Starkregen und Hochwasser in Deutschland
Die Häufung von ‚Jahrhundertereignissen‘ in den letzten Jahren, z.B. in Deutschland 2002, 2013 und 2021, hat immer wieder die Frage aufkommen lassen, inwieweit der vom Menschen verursachte Klimawandel dafür verantwortlich ist.
Frühere Jahrhunderthochwasser
Seit Jahrhundert haben die Anwohner der großen deutschen Flüsse mit Hochwasserkatastrophen zu kämpfen gehabt. So gilt das Magdalenenhochwasser im Juli 1342 an Main und Rhein historisch als die größte Überflutungskatastrophe in Mitteleuropa.1 Im selben Jahr war auch die Elbe von schweren Überschwemmungen betroffen. Einige Jahrhunderte später richtete ein durch Eisstau im sehr kalten Winter 1783/84 verursachtes Hochwasser gewaltige Schäden am Rhein an.2 Als das stärkste historische Hochwasser an der Donau gilt die Katastrophe von 1501 mit einem Wasserstand von ca. 13 m in Passau, und 1899 gab es hier erneut ein großes Hochwasserereignis.3
Abb. 1: Überschwemmung entlang der Elbe bei der Havelberg im Bundesland Sachsen-Anhalt 2013B1)
In den 1990er Jahren haben Winterhochwasser die Täler des Rheins und seiner Nebenflüsse heimgesucht. Das Weihnachtshochwasser 1993, das sich vor allem an Mosel und Rhein auswirkte, hatte mehrere Todesopfer zur Folge sowie wirtschaftliche Schäden von rund 1 Mrd. DM. Das Rhein-Hochwasser Ende Januar 1995 bewirkte zwar in Köln und anderen Messstellen etwas höhere Pegelstände als 1993, richtete jedoch nur halb so viele Schäden an.
Wesentlich verheerender als die winterlichen Rheinüberschwemmungen wirkten sich in jüngster Zeit die Sommerhochwasserereignisse aus, so das Oder-Hochwasser 1997 mit stellenweise in Deutschland nie zuvor gemessenen Pegelständen. Einige Jahre später, 2002 und 2013, folgten darauf zwei Jahrhunderthochwasser an der Elbe und im zweiten Fall auch an der Donau. So hat der in Dresden erreichte Wasserstand im August 2002 von 9,40 m die bisherige Rekordmarke um mehr als einen halben Meter übertroffen.4 Auch die Schadensbilanz hat mit 21 Toten allein in Sachsen und 11,4 Mrd. EUR finanziellen Verlusten nur in Deutschland bisherige Rekorde gebrochen.5
Im Juni 2013 kam es dann erneut zu einem Rekordhochwasser, das sowohl die Elbe und einige ihrer Nebenflüsse (Abb. 1) als auch die Donau mit Nebenflüssen (Abb. 2) betraf. Die Hochwasserereignisse 2013 waren in ihrer räumlichen Ausdehnung in den letzten 60 Jahren einzigartig und betrafen neben Süd- und Ostdeutschland auch die benachbarten Staaten Österreich, Tschechische Republik, Polen, Ungarn, Slowakei, Kroatien und Serbien. Über weite Strecken hat das Hochwasser von 2013 im oberen Donaubecken die stärksten Abflusshöhen der letzten zweihundert Jahre übertroffen. In Passau lief das Wasser im Juni 2013 zu Pegelständen auf, die ähnlich hoch wie bei der historischen Rekordflut 1501 waren.3 An der Elbe kam es bei Magdeburg zu einem Rekordwasserstand von 62 cm über dem bisherigen Höchststand von 1845.6 Die materiellen Verluste beliefen sich in Deutschland trotz eines verbesserten Hochwasserschutzes nach der Katastrophe von 2002 auf 10 Mrd. EUR.7
Das Hochwasser im Juli 2021
Übertroffen wurden alle bisherigen Hochwasser der letzten Jahrzehnte dann von den gewaltigen Niederschlägen, extrem hohen Wasserständen, Opferzahlen und Sachschäden im Juli 2021 an zahlreichen kleineren Flüssen in der Eifel und im angrenzenden Rheinischen Schiefergebirge in Rheinland-Pfalz bzw. in Nord-Rhein-Westfalen. Die Folgen übertrafen teilweise alle bisherigen Erfahrungen und führten dazu, dass das Thema Klimawandel kurz vor der Bundestagswahl im September 2021 zu einem zentralen politischen Thema wurde. Die Anzahl der Todesopfer belief sich auf mindestens 180, die der Verletzten auf 820. Die versicherten Schäden wurden vorläufig auf über 10 Mrd. € geschätzt, die Gesamtschäden liegen wahrscheinlich deutlich höher.8
