Hitzewellen: Beispiele und Folgen
Die Zunahme der Durchschnittstemperaturen in den letzten Jahrzehnten hat wahrscheinlich auch zu mehr und stärkeren extremen Hitzeperioden geführt.
Beispiele
In der jüngsten Zeit sind einige Hitzewellen mit zahlreichen Todesfällen im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung diskutiert worden, vor allem die Hitzewelle 2003 in Europa. Nach Schätzungen hat der Hitzesommer 2003 in Europa etwa 70 000 vorzeitige Todesfälle zur Folge gehabt.1 Noch schwerwiegender war die Hitzewelle 2010 im westlichen Russland, in deren Folge 56 000 Menschen vorzeitig starben und die als die stärkste Hitzewelle der Gegenwart eingeschätzt wird.1e Hier lagen im Juli und August die Temperaturen in vielen Städten über eine längere Periode bei 40 °C und damit um 10 °C über dem Mittel der früheren Sommertemperaturen. Eine Folge waren großflächige Wald- und Torfbrände.
Auch die Vereinigten Staaten wurden in jüngster Zeit zunehmend von Hitzewellen heimgesucht. So forderte die Hitzewelle von 1995 in Chicago über 500 Todesopfer.1.a Hier zeigte sich ein wichtiges Merkmal der Klimaentwicklung der letzten Jahrzehnte als besonders problematisch: Die täglichen Minimumtemperaturen steigen doppelt so stark wie die Maximumwerte, so dass sich der Unterschied zwischen Tages- und Nachttemperaturen zunehmend verringert. In Chicago waren entsprechend für die Todesfälle weniger die hohen Tageswerte verantwortlich als die Tatsache, dass es nachts nicht abkühlte. Selbst die nächtlichen Minimum-Werte lagen an einigen Tagen noch über 32 oC. Auch in den folgenden Jahren kam es in den USA immer wieder zu Sommern mit ungewöhnlich hohen Temperaturen. Besonders stark und andauernd waren die Hitzewellen in Texas 2010 1.b und über große Teile der USA 2012.1.c Rekordtemperaturen wurden zudem mit 49 °C in Arizona registriert. Ebenso erlebte Australien in letzter Zeit zahlreiche Hitzewellen: z.B. im Februar 2004, im April 2005, im November 2006, im Januar und November 2009. 2013 wurde das bisher heißeste Jahr in Australien, mit einer Hitzewelle sowohl am Anfang wie am Ende des Kalenderjahres, bei der in Queensland die Rekordtemperatur von 49,3 °C gemessen wurde.1.f
Hintergründe
Abb. 1: Bei einer Veränderung des mittleren Klimas zu einem wärmeren Zustand verschiebt sich auch die Häufigkeit des Auftretens von extremen Perioden. Kalte Perioden treten kaum noch auf, heiße Perioden werden häufiger und noch heißer.B1
Die Intensität der europäischen Hitzewelle 2003 war zwar auf dem Hintergrund des Klimas der letzten Jahrhunderte ein äußerst seltenes Ereignis. Von diesem Klima hat sich das globale wie das europäische Klima der letzten Jahrzehnte jedoch zunehmend zu wärmeren Bedingungen hin entfernt. Die globale Mitteltemperatur ist in den letzten ca. 100 Jahren um 1 oC angestiegen. Eine solche Erwärmung hat es in den letzten 1000 Jahren nicht gegeben. Seit dem Ende der 1970er Jahre hat sich das Tempo der Erwärmung noch einmal deutlich erhöht und liegt zu Beginn des 21. Jahrhunderts bei 2 oC pro 100 Jahre.1.d Von den fünf wärmsten Jahren seit 1860 liegen bereits alle im neuen Jahrzehnt der 2010er Jahre. Die europäischen Sommer zeigen seit 1977 sogar einen Erwärmungstrend um 0,7 oC pro Jahrzehnt, und 1994-2003 war das wärmste Sommerjahrzehnt seit 1500.2 Die mittleren maximalen Sommertemperaturen in Europa stiegen zwischen 1880 und 2005 um 1,6 °C und damit deutlich stärker als die jährlichen Mitteltemperaturen.3 Die höhere Mitteltemperatur erhöhte auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem extremen Sommer wie 2003 kommen konnte. Bei einer allgemeinen Temperaturzunahme nimmt auch die Häufigkeit von Hitzewellen zu, da in einem wärmeren Klima bisherige heiße Perioden "normaler" werden (s. Abb.1).
