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Todbringender Kleinwaffenhandel - Staatliches Gewaltmonopol und Frauen dienen der Konfliktprävention -

In diesen Tagen und Wochen schaut die Welt nach New York, Washington und Bagdad. Dort wird letztlich über Krieg und Frieden im Irak und in der Region entschieden. Ob der Krieg denn nun stattfindet oder nicht, das Säbelrasseln und die Kriegsrhetorik überdecken seit geraumer Zeit die vielen anderen gewaltsamen Konflikte und Auseinandersetzungen in Teilen der Welt. Dort werden mangels Geld nur selten Panzern, Artillerie oder Fighter Jets eingesetzt. Über den internationalen Kleinwaffenhandel mit seinen fatalen Auswirkungen ein Background von Heinrich Bergstresser.

In den vergangenen zehn Jahren starben 50 Millionen Menschen bei kriegerischen Auseinandersetzungen, nicht durch High-Tech-Waffen, sondern durch Kleinwaffen, die sich ähnlich wie die Epidemie HIV/AIDS über den ganzen Erdball ausbreiten, was Sami Faltas veranlasst, tatsächlich von einer Seuche zu sprechen:

"In manchen Teilen der Welt, so wie Jemen oder Pakistan oder andere Länder, die verseucht sind mit Kleinwaffen - denn man kann das wirklich schon mit einer Seuche vergleichen - kann man für eine Ziege oder für einen Sack Weizen bereits eine Kalaschnikow bekommen. An anderen Stellen, wo die staatlichen Kontrollen etwas strenger sind, also die Zufuhr etwas schwieriger, kann eine Kalaschnikow vierzig, fünfzig, sechzig Dollar kosten. Auch in Deutschland kann man eine illegale Kalaschnikow bekommen. Aber da wird sie viel, viel teurer sein, weil hier die staatlichen Kontrollen besser funktionieren. Das gerade erschienene Nachschlagewerk 'Small Arms Survey' schätzt, dass es ungefähr 500 Millionen Kleinwaffen und Leichte Waffen in der Welt gibt. Davon entfallen mehr als die Hälfte auf Kleinwaffen in Privatbesitz; das heißt, nicht nur von Privatleuten, sondern auch von nichtstaatlichen Organisationen sowie Milizen und Widerstandsbewegungen und Mafias. Und von diesen Waffen, die nicht im staatlichen Besitz sind, befindet sich der allergrößte Teil in den Vereinigten Staaten."

Sami Faltas ist einer der führenden Analysten in Deutschland, der sich seit Jahren der Seuche Kleinwaffen widmet. Er gehört zum Stab des Bonn International Center for Conversion (BICC), das Internationale Konversionzentrum für Waffen in der alten Bundeshauptstadt Bonn am Rhein, das seine Hauptaufgabe darin sieht, diese Seuche zu bekämpfen.

Wo immer die Kriminalitätsrate hoch oder besonders hoch ist wie in Südafrika und anderen Entwicklungs- und Schwellenländern, stellt sich die Frage nach dem Gewaltmonopol des Staates. In Europa ist dieses Gewaltmonopol etwas selbstverständliches. Doch wird darüber leicht vergessen, dass es eines der wichtigsten zivilisatorischen Projekte der Neuzeit ist und gemeinsam mit Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, schöpferische Konfliktbearbeitung, soziale Gerechtigkeit, Unvoreingenommenheit und wechselseitige Abhängigkeit gedacht und gelebt werden muss. Kritiker mögen dies als eurozentristisch abtun, aber dieses Zivilisationsprojekt hat sich selbst in Südkorea und Taiwan durchgesetzt. Sami Faltas ist ein glühender Anhänger des staatlichen Gewaltmonopols, aber natürlich unter rechtsstaatlichen Bedingungen:

