Änderung der Bodenbedeckung in hohen Breiten
Boreale Wälder bedecken über eine Milliarde ha und stellen damit fast 40 % der globalen Waldfläche, wovon Russland mit Abstand den größten Anteil besitzt.
Während tropische Wälder aufgrund ihrer hohen CO2-Speicherung und Evapotranspiration das Klima kühlen, wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass die Wälder der hohen Breiten einen Erwärmungseffekt auf das Klima haben. Der Grund liegt im wesentlichen in dem großen Unterschied zwischen der Albedo schneebedeckter Wälder und anderer Schneeflächen. Verschneite Wälder der Taiga haben nur eine Albedo von 0,2 bis 0,4, schneebedecktes Gras dagegen eine Albedo von 0,75 und eine geschlossene Neuschneedecke von 0,9.1
Die hohen Bäume der Taiga ragen aus dem Schnee immer etwas heraus und sind daher nie ganz bedeckt. Die raue und dunkle Oberfläche der borealen Wälder absorbiert einen hohen Anteil der solaren Einstrahlung und wandelt ihn in Wärmestrahlen um. Hinzu kommt, dass ihre schneefreien dunklen Teile Sonnenstrahlen absorbieren und den Schnee in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schmelzen bringen. Dagegen reflektiert die nördlich angrenzende, schneebedeckte Tundra die Sonnenstrahlen sehr stark. Eine künftige Ausdehnung des Waldes in heutige Tundragebiete, wie sie durch den Klimawandel erwartet wird, führt daher zu einer Verstärkung der Erwärmung.
Gegenüber dem Albedo-Effekt fallen die Speicherung von Kohlendioxid und die Evapotranspiration weniger ins Gewicht. Durch die niedrigere Temperatur und die geringere Sonnenstrahlung ist die Photosyntheseleistung deutlich geringer als in den Tropen. Ähnliches trifft für die Verdunstungsleistung zu. Modellberechnungen kommen daher zu dem Ergebnis, dass die borealen Wälder für einen Erwärmungseffekt von 0,8 °C global stehen. Hauptgrund ist die Verringerung der Oberflächen-Albedo um 0,25.2
Abb. 1: Klimatische Folgen einer Zunahme der Waldbedeckung in den hohen nördlichen Breiten
Allerdings sind die Wechselbeziehungen zwischen Wald und Atmosphäre sehr komplex und noch keineswegs vollständig verstanden bzw. quantitativ in Modellrechnungen erfasst. So wurde die Wirkung von Aerosolen erst in einer Studie von 2008 berücksichtigt.3 Pflanzen emittieren als Vorläuferstoffe von Aerosolen so genannte flüchtige organische Verbindungen (VOC - Volatile Organic Compounds), aus denen sekundäre Aerosole entstehen.4 Hinzu kommen direkt emittierte Partikel wie Sporen, Pilze oder Blattmaterial. Diese Aerosole wirken einerseits direkt, indem sie Sonnenstrahlen reflektieren, andererseits indirekt, indem sie als Kondensationskerne für die Wolkenbildung dienen.
Über borealen Wäldern ist die Dichte der Kondensationskerne doppelt so hoch wie über nicht bewaldeten Flächen in derselben Region. Die daraus resultierende Erhöhung der Wolkenalbedo bewirkt einen regionalen Strahlungseffekt zwischen -1,8 und -6,7 W/m2. In einem wärmeren Klima, in dem die schneefreie Zeit länger und die borealen Wälder sich wahrscheinlich nach Norden ausdehnen werden, nehmen die Emission von flüchtigen organischen Verbindungen und damit auch die Wolkenbildung zu. Die Verfasser der erwähnten Studie halten es deshalb für möglich, dass der Abkühlungseffekt durch Aerosole dann gegenüber dem Erwärmungseffekt durch die geringere Albedo am Boden überwiegt. Hinzu kommt, dass in einem wärmeren Klima ja auch die Photosyntheseleistung zunimmt und die Evaporation verstärkt wird. Beides wirkt wie die höhere Aerosol- und Wolkendichte ebenfalls abkühlend. Entgegen bisheriger Auffassung würde eine Ausdehnung der nördlichen Taiga daher einen Abkühlungseffekt besitzen.
Anmerkungen:
1. Claussen, Martin 2003: Die Rolle der Vegetation im Klimasystem, in: promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 80-89
2. Bala, G. et al. (2007): Combined climate and carbon-cycle effects of large-scale deforestation. Proceedings of the National Academy of Sciences 104, 6550–6555, doi: 10.1073/pnas.0608998104
3. Spracklen, D.V., B. Bonn and K.S. Carslaw (2008): Boreal forests, aerosols and the impacts on clouds and climate, Philosophical Transactions of the Royal Society A 366, 46136-4626
4. Sekundäre Aerosole