Extremereignisse

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Hitzewellen in Nordamerika

Hitzewellen sind gegenwärtig die wichtigste Ursache von wetterbedingten Todesfällen in den USA.

Gefährdung durch Hitzewellen

In den USA fielen in letzter Zeit mehr Menschen extremer Hitze zum Opfer als jeder anderen Art von Wetterextremen. Die Schätzungen von jährlichen durch Hitzestress verursachten Todesfällen belaufen sich auf 170 bis 690 Fälle.1 Vor allem sind Ältere, Kinder und chronisch Kranke betroffen. Zusätzlich ist festzustellen, dass besonders die städtische Bevölkerung betroffen ist, da sich hier oft Menschen mit niedrigerem Einkommen konzentrieren, die sich Klimaanlagen nicht leisten können und keinen Zugang zu einer adäquaten gesundheitlichen Versorgung besitzen. Dicht bebaute Stadtgebiete sind außerdem anfällig für hohe Temperaturen durch den sog. städtischen Wärmeinsel-Effekt. In Städten ist die nächtliche Abkühlung durch die geringere Verdunstung und die Wärmespeicherung in Gebäuden und versiegelten Böden deutlich geringer als im Umland, wodurch Menschen sich nachts weniger gut von der Wärmebelastung am Tage erholen können. Die Folge ist eine viermal so hohe Sterberate durch Hitzewellen wie in den umgebenden ländlichen Gebieten.

Das Beispiel 2012: 2012 waren der Mittlere Westen der USA und Teile Kanadas von einer der stärksten Hitzewellen der jüngsten Zeit betroffen. Schon der März 2012 begann mit Rekordtemperaturen, so in Chicago über mehrere Tage mit über 26 °C,2 Im Juni und Juli wurden dann in Kansas und Arizona Extremtemperaturen von 47 °C und mehr gemessen, in Beaver DAM/Arizona sogar 49,4 °C.3 Die Hitzewelle betraf vor allem die Prärien östlich der Rocky Mountains sowie den Nordosten der USA. Die Folgen waren die Ausbreitung von Flächenbränden, Hitzestress für Menschen, Tiere und Pflanzen und Schäden an der Infrastruktur. Einher ging eine Dürre, die Mitte Juli ca. 80 % der Fläche der USA erfasste, wobei über 40 % extreme Dürreverhältnisse herrschten.

Die Hitzewelle im Juni 2021

Das Ereignis

© NASA 2021


Abb. 1: Temperaturabweichungen am 27. Juni 2021 vom Mittel 2014-2020 am selben TagB1

Während der letzten Juni-Tage 2021 hat sich im Nordwesten der USA und im westlichen Kanada eine Hitzewelle ereignet, wie sie in dieser Region nie zuvor beobachtet worden ist. Zwischen dem 27. und dem 29. Juni herrschten vielerorts Temperaturen über 40 °C. In dem kleinen Dorf Lytton (ca. 250 Einwohner) nordöstlich von Vancouver in British Columbia (Kanada) wurden am 29.6. sogar bis dahin unvorstellbare 49,6 °C als Höchsttemperatur gemessen. Die Maximum-Temperaturen zahlreicher Stationen lagen um 16-20 °C über den normalen Werten in dieser Jahreszeit und übertrafen selbst die Maximum-Werte in bisherigen Jahren noch um bis zu 5 °C.4 Die höchste in Kanada bisher je gemessene Temperatur betrug 45 °C und wurde im Jahr 1937 in der Provinz Saskatchewan erreicht. Die Temperatur in Lytton vom 29. Juni 2021 war nicht nur ein Allzeit-Rekord für ganz Kanada, sondern zugleich die höchste jemals gemessene Temperatur nördlich des 50. Breitengrades weltweit.5 Nur wenige Tage später, am 1. Juli, wurde der Ort, der gerade erst weltweite Bekanntheit erreicht hatte, durch einen Waldbrand nahezu vollständig ausgelöscht.6

Extrem hohe Temperaturen wurden auch in anderen Stationen Kanadas und der nordwestlichen USA registriert. An der Station Portland in Oregon, USA, betrug die Höchsttemperatur Ende Juni 2021 46,7 °C und übertraf damit den früheren Rekord von 41,7 °C in den Jahren 1965 und 1981 um 5 °C. Und im kanadischen Vancouver wurde ein früherer Temperatur-Rekord von 37,6 °C (2009) auf 41,4 °C erhöht.4

