Veränderung von Extremereignissen
Von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung ist eine mögliche Veränderung von Extremereignissen, da ein möglicher Klimawandel von den Menschen nicht im globalen Mittel, sondern regional und lokal erfahren wird. Eine Zunahme von Hitzeperioden mit großen Waldbränden im Gefolge, von starken Niederschlägen mit Überschwemmungen oder von Stürmen mit direkten Zerstörungen wird von der Öffentlichkeit als eine viel größere Bedrohung durch den Klimawandel empfunden als eine Zunahme der Mitteltemperatur. In den letzten 50 Jahren zwischen 1970 und 2019 haben 2,06 Mio. Menschen ihr Leben durch Wetterextreme verloren. Umgerechnet sind das 115 Menschen jeden Tag. Die meisten Opfer gab es durch Dürren (650.000), Stürme (577.232), Überschwemmungen (58.700) und extreme Temperaturen (55.736). Die Anzahl der Katastrophen in dieser Periode hat dabei von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zugenommen. In den 1970er Jahren wurden 711 solcher Wetterkatastrophen gezählt, in den 1990 Jahren waren es 2250 und in den 2010er Jahren 3165. Wetterextreme scheinen die eigentliche Gefahr des anthropogenen Klimawandels zu sein.
Für den Zusammenhang zwischen dem menschengemachten Klimawandel und Extremereignissen sprechen in vielen Fällen physikalische Gesetzmäßigkeiten. Das trifft insbesondere für die Erhöhung der Temperaturen sowohl im globalen wie im kontinentalen Maßstab zu. Bei einer Erhöhung der mittleren Temperatur wird es auch zu einer Zunahme von hohen Temperaturen bzw. Hitzewellen kommen, wenn alle anderen Faktoren unverändert bleiben (Abb. 1). Eine wärmere Atmosphäre hat eine höhere Verdunstung zur Folge. Daraus können in manchen Regionen mehr Dürren entstehen. In anderen Regionen kann es zu stärkeren Niederschlägen kommen, weil die Atmosphäre mehr Wasserdampf enthält. Außerdem steht in der Atmosphäre durch den Wasserdampf mehr latente Energie als Antrieb von Stürmen zur Verfügung. Also können auch stärkere Stürme die Folge sein.
Abb. 1: Schematische Darstellung der Folgen einer Veränderung der mittleren Temperaturen auf die extremen Temperaturen.B1
Dass durch die globale Erwärmung im Mittel auch mehr und/oder stärkere Extremereignisse entstehen, ist seit langem Konsens in der Klimaforschung. Aber dass man den Anteil des Klimawandels an einem einzelnen Wetterereignis, z.B. der Rekordniederschläge des Hurrikans Harvey im August 2017 über Houston in Texas, bestimmen kann, galt lange Zeit als ausgeschlossen. „Inzwischen hat jeder Sturm mit dem Klimawandel zu tun,“ heißt es nun allerdings bei Friederike Otto, einer der führenden Forscherinnen in der „event attribution science“, der Wissenschaft von der Zuordnung einzelner Extremereignisse.2
In den letzten Jahren sind zur Frage der Zuordnung von Extremereignissen zum Klimawandel zahlreiche Studien über einzelne extreme Wetterereignisse entstanden. Bei 33% solcher Ereignisse handelt es sich um Hitzewellen, bei 17% um Dürren und bei 20% um starke Regenfälle bzw. Überschwemmungen.3 Am besten gelingt eine solche Zuordnung bei hohen Temperaturen und bei Starkniederschlägen, weil dazu die längsten, die räumlich umfassendsten und die qualitativ besten Datenreihen existieren. Hitzeereignisse lassen sich außerdem von Klimamodellen gut simulieren, da die Gesetzmäßigkeiten, nach denen der Klimawandel zu Hitzewellen führt, weitgehend verstanden sind. Dennoch sind auch in diesem Fall Klimamodelle nur ein Abbild der Wirklichkeit, nicht diese selbst. Es bedarf daher des Vergleichs mit der Beobachtung, um Modellergebnisse abzusichern.
Bei der Zuordnung von Extremereignissen stellt sich immer die Frage, ob ein solches Ereignis im Vergleich zu natürlichen Klimabedingungen durch den Klimawandel häufiger oder stärker geworden ist. Natürliche Klimabedingungen lassen sich für die letzten Jahrzehnte jedoch nicht mehr mit Daten belegen, da das gegenwärtige Klima zu einem großen Teil menschengemacht ist. Klimamodelle sind aber in der Lage, eine fiktive Welt ohne menschlichen Einfluss zu simulieren. Der Unterschied zwischen der Wahrscheinlichkeit einer Hitzewelle in dem aktuellen Klima und der in einem fiktiven Klima ohne menschliche Einflüsse kann dann die Wirkung des anthropogenen Klimawandels verdeutlichen.
Anmerkungen:
1. WMO (2021): WMO atlas of mortality and economic losses from weather, climate and water extremes (1970–2019)
2. Otto, F. (2019): Wütendes Wetter. Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürmen, Berlin
3. CarbonBrief (2021): Attributing extreme Weather to climate change
Bildquellen:
B1. Eigene Darstellung nach IPCC (2001): Climate Change 2001: The Scientific Basis. Contribution of the Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Houghton, J.T. et al., eds), Cambridge and New York 2001, Figure 2.32