerikanische, die japanische, die sinisch-konfuzianische, die hinduistische, die islamische und - da ist er sich nicht ganz schlüssig - die afrikanische Großkultur. An die Stelle des Kampfs der Großmächte oder der Blockkonfrontation zwischen den beiden Supermächten tritt bei ihm das Aufeinanderprallen der civilizations bzw. der Konflikt der "Kernmächte" der Großkulturen. Die bisherige Vormachtstellung des westlichen Kulturkreises sieht er durch ein antiwestliches Bündnis der islamischen und der sinisch-konfuzianischen Großkultur bedroht. Die slawisch-orthodoxe Region und Japan betrachtet Huntington jeweils als eigenen, nicht zum Westen gehörenden Kulturkreis. Beide sieht er als potentielle Verbündete des Westens im Kampf der Kulturen und als Brücken zwischen dem Westen und der islamischen Welt bzw. dem sinisch-konfuzianischen Asien. Die westliche Gemeinschaft begrenzt Huntington auf den christlich-abendländisch definierten "Westen", der Westeuropa, Nordamerika, Australien und Neuseeland einschließt, nicht jedoch die OECD-Mitglieder Japan, Südkorea, Mexiko, Griechenland und die Türkei; auch Israel zählt er nicht zum Westen.34

Mit dieser Vorstellung trägt Huntington zur Konstruktion eines neuen Kalten Kriegs bei, denn weltpolitische Konflikte können seiner Ansicht nach nur bezüglich ihres Gewaltniveaus eingedämmt, nicht jedoch überwunden werden. Für politisch realisierbar hält er lediglich eine friedliche Koexistenz der Kulturen. Huntington geht zwar anders als der Neorealismus von einer die Einzelstaaten übergreifenden, unauflöslichen Gemeinschaft des Westens aus, hält diese Gemeinschaft aber nicht über die kulturgegebenen Grenzen des Westens hinaus für erweiterbar. Regionalistische Projekte wie die Erweiterung von EU und NATO in den osteuropäisch-orthodoxen Raum, die Einbeziehung Mexikos und evtl. weiterer lateinamerikanischer Länder in die NAFTA oder die Kooperation der angelsächsischen Pazifikanrainer mit den asiatischen Ländern im Rahmen der APEC können im Sinne der Argumentation Huntingtons wegen der kulturellen Unterschiede nicht zur Bildung gemeinsamer Identitäten führen.

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Anmerkungen:
31. Huntington (1989).
32. Huntington (1993a, 1996a, 1996b).
33. Huntington (1993a: 22)
34. Vgl. die Karte 1.3 in Huntington (1996b: 26-27)