Wetterlage, Niederschläge und Klimawandel
Abb. 2: Niederschlagssumme 12.-15.7.2021 über DeutschlandB2
Die Wetterlage, die zu den Überschwemmungen geführt hat, wurde in den Tagen zwischen dem 12. und 15. Juli bestimmt durch ein starkes Tief über Mitteleuropa, durch das warme und sehr feuchte Luftmassen aus dem Mittelmeerraum nach Deutschland gelangten und sich hier durch Abkühlung, auch bedingt durch Gebirgshebung, ausregneten.9 Ausgelöst wurde die Wetterlage von einem Höhentief über dem Nordatlantik, das sich ab dem 11. Juli nach Südosten bewegte und sich über Westeuropa festsetzte. Östlich davon bildete sich am Boden ab dem 13. Juli über Mitteleuropa das Tief „Bernd“ aus und führte zu starken Niederschlägen. Es zog dabei extrem feuchte Luftmassen aus dem Südosten Europas und dem zentralen Mittelmeerraum an. Diese Wetterlage verharrte einige Tage, weil das Höhentief, das die Verhältnisse am Boden steuerte, von zwei Höhenrücken flankiert wurde, und mit ihnen eine Blocking-Situation bildete. Die blockierende Wetterlage bewirkte ein gewaltiges Maß an Niederschlägen. Im Einzugsgebiet der Hochwasserflüsse Ahr, Erft, Kyll u.a. kamen im Zeitraum 13.-14. Juli in 15 Stunden an verschiedenen Wetterstationen im Mittel rund 150 mm Niederschlag zusammen, mehr als das Doppelte eines ganzen Monatsniederschlags. An der Station Köln-Stammheim übertraf der Niederschlag am 14.7. mit 153 mm den bisherigen Rekord vom 19.7.2017 (95 mm) um mehr als 50%. Zugleich lag der Wert deutlich über den errechneten Werten eines Jahrhundertereignisses.8
Die Starkniederschläge lassen sich auf zweierlei Art mit dem Klimawandel in Verbindung bringen. Zum einen bedeutet die Erwärmung der Atmosphäre in Deutschland um 1,6 °C seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, dass die Atmosphäre 11,5% mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Voraussetzung ist, dass genügend Wasser verdunstet, wie das über den sich ebenfalls erwärmenden Randmeeren Nord- und Ostsee und dem Mittelmeer der Fall ist. Bei Kondensation des zusätzlichen Wasserdampfs in der Atmosphäre entstehen daher mehr Wolken und Niederschlag. Zum anderen spielt eine Rolle, dass Großwetterlagen in letzter Zeit zunehmend für eine gewisse Zeit an Ort und Stelle verharren (blockierende Wetterlagen). Das wird darauf zurückgeführt, dass sich im Rahmen des Klimawandels die hohen nördlichen Breiten stärker erwärmen als die mittleren und niederen Breiten und der Temperaturgegensatz zwischen beiden sich abschwächt. Dadurch wird auch die planetare Höhenströmung (Jetstream) schwächer, mäandriert stärker und bewegt sich langsamer von Westen nach Osten. Die Folge sind blockierende Wetterlagen.8 Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hält diese Zusammenhänge in seinem Bericht zu dem Hochwasserereignis für etwas weniger gesichert.9
Hochwasserstände
Für die durch die Niederschläge bewirkten Überschwemmungen spielten auch die feuchten Böden eine Rolle. Dadurch, dass in den ersten sechs Monaten des Jahres etwa 15% mehr Niederschlag als im langjährigen Mittel gefallen war, waren die Böden zumeist gesättigt.8 Hinzu kamen die schmalen Täler, in denen sich das Wasser konzentriert sammeln konnte, sowie die Talhänge, an denen aufgrund des Weinanbaus und der verbreiteten Fichtenbepflanzung die Niederschläge weitgehend ungehindert abfließen konnten.