Ursachen
Klimaforscher betonen die extreme Ausnahme der hohen Temperaturen und heben hervor, dass selbst bei der gegenwärtigen globalen Erwärmung von 1,2 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit eine solche Hitzewelle in dieser Region praktisch unmöglich bzw. statistisch extrem unwahrscheinlich sei. Auch heutige Klimamodelle sind nicht in der Lage, derartig hohe Temperaturen zu reproduzieren.7 Unter den heutigen Bedingungen handele es sich um ein Ereignis, das höchstens einmal in 1000 Jahren vorkommen könne und ohne den Klimawandel überhaupt nicht denkbar sei. In einer zukünftigen Welt mit einer globalen Erwärmung von 2 °C, wie sie in den 2040er Jahren zu erwarten ist, liegt das Wiederkehrintervall einer solchen Hitzewelle allerdings schon bei 5-10 Jahren.4

© National Weather Service o.J.


Abb. 2: Schematische Darstellung einer Omega-Lage über Nordamerika. Gegenüber den Verhältnissen Ende Juni 2021 ist das Hoch hier nach Osten verschoben.B2

Die unmittelbare Ursache der Hitzewelle war eine Omega-Wetterlage, die sich ab dem 25. Juni über der Region entwickelte und sich nur sehr langsam ostwärts bewegte. Damit verbunden war über dem westlichen Kanada und dem nordwestlichen USA ein extrem starkes Hochdrucksystem. Dadurch kam es zu einer intensiven Sonneneinstrahlung während der längsten Tage des Jahres und entsprechender Erwärmung. Verstärkt wurden die hohen Temperaturen zusätzlich durch Winde, die in einer Art Föhn-Effekt Luftmassen aus höheren Lagen in tiefer gelegene Gebiete transportiert haben.4

Ein weiterer regionaler Einfluss bestand darin, dass vor der Hitzewelle durch geringe Niederschläge von British Columbia bis Kalifornien sowie eine geringe Schneedecke sehr trockene Bedingungen geherrscht haben. Durch die trockenen Böden ist ein Abkühlungseffekt durch Verdunstung weitgehend ausgefallen. Eine geringe Bodenfeuchte besitzt nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Höhe der Temperaturen während einer Hitzewelle.4

Ein Einfluss der Arktischen Verstärkung und des Abschmelzens des arktischen Meereises auf die Wetterlage im westlichen Kanada und nordwestlichen USA wird als wenig wahrscheinlich eingeschätzt. Im Juni ist das arktische Meereis noch recht ausgedehnt und das Abschmelzen des Eises hält die bodennahe Lufttemperatur bei etwa 0 °C. Außerdem war die Meereisausdehnung im Frühsommer 2021 nicht besonders gering und glich etwa dem Mittelwert von 2011 bis 2020. Auch ein nennenswerter Einfluss natürlicher Klimaschwankungen wird nicht angenommen. ENSO befand sich in einem neutralen Zustand und die Auswirkungen der Pazifischen Dekaden-Oszillation auf extrem heiße Tage sind eher gering.4

Folgen
Eine Folge der Hitzewelle waren zahlreiche Waldbrände, die u.a. den kanadischen Ort Lytton, an dem die höchste Temperatur gemessen wurde, nahezu vollständig vernichteten. Hinzu kamen gravierende gesundheitliche Belastungen für die Bevölkerung, deren Lebensweise in diesen Breiten an derart hohe Temperaturen nicht angepasst ist. So sind Klimaanlagen in keiner Metropole der USA so wenig verbreitet wie in Seattle, der Hauptstadt des Bundesstaates Washington.8 In Kanada waren nach vorläufigen Schätzungen durch die Hitzewelle mindestens 700 Todesopfer zu beklagen.4

Trends

© USGCRP 2017


Abb. 3: Verhältnis von Hitze-Rekord-Tagen zu Kälte-Rekord-Tagen. Die roten Säulen zeigen Jahre mit mehr heißen Rekord-Tagen als kalten Rekord-Tagen, die blauen Jahre mit mehr kalten Rekord-Tagen. Die Höhe der  Säulen gibt das am linken Rand genannte Verhältnis von heißen (kalten) zu kalten (heißen) Rekord-Tagen an. 4:1 bedeutet, es gab in dem Jahr (1998) vier Mal so viele heiße als kalte Rekord-Tage.B3

