Klimawandel und Klimafolgen

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Phänologie

Phänologie

Die meisten Beobachtungen über die Veränderungen der Pflanzen- und Tierwelt durch den Klimawandel gibt es über die Phänologie, d.h. die jährlich wiederkehrenden Entwicklungsstadien von Pflanzen und Tieren. Im Frühling wurde fast flächendeckend ein früherer Blattaustrieb beobachtet, im Herbst eine spätere Blattfärbung; Zugvögel kehrten früher aus ihren Überwinterungsgebieten zurück. Besonders die Frühlings-Phänologie ist starken Änderungen unterlegen. Die wichtigste Ursache ist die im Vergleich zu den anderen Jahreszeiten höhere Erwärmung im Winter und Frühling. Abb. 1 zeigt über große Teile der Nordhalbkugel eine Temperaturerhöhung im Frühjahr um mindestens 1 oC, im Nordwesten Nordamerikas, Nordosten Europas und in Sibirien sogar um 2-4 oC. In Europa stiegen die Frühlingstemperaturen um 0,5 bis 2 oC, im Südwesten am wenigsten, im Nordosten am stärksten.

© Graphik erzeugt nach GISS Surface Temperature Analysis


Abb. 1:
Veränderung der globalen Oberflächentemperatur zwischen 1950 und 2007 im Frühling in oC (graue Flächen: fehlende Daten)1

Vegetation

Die am weitesten, nämlich bis ins 9. Jahrhundert, zurückreichenden Daten zur Phänologie betreffen die japanische Kirschblüte. Danach beginnt die Blüte der japanischen Kirsche heutzutage früher als je in den letzten 1200 Jahren. Auch andere Aufzeichnungen der letzten Jahrzehnte belegen den früheren Frühlingsbeginn über die gesamte Nordhalbkugel. Als Grund wurde die globale Erwärmung nachgewiesen.11

Die beobachtete Vorverlegung wichtiger Frühlingsereignisse folgt eindeutig den Veränderungen der Frühlingstemperaturen. Die Untersuchungen stammen vornehmlich aus den mittleren und höheren Breiten der Nordhalbkugel. Hier spielen Niederschlagsveränderungen eine geringe Rolle, da generell ein ausreichendes Wasserangebot herrscht.2 Wichtige Daten sind der letzte Frosttag mit -2,2 oC und die Wachstumsperiode zwischen Frühling und Herbst mit mittleren Tagestemperaturen nicht unter 5 oC. Während die letzten Frosttage mit -2,3 oC und weniger zwischen 1955 und 2002 auf der Nordhalbkugel um rund 7 Tage früher auftraten (Abb. 3), hat sich die Wachstumsperiode um bis zu 8 Tage verlängert, in den mittleren und nördlichen Breiten sogar um zwei Wochen. Eine Erhöhung der Frühlingstemperatur um 1 oC hat im Mittel eine Vorverlegung des Wachstumsbeginns um 2,5-6 Tage zur Folge gehabt.3

© Eigene Darstellung nach nach Schwartz et al. 2006


Abb. 2:
Vorverlegung des letzte Frosttags mit -2,3 oC und weniger (rot) sowie des Blattaustriebs (grün) im Frühling zwischen 1955 und 2002 auf der Nordhalbkugel4

Die Veränderungen sind im Allgemeinen in höheren Breiten stärker als in mittleren und niederen Breiten. Bei Gräsern und Gewürzen beginnt der Frühling auf der Nordhemisphäre in den letzten Jahrzehnten um 1,1 Tage pro Jahrzehnt früher im Jahr, bei Bäumen um 3,3 Tage/Jahrzehnt früher.12 Regional war die Entwicklung allerdings sehr unterschiedlich. So verlängerte sich die Wachstumsperiode in Europa 2000-2008 um 11,5 Tage, und zwar vor allem durch eine Verschiebung im Herbst um über 8 Tage. In anderen Genbieten der Nordhalbkugel ist die Verlängerung der Wachstumszeit nach Satellitendaten vor allem auf den früheren Beginn des Frühlings zurückzuführen.13