Abb. 2: Änderung der Verbreitung von heißen (0,43 Standardabweichungen), sehr heißen (2 Standardabweichungen) und extrem heißen (3 Standardabweichungen) Sommern auf der Landoberfläche der Nordhalbkugel.B2
Offensichtlich spielt aber eine mindestens ebenso große Rolle die Zunahme in der Variabilität, d.h. die Zunahme der Wahrscheinlichkeit von hohen und niedrigen Temperaturen, hohen und niedrigen Niederschlägen von einem Jahr auf das andere.4 So folgte in Mitteleuropa auf den Sommer der heftigen Niederschläge und Überschwemmungen 2002 der Hitze-Sommer 2003 und darauf der Sommer mit einem ungewöhnlich kalten und nassen August 2005. Aufgrund dieser veränderten Randbedingungen hat sich die Wahrscheinlichkeit eines heißen Sommers wie 2003 für Europa mehr als verdoppelt, auch wenn es immer noch ein sehr seltenes Ereignis bleibt.5
Auch die Entstehung anderer extremer Hitzeperioden der jüngsten Zeit mit zahlreichen Todesfällen hat wahrscheinlich mit diesem veränderten Hintergrundklima zu tun. Bekannt sind die Hitzewellen 1987 in Griechenland mit mehr als 2000 zusätzlichen Sterbefällen allein in Athen oder die Hitzewelle von 1995 in Chikago, die über 500 Todesopfer forderte.6 An dem Beispiel Chikago zeigt sich noch ein zweites für die Folgen von Hitzewellen wichtiges Merkmal der Klimaentwicklung der letzten Jahrzehnte, das sich besonders, aber nicht nur, in den städtischen Wärmeinseln bemerkbar macht. Die täglichen Minimumtemperaturen steigen doppelt so stark wie die Maximumwerte, so dass sich der Unterschied zwischen Tages- und Nachttemperaturen zunehmend verringert.7 In Chikago waren entsprechend für die Todesfälle weniger die hohen Tageswerte verantwortlich als die Tatsache, dass es nachts nicht abkühlte. Selbst die nächtlichen Minimum-Werte lagen an einigen Tagen noch über 32 oC. Während die Maximum-Werte der Hitzewelle von Chikago statistisch gesehen alle 23 Jahre vorkommen können, sind die Minimum-Werte als äußerst seltenes Ereignis zu bewerten, das statistisch nur etwa alle 1000 Jahre einmal vorkommt und im 20. Jahrhundert in dieser Hinsicht von keiner anderen Hitzeperiode in den USA erreicht wurde. Global gesehen haben die Gebiete auf der Erde, in denen kalte jährliche Mitteltemperaturen gemessen wurden, deutlich ab- und die mit warmen Temperaturen zugenommen (Abb. 2).
Soziale Folgen
Abb. 3: Anteil der heißen Tage und Nächte pro Jahr in armen (blau) und wohlhabenden (rot) Ländern. Gezeigt wird die Zunahme von solchen heißen Tagen und Nächten, die im Zeitraum 1961-1990 zu den 10 % heißesten Tagen bzw. Nächten pro Jahr gehört haben.B3
Im Vergleich etwa zu Dürren sind Hitzewellen eher ein kurzfristiges Ereignis. Dennoch können die Folgen für Mensch und Natur erheblich sein. Für den Menschen bedeuten Temperaturen, die deutlich über den regional üblichen Mittelwerten liegen, ein erhebliches Gesundheitsrisiko (vgl. dazu Hitzewellen und Gesundheit). Da Hitzewellen in der Regel mit Niederschlagsdefiziten einhergehen, sind Waldbrände eine häufige Folge, unter der die natürliche Vegetation zu leiden hat, die aber gelegentlich auch menschliche Siedlungen bedroht.