In Nordamerika haben besonders die heißen Tage und Hitzewellen in den letzten 50 Jahren zugenommen. In den USA ist allerdings die Dauer und Intensität der Hitzewellen der 1930er Jahre danach nicht wieder übertroffen worden. Auf der anderen Seite hat die Anzahl der ungewöhnlich kalten Tage abgenommen und die frostfreien Jahreszeiten haben zugenommen. Im Allgemeinen gibt es einen Wandel zu einem wärmeren Klima mit einer Zunahme extrem hoher Temperaturen und einer Abnahme extrem niedriger Temperaturen. Diese Änderungen haben sich besonders in der westlichen Hälfte Nordamerikas gezeigt.9

Hitzewellen haben in den USA seit Ende des 19. Jahrhunderts in den 1930er Jahren deutlich ihren Höhepunkt erreicht und sind danach auf ein Minimum in den 1960er und 1970er Jahren zurückgegangen. Seitdem zeigt sich jedoch wieder ein Aufwärtstrend bis in die ersten Jahre des 21. Jahrhunderts. Auffällig ist, dass die Hitzewellen in den 1930er Jahren zwar sehr hohe Tages-, aber keine ungewöhnlichen Nachttemperaturen aufwiesen. Das weist auf den Einfluss der Sonneneinstrahlung als hauptverantwortlich für die Hitzewellen in den 1930er Jahren, also auf natürliche Ursachen. Anders sieht es bei den Hitzewellen seit 2000 aus, bei denen gerade die Nachttemperaturen sehr hoch waren, was die höhere Konzentration von Treibhausgasen als wichtige Ursache der Hitzewellen belegt.9

Nur in den westlichen Regionen der USA gab es in den 2000er Jahren die größte Anzahl an Hitzewellen, in allen übrigen Gebieten dominierten eindeutig die 1930er Jahre. Bei den extremen Hitzewellen (die nur 1 x in 20 Jahren vorkommen) zwischen 1950 und 2007 zeichnet sich wie bei der mittleren Erwärmung das „Wärmeloch“ im Südosten der USA ab, d.h. auch die Hitzewellen traten hier seltener und weniger extrem auf. Ein Problem bei der Bestimmung eines Trends von Hitzewellen ist allerdings die Definition einer Hitzewelle. Hier kann man Wiederkehrperioden zugrunde legen, absolute Werte oder auch Merkmale, die besonders die Gesundheit des Menschen gefährden wie hohe Nachttemperaturen. Eine Untersuchung von Hitzewellentrends in den USA, die möglichst viele Definitionen berücksichtigt, kam zu teilweise entgegengesetzten Schlüssen.10 Danach gab es im Südosten der USA zwischen 1979 und 2011 mehr Hitzewellen-Tage als in jeder anderen Region des Landes. Und auch der Trend zu mehr heißen Tagen war hier stärker als anderswo. Ein Grund für diese Ergebnisse könnte der spätere Untersuchungszeitraum sein, da das sogenannte Wärmeloch im Südosten in den 1990er und 2000er Jahren durch eine zunehmende Erhöhung der Jahresmitteltemperaturen ersetzt wurde.

In 50 größeren Städten der USA nahm nach einer Untersuchung die Häufigkeit von Hitzewellen von den 1960er bis in die 2000er Jahre von 2,2 pro Jahrzehnt auf 4,5 pro Jahrzehnt zu, hat sich also in 50 Jahren verdoppelt. Außerdem traten Hitzewellen immer früher im Jahr auf und betrafen diese Städte zunehmend später, so dass sich die Hitze-Saison von 28 Tagen in den 1960er Jahren auf 51 Tage in den 2000er Jahren ebenfalls fast verdoppelt hat.1 Auch die Temperaturen während einer Hitzewelle sind in jüngster Zeit deutlich höher als noch vor 50 Jahren, und auch die Dauer der einzelnen Hitzewellen hat etwas zugenommen. Die Ursachen dafür liegen sowohl in der Änderung der städtischen Umwelt durch dichtere Bebauung, abnehmende Vegetationsbedeckung in den Städte usw. wie in der Zunahme der Treibhausgase und der globalen Erwärmung. Am stärksten betroffen von den Veränderungen waren die Städte New Orleans, Dallas-Fort Worth, Fresno und San Francisco.