"Das ist eine typisch deutsche Idee, ein typisch kontinental-europäische Idee. Zufällig eine Idee, an der ich sehr hänge und die ich für sehr wichtig und richtig halte. Aber eine eben typisch europäische Idee, die zum Beispiel in großen Teilen Nordamerikas schon nicht mehr akzeptiert wird, geschweige denn in Ländern Afrikas oder Asiens oder Lateinamerikas, wo der Bürger bewaffnet ist. Und wo der Staat schwach ist und nicht einmal ansatzweise ein Gewaltmonopol besitzt. Da gilt es nicht zu sehr, ein Gewaltmonopol herzustellen, wieder herzustellen, denn das hat es nie gegeben, sondern erst einmal den Staat überhaupt zu befähigen, irgendeine Kontrolle über diese Waffen auszuüben. Das wäre zum ersten Mal in der Geschichte, ist aber sehr wichtig. Und in dem Sinne bin ich auch sehr überzeugt von der Richtigkeit dieser 'Weberschen Idee'. Aber das ist eben eine ganz neue revolutionäre Idee für viele Länder dieser Welt. Und in vielen Ländern - und da muss man realistisch sein - wird es in den ersten zwanzig oder fünfzig Jahren nicht möglich sein, ein Gewaltmonopol herzustellen. Und dann müsste man sich vielleicht Gedanken darüber machen, welche andere Kontrollmechanismen es geben könnte, um Einfluss auszuüben auf diese Kriegswaffen, die sich dort leider Gottes verbreitet haben."

Von welcher Warte man die Kriegs- und Krisenregionen dieser Welt auch immer betrachtet, nur die forcierte Entwicklung und Unterstützung der Zivilgesellschaft - gerade auch von außen - kann dazu beitragen, ein Mindestmaß an Stabilität zu sichern. Dabei spielen so scheinbar banale Aspekte wie Wirtschaftswachstum, Machtveränderungen mittels Wahlen, Menschenrechte, Partizipation eine zentrale Rolle, politisch stabilere Verhältnisse auch in den Entwicklungsländern zu schaffen. Und besonders Frauen tragen bislang doppelte Lasten - im Krieg und auch danach. Überwiegend nehmen Frauen in Kriegssituationen die Rolle als Opfer ein. Doch wird dabei leicht übersehen, dass Frauen auch Täter sind, die an der Front kämpfen oder Rebellen Unterschlupf gewähren. Reneé Ernst beschäftigt sich seit Jahren mit der Rolle der Frauen im Krieg:

"Diese Rollenklischees werden ja gerade auch im Krieg verwendet, um, ja, um den Krieg weiter anzufeuern und führt dann eben auch zu ganz brutalen Auswirkungen. Zum Beispiel ist es ja so das Klassische, was man eben so kennt, zum Beispiel Frauen werden als die Mütter der Nation hochstilisiert während des Krieges, sollen eben Kinder gebären, möglichst Söhne, um eben dann danach weiterhin Soldaten an die Front schicken zu können. Und dann führt es auch dazu, dass sie zum Teil eben so hochstilisiert werden als die Trägerinnen des kulturellen Erbes, was dann paradoxerweise sich wieder gegen sie wendet, wenn es dann eben zu Massenvergewaltigungen kommt, um eben gerade dem Feind eben die Schmach zuzufügen, dass man eben die ganze Nation geschädigt wird dadurch, dass Frauen eben vergewaltigt werden und erniedrigt werden."

Reneé Ernst ist aber dennoch überzeugt, dass Frauen in extremen Situationen die besseren Verhandlungspartner sind, Mittel und Wege zu einer friedlichen Lösung zu finden - trotz der Widerstände seitens der Männer, die gern in ihr altes Rollenverständnis zurückfallen:

"Ja, ich denke, Frauen haben schon immer eine führende Rolle gehabt, wenn es um Friedensverhandlungen ging, auch wenn sie in den offiziellen Gremien eben stark unterrepräsentiert sind, haben Frauen doch immer auf der Nicht-Regierungsebene eine sehr große Rolle gespielt. Man kennt das in Palästina und Israel. Kriege oder Krisen, die ganz stark verhärtet sind, dass gerade diese Strukturen eigentlich immer von Frauen eigentlich wieder aufgelöst werden, weil sie einfach das ganze Leid nicht mehr ertragen wollen und damit dann auch grenzüberschreitende Friedensabkommen eben für möglich halten, weil sie einfach sehen, sie können sich in das Leid der anderen Frau, auch wenn es die des Feindes ist, quasi mit einfühlen und schaffen es eben, diese verhärteten Fronten wieder aufzulösen."

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Quelle: Wir bedanken uns beim Autor für die Genehmigung zur Veröffentlichung.