Die Veränderung der Pflanzenphänologie besitzt auch Rückwirkungen auf das Klima, vor allem über eine veränderte Albedo. Die Albedo von Wäldern mit Laubbäumen mit ausgetriebenen Blättern beträgt 0,15. Schneebedeckter Boden in Wäldern hat dagegen eine Albedo von ca. 0,2-0,3.11

Tierwelt

Phänologische Veränderungen zeigen sich auch in der Tierwelt. So haben sich die Rückkehrdaten vieler Zugvögel merklich verschoben, bei Schwalben in Großbritannien z.B. um 2-3 Tage bei einer Erwärmung um 1 oC. Dabei zeigen sich bei Vögeln, die nur kurze Distanzen zurücklegen, stärkere Veränderungen als bei Zugvögeln, die in größeren Entfernungen, wie z.B. europäische Zugvögel in Afrika, überwintern. Allgemein sind im Nordseeraum Zugvögel seit 1960 um 0,5-2,8 Tage früher angekommen. Auch der Zeitpunkt des Eierlegens wurde bei vielen Vögeln vorverlegt, so z.B. beim europäischen Fliegenschnäpper. Bei sechs Froscharten in Ithaca, New York, hat sich die Brutzeit um 10-13 Tage vorverlegt. Auch Schmetterlinge zeigen eine hohe Korrelation zwischen Lebenszyklen und Frühlingstemperaturen. Eine deutliche Vorverlegung ihres ersten Fluges wurde bei vielen Arten in Großbritannien, Spanien und Kaliforniern festgestellt.5

© Eigene Darstellung, Daten nach Parmesan, C. 2007


Abb. 3:
Vorverlegung typischer Frühlingsereignisse bei Pflanzen und Tieren durch die bisherige Erwärmung auf der Nordhalbkugel in Tage pro Jahrzehnt6

Allgemein hat in den letzten 30 Jahren der Frühling auf der Nordhalbkugel um 2,3-5,2 Tage pro Jahrzehnt früher begonnen.7 Neben der globalen Erwärmung zeigen auch regionale Klimaschwankungen einen deutlichen Einfluss auf viele ökologische Prozesse. So ist das Verhalten mancher Zugvögelarten in West und Nordwesteuropa von einem hohen bzw. niedrigen NAO-Index abhängig. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Reaktion der biologischen Klassen und Arten auf klimatische Änderung sehr unterschiedlich ausfällt, wobei einige Arten auch gar nicht reagieren. So ist die Vorverlegung typischer Frühlingsaktivitäten bei Amphibien zweimal so stark wie bei Bäumen, Vögeln oder Schmetterlingen und fast achtmal so stark wie bei Sträuchern, Gräsern und Kräutern. Dabei reagieren auch noch die Amphibienarten untereinander sehr verschieden.

Die Unterschiede in der Reaktion der Arten in ein und demselben Untersuchungsgebiet sind oft größer, als die mittleren Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen. In der individuellen Reaktion der Arten liegt auch der Grund dafür, dass die geographische Breite insgesamt keine so große Rolle spielt, obwohl die Temperaturzunahme in höheren Breiten deutlich höher ist als in niederen. Von Bedeutung sind neben den direkten klimatischen Veränderungen auch indirekte Folgen wie z.B. eine Störung der Synchronie zwischen Wirtspflanzen und Insekten. Die wenigen vorliegenden Untersuchungen geben allerdings insgesamt nur ein begrenzt klares Bild, da unterschiedliche Arten, Regionen und Zeitspannen zugrundegelegt wurden.8

