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Die Herstellung von einfachen chemischen Verbindungen:

Zitronensäure und Glutamat; Ethanol und Essigsäure

Mikroorganismen spielen in der Lebensmittelherstellung eine wichtige Rolle: Seit Urzeiten werden sie zur Herstellung von Lebensmitteln wie Brot, Bier, Essig und Wein eingesetzt; bei etwa 35% der Lebensmittel sind Mikroorganismen mit ihren Stoffwechselleistungen beteiligt. Mikroorganismen werden im großtechnischen Maßstab in Fermentern zur Stoffproduktion nicht nur für den Lebensmittelbereich und die Futtermittelindustrie, sondern auch in der Kosmetikindustrie und der Medizin eingesetzt.

Beispiele der Anwendung von Mikroorganismen für die Lebensmittelherstellung sind z.B. die Produktion von Zitronen- und Glutaminsäure. Diese Säuren sind, wie auch Ethanol, Essigsäure oder andere Gärungsprodukte von Mikroorganismen, sogenannte Primärmetabolite. Sie dienen weder dem Aufbau der Zelle noch der Energiegewinnung, sondern werden als Stoffwechselendprodukte ausgeschieden.

Zitronensäure wurde bis in die 20er Jahre unseres Jahrhunderts ausschließlich aus Zitronen hergestellt, obwohl bereits Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt war, dass bestimmte Schimmelpilze Zitronensäure produzieren können. Das erste Patent zur Herstellung von Zitronensäure aus kohlenhydrathaltigen Abfällen wie Melasse durch einen Mikroorganismus, den Schimmelpilz Aspergillus niger, wurde 1913 in den USA beantragt. Heute werden ausschließlich Aspergillus niger -Stämme eingesetzt, da sie sich am besten für die Zitronensäureproduktion eignen. Man verwendet dabei sogenannte Überproduzenten - Mikroorganismen, die einen Stoff, in diesem Fall Zitronensäure, nicht mehr den eigenen Bedürfnissen entsprechend erzeugen, sondern den gewünschten Stoff in großen Mengen synthetisieren und in die Nährlösung ausscheiden. Entsprechende Regelkreise des Stoffwechsels mussten dazu natürlich ausgeschaltet werden. Solche Überproduzenten wurden durch Selektion und Züchtung von Wildformen gewonnen.

Zitronensäure wird heute industriell mit überproduzierenden Aspergillus niger- Stämmen aus Melasse hergestellt. Rund 70% der weltweit produzierten Zitronensäure werden in der Lebensmittelindustrie verwendet, als Zusatz zu Getränken jeglicher Art, zu Marmeladen und Gelees, zu Süßwaren und Süßspeisen. Etwa 20% des Produktionsvolumens an Zitronensäure finden ihren Einsatz in der pharmazeutischen und kosmetischen Industrie. Ein wachsender Markt für dieses Produkt liegt darüber hinaus in der Anwendung als Ausgangsmaterial für chemische Synthesen, als Weichmacher für Kunststoffe, als Lösungsmittel, als Komplexbildner für die Reinigung von Metallen, als Reinigungsmittel und als Ersatzstoff für die bisher den Waschmitteln zugesetzten Polyphosphate. Zitronensäure ist also ein richtiges Multitalent und zudem wegen der leichten und vollständigen biologischen Abbaubarkeit ein idealer Stoff für die industrielle Anwendung. Die ursprüngliche Produktion im Oberflächen- oder "Deckenverfahren" wurde in Pfannen betrieben. In Gärkammern aufgestellte Aluminiumtröge wurden mit Melasse als Nährlösung mehrere Tage inkubiert. Nach dem Ablassen der Nährlösung konnte die Pilzdecke erneut mit frischer Lösung unterschichtet werden; aus der abgelassenen Nährlösung wurde die Zitronensäure mit Calciumcarbonat durch Fällung gewonnen und mit Schwefelsäure wieder freigesetzt. Diese Verfahren sind heute weitgehend durch die Submersverfahren abgelöst. Dabei werden die Mikroorganismen in einer Nährlösung in geschlossenen großen Fermentern (Bioreaktoren) kultiviert.

Auch Glutaminsäure ist ein primäres Stoffwechselprodukt von Mikroorganismen. Als Aminosäure ist die Glutaminsäure ein Grundbaustein der Proteine. Glutamat ist das (Natrium-) Salz der Glutaminsäure und wird als Zusatzstoff in Nahrungsmitteln verwendet: in Japan hatte man entdeckt, dass Glutamat eine geschmacksverstärkende Wirkung hat, und bereits kurze Zeit später wurde die industrielle Herstellung von Glutamat aus pflanzlichen Proteinen, im wesentlichen Sojaproteinen, gestartet. Die mikrobielle Gewinnung dieser Aminosäure war anfangs mit vielen Schwierigkeiten verbunden. 1957 gelang - wiederum in Japan - die Isolierung eines Bakterienstammes, der in einer Glucose-Nährlösung Glutaminsäure überproduziert. Das Bakterium erhielt den Namen Corynebacterium glutamicum, und seit dieser Zeit werden mit weiterentwickelten Stämmen dieser Spezies große Mengen an Glutaminsäure produziert. Heute werden Konzentrationen von über 100 Gramm pro Liter Kulturmedium erreicht. Die industrielle Produktion von Glutaminsäure findet in Fermentern statt.

