Das große marine Förderband: Strömungssystem
Als "globales Förderband" bezeichnet man eine Meeresströmung, die sich über vier der fünf Ozeanen (Atlantik, Pazifik, Indischer und Antarktischer Ozean) erstreckt. Ihre Bewegung wird sowohl durch den Wind wie durch Dichteunterschiede und die Erdrotation angetrieben.
Die Oberflächenströme des Ozeans sind größtenteils ein Abbild der atmosphärischen Zirkulation, d.h. vor allem der Passat- und der Westwinde, und erfahren durch die Erdrotation eine charakteristische Ablenkung (Corioliskraft). Einige wichtige Ströme werden aber auch durch windbedingten Wasserstau an den Rändern der Kontinente angetrieben. Viele dieser Strömungen sind zusammen mit wichtigen Tiefenströmen Teil eines alle drei Ozeane umspannenden Strömungssystems, des "großen marinen Förderbands" (engl.: the great ocean conveyor belt) bzw. des "globalen Förderbandes", das sich vom Nordatlantik über das antarktische Zirkumpolarmeer und den Indischen Ozean bis in den nördlichen Pazifik und zurück erstreckt. Es wird nach seinen wichtigsten Antriebsfaktoren Temperatur und Salzgehalt auch als ,thermohaline Zirkulation" (THC nach engl. "thermohaline circulation") bezeichnet, wird in Teilen aber auch durch den Wind angetrieben. Ein wichtiger Motor der THC ist das thermohalin bedingte Absinken von kaltem und salzreichem Wasser im Nordatlantik.
Abb. 1: Das "große marine Förderband" - warme Oberflächenströmungen sind rot, kalte Tiefenströmungen blau eingezeichnet.1
Im Atlantik strömt warmes und aufgrund der hohen Verdunstung in den Subtropen salzreiches Oberflächenwasser über den Äquator und den Golf von Mexiko bis in das Gebiet zwischen Grönland, Island und Norwegen (auch als GIN-See bezeichnet) und in die Labradorsee. Diese als Golfstrom (und in ihrem nordöstlichen Ausläufer als Nordatlantikstrom) bekannte Meeresströmung transportiert bei 24o N die enorme Energiemenge von 1,3 Petawatt (1 PW = 109 Megawatt = 1015 Watt) und bei 48o N noch 0,6 PW in den Nordatlantikraum,2 wo sie zu einem großen Teil an die Atmosphäre abgegeben wird. Dadurch wird das regionale Klima um bis zu 10 oC erwärmt und in Folge der vorherrschenden Westwinde das außerordentlich milde Klima in nordöstlichen Nordwesteuropa erzeugt. Die Abkühlung des Oberflächenwassers in der GIN- und Labrador-See und der mitgebrachte hohe Salzgehalt, der durch Verdunstung und die Bildung von Meereis noch weiter erhöht wird, verleihen den Wassermassen eine so hohe Dichte, dass sie in gewaltigen Mengen bis in Tiefen von zwei bis drei Kilometern absinken. Diese Absinkvorgänge wirken wie ein Sog und ziehen immer wieder neue warme und salzreiche Wassermassen aus der Karibik nach Norden. In der Tiefe strömen sie dann als nordatlantisches Tiefenwasser (NADW) in einer Größenordnung nach Süden zurück, die etwa 20 Mal so hoch wie der Abfluss aller Flüsse der Erde und um einiges größer als die gesamte globale Niederschlagsmenge ist. Der größte Teil davon gelangt in den antarktischen Zirkumpolarstrom, der sie dann an den Indischen und Pazifischen Ozean verteilt. Hier strömen sie in der Tiefe nach Norden, steigen in die oberen Wasserschichten auf und strömen um die Südspitze von Afrika und Südamerika wieder in den Atlantik zurück.
Abb. 2: Strömungsverhältnisse im Nordatlantik: Warmes und salzreiches Wasser strömt in den oberen Wasserschichten in den Nordatlantik und sinkt dort durch Abkühlung ab. In der Tiefe fließt es über die Grönland-Schottland-Schwelle und später als Nordatlantisches Tiefenwasser (NADW: North Atlantic Deep Water) wieder nach Süden zurück.3
Dieses Bild des globalen Förderbandes ist jedoch durch jüngere Untersuchungen erheblich modifiziert worden. Sie haben gezeigt, dass ozeanische Wirbel und Windströmungen einen deutlich größeren Einfluss auf das Strömungssystem und die Umwälzzirkulation besitzen als bisher angenommen.4 Durch beide Einflussfaktoren kommt es zu erheblichen kurzfristigen Schwankungen, Unterbrechungen und Veränderungen der Wege beim Transport der Wassermassen. So bewegen sich die abgesunkenen Wassermassen in der Labradorsee keineswegs einheitlich entlang des Westrandes des Atlantiks Richtung Subtropen, wie in dem Modell des globalen Förderbands angenommen, sondern nehmen sehr differenzierte Wege im Innern des Ozeans und driften z.T. auch nach Osten Richtung Nordatlantikstrom ab. Außerdem legen Messungen nahe, dass solche Strömungen in hohem Maße aus wandernden Wirbeln bestehen.