Abb. 3: Mittlere und maximale Niederschläge pro Tag in l/m2 je Flusseinzugsgebiet am 14.7.2021 sowie das Flächenmittel für den Monat Juli 1991-2020. Die Flächenmittel der Einzugsgebiete der Flüsse waren an dem einen Tag des 14. Juli 2021 deutlich höher als die Flächenmittel des ganzen über den Zeitraum 1991-2020 gemittelten Monats Juli. Die Spitzenwerte des 14. Juli waren sogar doppelt so hoch wie der Juli-Wert.B3
Die Abflussmengen und Hochwasserstände übertrafen die bisherigen Rekorde der letzten 30 Jahre teilweise bei weitem. In Einzelfällen konnten die genauen Werte nicht festgestellt werden, wie z.B. in Altenahr, weil die Pegel überflutet und zerstört wurden. Am Pegel Müsch an der Ahr wurde der bisherige Abflussrekord von 2016 (132 m3/s) mit 320 m3/s um deutlich mehr als das Doppelte übertroffen, ähnlich an Stationen an dem Fluss Kyll, einem Nebenfluss der Mosel. Für Altenahr wurden 400-700 m3/s geschätzt, bei einem bisherigen Höchstwert von 236 m3/s. Ähnliches gilt für die Wasserstände. In Altenahr lag der bisherige Rekord bei 3,71 m. Ab 5,05 m konnten die weiteren Wasserstände wegen des Pegel-Ausfalls nicht mehr gemessen werden. Nach Schätzungen lag der Wasserstand später bei 7-8 m.8
Anmerkungen:
1. Undine: Das Magdalenenhochwasser im Sommer 1342 im Rheingebiet
2. Undine: Das Eishochwasser 1784 im Rheingebiet
3. Blöschl, G., T. Nester, J. Komma, J. Parajka, and R.A.P. Perdigão (2013): The June 2013 flood in the Upper Danube Basin, and comparisons with the 2002, 1954 and 1899 floods, Hydrol. Earth Syst. Sci., 17, 5197–5212
4. Bundesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg.) (2002): Das Augusthochwasser 2002 im Elbegebiet
5. Undine: Das Hochwasser der Elbe im Sommer 2002
6. Undine: Das Hochwasser der Elbe im Sommer 2002
7. Schröter, K., M. Kunz, F. Elmer, B. Mühr, and B. Merz (2015): What made the June 2013 flood in Germany an exceptional event? A hydro-meteorological evaluation, Hydrol. Earth Syst. Sci., 19, 309–327, doi:10.5194/hess-19-309-2015
8. Schäfer, A., B. Mühr, J. Daniell u.a. - CEDIM Forensic Disaster Analysis (FDA) Group (2021): Hochwasser Mitteleuropa, Juli 2021 (Deutschland). 21. Juli 2021 – Bericht Nr. 1 „Nordrhein-Westfalen & Rheinland-Pfalz”
9. Junghänel, T., P. Bissolli, J. Daßler u.a. – DWD (2021): Hydro-klimatologische Einordnung der Stark- und Dauerniederschläge in Teilen Deutschlands im Zusammenhang mit dem Tiefdruckgebiet „Bernd“ vom 12. bis 19. Juli 2021
Bildquellen:
B1. Quelle: Wikimedia Commons: Hochwasser Elbe 2013, Autor: euroluftbild.de/Grahn; Lizenz: CC BY-SA
B2. Junghänel, T., P. Bissolli, J. Daßler u.a. – DWD (2021): Hydro-klimatologische Einordnung der Stark- und Dauerniederschläge in Teilen Deutschlands im Zusammenhang mit dem Tiefdruckgebiet „Bernd“ vom 12. bis 19. Juli 2021
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B3. Eigene Darstellung (Dieter Kasang); Daten nach: Andreas Schäfer, Bernhard Mühr, James Daniell u.a. - CEDIM Forensic Disaster Analysis (FDA) Group (2021): Hochwasser Mitteleuropa, Juli 2021 (Deutschland). 21. Juli 2021 – Bericht Nr. 1 „Nordrhein-Westfalen & Rheinland-Pfalz”; Lizenz: CC BY-SA