Nahrungsbeziehungen

Phänologische Veränderungen haben auch Folgen für die Nahrungsbeziehungen in der Natur, d.h. für die sogenannte trophische Interaktion. Beispielsweise fressen die Raupen späterer Schmetterlinge frische Blätter bestimmter Bäume.9 Ihre Populationsgröße und ihr Überleben sind also stark davon abhängig, dass in der Zeit, in der sie fressen, junge Blätter verfügbar sind. Kommt es im Rahmen des Klimawandels im Frühjahr zu einer Vorverlagerung der Blattentfaltung, haben die Raupen in ihrer Fressphase nicht genügend Nahrung – mit erheblichen Folgen für die Schmetterlingspopulation.9

Auch Zugvögel, die ihr Zugverhalten nicht verändern, können in den nördlichen Brutgebieten auf ein Nahrungsangebot treffen, das schon zu weit fortgeschritten ist, z.B. durch das Schlüpfen von Insekten, um ihrer Brut noch ausreichend Nahrung zu bieten. Außerdem werden die besten Brutplätze in vielen Fällen schon durch Kurzstreckenzieher oder stationäre Vögel besetzt sein. Ähnlich hängt der Bruterfolg des Goldregenpfeifers vom Zeitpunkt ab, an dem Schnaken (ein Beuteinsekt der Vögel) schlüpfen.10 Es wird erwartet, dass es am Ende dieses Jahrhunderts zu einer Asynchronität zwischen der ersten Eiablage der Vögel und dem Erscheinen von Schnaken kommen kann. Dies würde sich negativ auf den Erfolg früher Bruten des Goldregenpfeifers auswirken.

Anmerkungen:
1. Graphik erzeugt nach GISS Surface Temperature Analysis
2. Rutishauser, T., S. Studer (2007): Klimawandel und der Einfluss auf die Frühlingsphänologie, Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, 158, S. 105-111
3. Parmesan, C. 2006: Ecological and Evolutionary Responses to Recent Climate Change. Annual Review of Ecology, Evolution and Systematics(37): 637-69; IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 1.3.5.1
4. verändert nach Schwartz, M.D., R. Ahas and A. Aasa (2006): Onset of spring starting earlier across the Northern Hemisphere, Global Change Biology, Volume 12, Issue 2, Page 343-351
5. Parmesan, C. 2006: Ecological and Evolutionary Responses to Recent Climate Change. Annual Review of Ecology, Evolution and Systematics(37): 637-69
6. Daten nach Parmesan, C. (2007): Influences of species, latitudes and methodologies on estimates of phenological response to global warming, Global Change Biology 13, 1843-2044
7. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 1.3.5.1; eine kritische methodologische Untersuchung (Zeitspanne, Auswahl der Arten u.a.) der zugrundeliegenden Studien kommt zu dem Ergebnis von 2,8 Tage pro Jahrzehnt: Parmesan, C. (2007): Influences of species, latitudes and methodologies on estimates of phenological response to global warming, Global Change Biology 13, 1843-2044
8. Parmesan, C. (2007): Influences of species, latitudes and methodologies on estimates of phenological response to global warming, Global Change Biology 13, 1843-2044
9. Forkner, R./ Marquis, R. J./ Lill, J./ Le Corff, J. (2008): Timing is everything? Phenological synchrony and population variability in leaf-chewing herbivores of Quercus. In: Ecological Entomology, Jg. 33, Nr. 2 S. 276-285
10. Mustin, K./ Sutherland, W./ Gill, J. A. (2007): The complexity of predicting climate-induced ecological impacts. In: Climate Research, Jg. 35, S. 165-175
11. Richardson, A.D., T.F. Keenana, M. Migliavaccab, Y. Ryua,c, O. Sonnentaga, M. Toomey (2013): Climate change, phenology, and phenological control of vegetation feedbacks to the climate system, Agricultural and Forest Meteorology 169, 156– 173
12. IPCC (2014): Climate Change 2014, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 4.3.2.1
13. Jeong, S.-J., Ho, C.-H., Gim, H.-J., and Brown, M.E. (2011): Phenology shifts at start vs. end of growing season in temperate vegetation over the Northern Hemisphere for the period 1982–2008, Global Change Biology 17, 2385–2399