Im Hinblick auf die betroffenen Länder ist bezeichnend, dass gerade die ärmsten Länder von einigen der schlimmsten Folgen des Klimawandels betroffen sind, obwohl sie kaum zur Emission von Treibhausgasen beigetragen haben. So befinden sich die Temperaturen in diesen zumeist äquatornah gelegenen Ländern bereits heute an der oberen Grenze des menschlichen Wohlbefindens. Die geringen Schwankungen der Temperatur in den Tropen haben zur Folge, dass bereits durch geringe Änderungen bisherige Temperaturextreme überschritten werden. Heiße Tage, die im Zeitraum 1961-1990 zu den 10 % heißesten Tagen pro Jahr gehört haben, nehmen in den armen Ländern auf 22 % zu (bzw. von 37 auf 80 Tage pro Jahr), in den wohlhabenden Staaten dagegen nur von 10 % auf 15 % (von 37 auf 55 Tage pro Jahr). Noch etwas stärker nimmt der Anteil von heißen Nächten pro Jahr in den armen Ländern zu, nämlich von 10 % auf 26 %. Das ist insofern besonders problematisch, weil die Sterblichkeit bei Hitzewellen stark davon abhängt, ob sich der menschliche Körper während der Nacht durch Abkühlung erholen kann.8
Anmerkungen:
1. Robine, J.-M., et al. (2008): Death toll exceeded 70,000 in Europe during the summer of 2003, C. R. Biologies 331, 171–178; Robine, J.M., et al. (2007): Report on excess mortality in Europe during summer 2003 (EU Community Action Programme for Public Health)
1.a Karl, T. R. and R. W. Knight (1997): The 1995 Chicago Heat Wave: How Likely Is a Recurrence?, Bulletin of the American Meteorological Society, Vol. 78, No. 6, June 1997, 1107-1119
1.b Hansen, J., M. Sato, and R. Rued (2012): Perception of climate change, PNAS Early Edition
1.c NASA Science: The Summer of 2012 - Too Hot to Handle?
1.d Haeseler, S., DWD (2012): Hitzewelle und Dürre in den USA im Juni/Juli 2012
1.e Munich Re (2015): Hitzewelle, Dürre, Waldbrände in Russland (Sommer 2010), Russo, S., J. Sillmann, A. Sterl (2017): Humid heat waves at different warming levels, Scientific Reports 7, 7477, 10.1038/s41598-017-07536-7, https://doi.org/10.1038/s41598-017-07536-7
1.f NASA Earth Observatory (2014): Heat Wave Stifles Australia
2. Luterbacher, J., Dietrich, D., Xoplaki, E., Grosjean, M. & Wanner, H. (2004): European Seasonal and Annual Temperature Variability, Trends, and Extremes Since 1500, Science 303, 1499-1503
2.a IPCC (2012): Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaption
4. Schär, C., P.L. Vidale, D. Lüthi, C. Frei, C. Häberli, M.A. Liniger, and C. Appenzeller (2004): The role of increasing temperature variability in European summer heatwaves, Nature 427, 332-336
5.Stott, P.A., D.A. Stone, and M.R. Allen (2004): Human contribution to the European heatwave of 2003, Nature 432, 610-614
6. Karl, T. R. and R. W. Knight (1997): The 1995 Chicago Heat Wave: How Likely Is a Recurrence?, Bulletin of the American Meteorological Society, Vol. 78, No. 6, June 1997, 1107-1119
7. IPCC, 2001: Climate Change 2001: The Scientific Basis. Contribution of the Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Houghton, J.T. et al., eds.), Cambridge and New York 2001, 2.2.2.1
Bildquellen:
B1. verändert nach IPCC (2001): Climate Change 2001: The Scientific Basis. Contribution of the Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Houghton, J.T. et al., eds.), Cambridge and New York 2001, Figure 2.32
B2. Eigene Darstellung nach Hansen, J., M. Sato, and R. Rued (2012): Perception of climate change, PNAS Early Edition, www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1205276109
B3. Herold, N., L. Alexander, D. Green and M. Donat (2017): Greater increases in temperature extremes in low versus high income countries, Environ. Res. Lett. 12