Die ozeanischen Strömungswirbel sind dabei größtenteils durch Winde angetrieben. Und Winde spielen auch für den Antrieb der Oberflächenströmung der nach Norden gerichteten Strömung eine wesentlich größere Rolle, als es in dem gängigen Bild der Zirkulation des Förderbandes der Fall ist. So konnte gezeigt werden, dass der Zustrom in subpolare Breiten zeitlich sehr variabel und durch großräumige Winde bestimmt ist. Eine gewisse Bestätigung finden solche Ergebnisse durch die seit 2004 bestehenden ersten kontinuierlichen Beobachtungen der Strömungen bei 26 °N, die einen kurzfristig sehr schwankenden Wassertransport gezeigt haben.5 Das einfache Modell des globalen, primär durch Dichteunterschiede gesteuerten Förderbands ist so durch neuere Untersuchungen stark modifiziert worden. Das drückt sich auch darin aus, dass in der heutigen Forschung der Begriff der thermohalinen Zirkulation weitgehend durch den der Meridionalen Umwälzzirkulation (engl. MOC) ersetzt wurde.
Die eigentliche Ursache dieser weltumspannenden Zirkulation liegt in dem höheren Salzgehalt und damit der höheren Dichte des Atlantiks gegenüber den anderen Ozeanen.4 Im Durchschnitt liegt der Salzgehalt des Atlantiks um 1 o/oo über dem des Pazifiks, im Nordatlantik sogar um 2-3 o/oo über dem des Nordpazifiks. Grob gesehen strömt das dichtere Atlantikwasser in der Tiefe in die beiden anderen Ozeane ein und leichteres Oberflächenwasser in den Atlantik zurück. Wie aber wird trotz dieser Ausgleichsströmung der Dichteunterschied und damit die thermohaline Zirkulation zwischen den Ozeanen aufrechterhalten? Die thermohaline Zirkulation hat nicht nur einen entscheidenden Einfluss auf die Atmosphäre und das Klima der Erde, wie der folgende Abschnitt noch näher zeigen wird, sie ist selbst wiederum durch die atmosphärische Dynamik bestimmt. Denn die Ursache für den höheren Salzgehalt des Atlantiks liegt in dem hohen atmosphärischen Wasserdampfexport aus der Atlantikregion durch die Passatwinde über die schmale mittelamerikanische Landbrücke in den pazifischen Raum. Für diesen Export von Süßwasser erhält der Atlantik weder in der Passatzone vom Indischen Ozean (wegen der Breite des afrikanischen Kontinents) noch in der Westwindzone vom Pazifik her (wegen des nordamerikanischen Kontinents mit den Rocky Mountains) einen entsprechenden Ausgleich erhält. Die in den Subtropen aus dem Atlantikwasser verdunsteten und Richtung Pazifik exportierten Wasserdampfmassen sind so groß, dass der Atlantik ständig mehr Frischwasser an die anderen Ozeane abgibt, als er von ihnen zurückerhält. Dieser Wasserdampfexport hält den Dichteunterschied und damit die thermohaline Zirkulation aufrecht.
Abb. 3: Abweichungen der bodennahen Jahresmitteltemperatur vom Durchschnitt der geographischen Breite5
Der anthropogene Klimawandels hat in jüngster Zeit die Frage aufgeworfen, ob diese Zirkulation stabil ist. Die globale Erwärmung durch die Emission von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen verstärkt die Verdunstung, besonders in den Subtropen. Die wärmere und mehr Wasserdampf enthaltende Luft transportiert diesen von den Subtropen in höhere Breiten, wo er dann als Niederschlag fällt und direkt oder durch Zuflüsse den Frischwassereintrag in den Nordatlantik erhöht. Außerdem wird durch die Erwärmung der Atmosphäre auch die Temperatur des Oberflächenwassers erhöht. Beide Effekte haben eine Verringerung der Dichte in den nordatlantischen Absinkgebieten der thermohalinen Zirkulation zur Folge und damit eine Schwächung der Tiefenwasserproduktion und des Wärmetransports durch den Golfstrom - falls nicht andere Effekte dem entgegenwirken. Wie die THC auf eine erhöhte Frischwasserzufuhr und höhere Temperaturen reagieren wird, kann man einerseits durch Modellrechnungen abschätzen, andererseits aus der Vergangenheit abzuleiten versuchen. Geologische Daten haben in Verbindung mit Modellsimulationen in letzter Zeit ein zunehmend differenzierteres Bild über das Verhalten der thermohalinen Zirkulation bei früheren Klimaänderungen, insbesondere während der letzten Kaltzeit, entstehen lassen.
Anmerkungen:
1. Norbert Noreiks, Max-Planck-Institut für Meteorologie, nach Broecker, W.S. (1991): The great ocean conveyor, Oceanography 4, 79-91
2. Ganachaud, A. and C.W. Ganachaud (2000): Improved estimates of global ocean circulation, heat transport and mixing from hydrographic data, Nature 408, 453-457
3. verändert nach Hansen,B., S. Østerhus, D. Quadfasel, and W. Turrell (2004): Already the Day After Tomorrow?. Science 305, 953-954
4. M.S. Lozier (2010): Deconstructing the Conveyor Belt, Science 328, 1507-1511
5. Cunningham, S.A., and R. Marsh (2010): Observing and modeling changes in the Atlantic MOC, WIREs Climate Change 1, 180-191
6. Vgl. Broecker, W.S. (1991): The great ocean conveyor, Oceanography 4, 79-91; Broecker, W.S. (1996): Plötzlicher Klimawechsel, Spektrum der Wissenschaft, Januar 1996, 86-92
7. nach Rahmstorf, S. and A. Ganopolski (1999): Long-term global warming scenarios computed with an efficient coupled climate model. Climatic Change, 43, 353-367