Projektionen

© Lyon 2019


Abb. 4: Häufigkeit von drei oder mehr Hitzewellentagen 1980-2005 (links) und nach dem Szenario RCP8.5 2031-2055 (rechts). Hitzewellentage: >95 Percentile (5% wärmste Tage) der historischen Verteilung (1979-2009)B4

Nach dem RCP8.5-Szenario wird es in Nordamerika bereits in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts eine deutliche Zunahme von extrem heißen Sommern geben. So werden nach Modellsimulationen in 2046-2065 mehr als 50 % der Sommer in den meisten Regionen des nordamerikanischen Kontinents die saisonalen Maximum-Temperaturen des späten 20. Jahrhunderts überschreiten. Bei den täglichen Extremwerten wird es nach RCP8.5 in fast ganz Nordamerika einen Anstieg der täglichen Maximum-Temperatur um 5 °C am Ende des Jahrhunderts geben.11

Besonders im Süden und Südwesten der USA zeigen Modellsimulationen eine deutliche Steigerung der hohen mittleren Sommertemperaturen. Früher seltene heiße Sommer werden um die Mitte des 21. Jahrhunderts in den USA insgesamt deutlich häufiger vorkommen. Der Südwesten wird dabei jedoch ein Hotspot der künftigen Erwärmung sein.12

Die Verstärkung heißer Extreme ist mit trockeneren Wetterlagen in der warmen Jahreszeit verbunden. Verantwortlich dafür ist weitgehend eine ungewöhnliche sommerliche Hochdrucklage, durch die weniger Niederschläge fallen und die Bodenfeuchte abnimmt.13

Anmerkungen:
1. Habeeb, D.,  J. Vargo, B. Stone Jr. (2015): Rising heat wave trends in large US cities, Natural Hazards 76, 1651-1665
2. NASA Earth Oberservatory (2012): Historic Heat in North America Turns Winter to Summer
3. Haeseler, S., DWD (2012): Hitzewelle und Dürre in den USA im Juni/Juli 2012
4. Philip, S.Y., S.F. Kew, G.J. van Oldenborgh et al. (2021): Rapid attribution analysis of the extraordinary heatwave on the Pacific Coast of the US and Canada June 2021, https://www.worldweatherattribution.org/wp-content/uploads/NW-US-extreme-heat-2021-scientific-report-WWA.pdf
5. DWD (2021): Hitzewelle in Kanada und Teilen der US-Westküste, https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/7/4.html
6. WMO (2021): June ends with exceptional heat, https://public.wmo.int/en/media/news/june-ends-exceptional-heat
7. Climate Home News (7.7.2021): North American heatwave broke records – and the climate models, https://www.climatechangenews.com/2021/07/07/north-american-heatwave-broke-records-climate-models/
8. di Liberto, T. (2021): Astounding heat obliterates all-time records across the Pacific Northwest and Western Canada in June 2021, https://www.climate.gov/news-features/event-tracker/astounding-heat-obliterates-all-time-records-across-pacific-northwest
9. Karl, T.R., et al. (2008): Weather and Climate Extremes in a Changing Climate
10. Smith, T.T., B.F. Zaitchik, and J.M. Gohlke (2013): Heat waves in the United States: definitions, patterns and trends, Climatic Change 118, 811–825
8. IPCC (2014): Climate Change 2014, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 26.2.2.2
9. Duffy, P.B., and C. Tebaldi (2012): Increasing prevalence of extreme summer temperatures in the U.S., Climatic Change 111, 487–495
10. Diffenbaugh, N.S., and M. Ashfaq (2010): Intensification of hot extremes in the United States, Geophysical Research Letters 37, doi:10.1029/2010GL043888

Bildquellen:

B1. NASA Earth Observational (2021): Exceptional Heat Hits Pacific Northwest
B2. National Weather Service (o.J.): Basic Wave Patterns,  Lizenz: public domain
B3. USGCRP (2017): Climate Science Special Report: Fourth National Climate Assessment, Volume I [Wuebbles, D.J., D.W. Fahey, K.A. Hibbard, D.J. Dokken, B.C. Stewart, and T.K. Maycock (eds.)]. U.S. Global Change Research Program, Washington, DC, USA, 470 pp., Figure ES.5, doi: 10.7930/J0J964J6.; Lizenz:  public domain
B4. Lyon, B., A.G. Barnston, E. Coffel and R.M. Horton (2019): Projected increase in the spatial extent of contiguous US summer heat waves and associated attributes, Environ. Res. Lett. 14 114029 ; Lizenz: CC BY

Autor: Dieter Kasang