 

                 AUSWAHL BIOTECHNISCH VERWENDETER MIKROORGANISMEN UND ZELLKULTUREN

OrganismusProduktAnwendungsfeld
Bakterien, pflanzliche, 
und tierische Zellkulturen
AromastoffeLebensmittelindustrie
Bakterien und pflanzliche ZellkulturenDuft- und FarbstoffeLebensmittelindustrie,
Kosmetische Industrie
Bakterien und PilzeVerschiedene Enzyme:
Amylasen, Glucose-
Isomerase, Lipasen,
Proteasen, Chymosin
Lebensmittelindustrie,
Chemische Industrie,
besonders Waschmittelindustrie
Lactobacillus spp.
Lactococcus spp.
Leuconostoc spp.
Pediococcus spp.
Brot- und Backwaren
Milch und Milcherzeugnisse
Rohwurst, Sauerkraut,
Sauergemüse
Lebensmittelindustrie
Acetobacter spp.
Aspergillus spp.
Lactobacillus spp.
Pediococcus spp.
Essig-, Milch- und
Zitronensäure
Lebensmittelindustrie
Saccharomyces cerevisiaeAlkoholhaltige GetränkeLebensmittelindustrie
Corynebacterium spp. und Brevibacterium spp.AminosäurenLebensmittelindustrie,
Medizin, Veterinärmedizin

Viele Mikroorganismen gewinnen ihre Energie für die nötigen Stoffwechselprozesse durch Gärung. Ethanol oder Milchsäure entstehen durch solche Gärungsprozesse, die ohne Sauerstoff stattfinden, wie von Pasteur als "la vie sans l'air" (Leben ohne Luft) beschrieben. Die "Kunst des Destillierens" war bereits vor 5000 Jahren bekannt; eine Blütezeit erlebte sie im Mittelalter. Ethanol hat mit zunehmender Industrialisierung in der Neuzeit eine immer größere Bedeutung erlangt. Man muss zwischen der industriellen Produktion von Ethanol einerseits und seiner Bedeutung als Bestandteil von alkoholischen Getränken andererseits unterscheiden. Industriell hergestelltes Ethanol kommt als Branntwein oder Spiritus in den Handel und wird heute überwiegend auf chemischem Weg gewonnen. Großtechnisch wird Ethanol als Rohstoff für chemische Synthesen und als Lösungsmittel in der chemischen und pharmazeutischen Industrie, in der Kosmetikherstellung und im medizinischen Bereich eingesetzt.

In alkoholischen Getränken wie Bier und Wein wird Ethanol ausschließlich durch Gärung von Glucose-haltigen Substraten gebildet. Bei der Bierherstellung wird die Vergärung durch Bierhefen der Spezies Saccharomyces cerevisiae erreicht. Wein geht auf eine anfänglich spontane Gärung des Mostes durch die Apiculatus-Hefe Kloeckera apiculata zurück. Damit die Gärung kontrolliert verläuft und nicht zu stark durch wilde Hefen beeinflusst wird, setzt man heute vielfach Reinzuchthefen oder aber Gemische von Kloeckera und Saccharomyces zu.

Die Fermentation von Ethanol zu Essigsäure ist - abgesehen von der alkoholischen Gärung - eine der ältesten Anwendungen eines biotechnischen Verfahrens. Die Essigsäurebildner gehören den beiden Bakterien-Gattungen Acetobacter und Gluconobacter an. Der wichtigste Mikroorganismus für die Essigsäureproduktion ist Acetobacter europaeus, aber auch die Species Acetobacter pasteurianus wächst spontan in der Essigsäurefabrikation.

Essig wird in Haushalt und Industrie, insbesondere bei der Konservenherstellung (Gemüse in Essig oder süßsauer eingemacht) und als Speiseessig verwendet. Speiseessig, so wie er durch Fermentation aus Wein oder anderen alkoholhaltigen Flüssigkeiten gewonnen wird, hat eine hemmende Wirkung auf wachsende Mikroorganismen wie Staphylococcen oder Salmonellen. Die Produktion von Essigsäure wird in speziellen, für diese Fermentation gebauten Bioreaktoren durchgeführt. Dem Prinzip nach sind zwei Verfahren, das Fesselverfahren und das Submersverfahren, zu unterscheiden. Als Fesselverfahren werden diejenigen Verfahren bezeichnet, bei denen die Bakterien an ein Trägermaterial "gefesselt" sind (z.B. Buchenholzspäne in häufig belüfteten und bewegten Fässern). Dabei wird die alkoholhaltige Flüssigkeit wiederholt durch den Standbehälter geleitet. Heute werden zunehmend Submersverfahren zur Essigsäureproduktion eingesetzt. Dabei schwimmen die Bakterien in gerührten und belüfteten Fermentern in den ethanolhaltigen Substraten (Wein, Branntwein, Apfelmost oder Bier).


Quelle: BLL