Das Pliozän
Das frühe und mittlere Pliozän vor 5-3 Mio. Jahren v.h. ist vor allem deshalb interessant, weil ähnliche Klimaverhältnisse durch die globale Erwärmung in der Zukunft erwartet werden.
Inhaltsverzeichnis
Ein Blick zurück in die Zukunft
Das Pliozän war die letzte warme Klimaperiode vor Beginn des Eiszeitalters. Ozeane und Kontinente lagen schon ungefähr in der heutigen Position, und die Tiefenverteilung der Ozeane war ebenfalls der heutigen ähnlich. Anders als von anderen warmen Perioden der Erdgeschichte gibt es vom mittleren (und frühen) Pliozän relativ viele Proxydaten, die passable Schätzungen von Land- und Ozeantemperaturen erlauben.1 Die Untersuchung des Klimas des mittleren Pliozäns ist daher ein Blick zurück in die Zukunft.
Zwischen dem Pliozän und dem möglichen Klima im 21. Jahrhundert durch die globale Erwärmung sind viele Parallelen gezogen worden: die höhere globale Mitteltemperatur gegenüber dem vorindustriellen Wert, die polare Verstärkung der höheren Temperatur, Veränderungen der Niederschläge und der Sturmbahnen der mittleren Breiten, die höhere Hurrikan-Intensität und El-Niño-ähnliche Zustände im Pazifik.2
Modelluntersuchungen
In den letzten Jahren wurden daher zahlreiche Modelluntersuchungen durchgeführt, um von dem Klimasystem des mittleren Pliozäns ein Gesamtbild zu zeichnen und gleichzeitig die Modelle daraufhin zu testen, wie gut sie in der Lage sind, ein Klimasystem zu simulieren, das von den heutigen Verhältnissen deutlich abweicht.3 Zugleich sollen solche Modellexperimente dazu dienen, über die Modellierung eines vergangenen warmen Klimas Kenntnisse über das zukünftige Klima zu gewinnen.4
Die Warm- und Kaltzeiten des Eiszeitalter bieten dafür keinen geeigneten Vergleich, da der Kohlendioxid-Gehalt deutlich geringer und die Temperaturen auch in den Warmzeiten niedriger waren, als sie für die nächsten ca. 100 Jahre erwartet werden. Geeigneter erscheint die davor liegende Zeit des mittleren Pliozän um ca. 3 Mio Jahre vh., das einerseits ein ähnliches Klima besaß, wie es durch die globale Erwärmung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts erwartet wird, und von dem andererseits hinreichend Proxydaten existieren.4
Das Klima des Pliozän
Abb. 1: Abweichung der globalen Mitteltemperatur im mittleren Pliozän gegenüber dem vorindustriellen KlimaB1
Verschiedene Proxydaten aus dem Atlantik und Pazifik deuten darauf hin, dass im frühen Pliozän der C02-Gehalt der Atmosphäre ungefähr dem heutigen von ca. 400 ppm entsprach, und der im mittleren Pliozän bei ungefähr 360 ppm lag. Dennoch waren die globalen Mitteltemperaturen deutlich höher als heute, im frühen Pliozän um 4 °C und im mittleren Pliozän um 2-3 °C über den vorindustriellen Werten. Und der Meeresspiegel lag um etwa 20 m höher als gegenwärtig.4a
Das Klima des frühen Pliozän
Für das frühe Pliozän (4-5 Mio. Jahre vh.) liegen vor allem Ozeandaten vor. Danach waren die Meeresoberflächentemperaturen in den Tropen mit 29 °C ähnlich hoch wie im vorindustriellen Klima, wobei der tropische warme Ozean sowohl nach Norden wie nach Süden wesentlich weiter polwärts reichte. Die Unterschiede der Ozeantemperaturen zwischen den verschiedenen Breiten waren im Pliozän deutlich geringer und die Temperaturdifferenzen zwischen den beiden Hemisphären geringer als heute.1
Anders als in der Gegenwart gab es im frühen Pliozän in den tropischen Ozeanen zwei geschlossene Bänder mit häufigen tropischen Zyklonen nördlich und südlich des Äquators. Die Zahl der tropischen Wirbelstürme war mindestens doppelt so hoch wie heute.5
Das Klima des mittleren Pliozän
Abb. 2: Der Grönländische Eisschild im Mittleren PliozänB2
Besser erforscht als das frühe ist sowohl durch Proxydaten wie durch Modellberechnungen das mittlere Pliozän, das von 3,3 bis 3,0 Mio Jahre vh. reichte. Es war die letzte warme Klimaperiode vor Beginn des Eiszeitalters. Die Erforschung des mittleren Pliozän ist Gegenstand des internationalen Pliocene Model Intercomparison Project (PlioMIP).6 Die Konzentration von Kohlendioxid betrug 350-450 ppm, also ähnlich wie aktuell.9 Die globale Mitteltemperatur lag etwa um 3 °C über den vorindustriellen Werten. Modellergebnisse zeigen eine 2,0 bis 3,6 °C höhere Temperatur, wobei auf dem Land die Temperaturen mit 2,1-5,1 °C deutlich höher über den vorindustriellen Werten lagen als über dem Ozean mit 1,5-3,2 °C. In den höheren Breiten war es sogar um 15-20 °C wärmer als gegenwärtig,3 während der Unterschied in den Tropen nur 2 °C betrug.7 Der hydrologische Zyklus war intensiver als in der Gegenwart. Es gab höhere Niederschläge polwärts von 50° N und S, in den Subtropen dagegen geringere Niederschläge.8 Die höheren Temperaturen führten zu einem weitreichenden Abschmelzen Grönlands und des Westantarktischen Eisschilds sowie mariner Teile des Ostantarktischen Eisschilds. Die Folge war ein Meeresspiegelanstieg von bis zu 20 m gegenüber heute.9
Das Pliozän und das Klima der Zukunft
Der CO2-Gehalt des mittleren Pliozäns von 360 ppm wurde bereits in den 1990er Jahren überschritten. Der maximale CO2-Wert von ca. 420 ppm wird bei Beibehaltung der gegenwärtigen Steigerungsrate von 2,5 ppm/Jahr in 4-5 Jahren (2024-2025) übertroffen werden.4a Bis das Klima sich diesem CO2-Wert angepasst hat, wird es jedoch Jahre bis Jahrzehnte dauern. Und bis der Meeresspiegel das um ca. 20 m höhere Niveau erreicht haben wird, können noch Jahrhunderte bis Jahrtausende vergehen, da das hauptsächlich vom Abschmelzen der großen Eisschilde auf Grönland (s. Abb. 2) und der Antarktis abhängt.
Trotz vieler Ähnlichkeiten, die zwischen dem Klima des Pliozän und den Modellprojektionen für zukünftige Klimabedingungen durch die globale Erwärmung bestehen, sind Zweifel an diesen Parallelen angebracht: Die Kontinente hatten möglicherweise noch nicht dieselbe Topographie. So war die Heraushebung der Anden und der Rocky Mountains noch nicht abgeschlossen. Klimamodellsimulationen zeigen, dass eine um 50 % niedrigere Höhe der Rocky Mountains für große Teile der Nordhalbkugel wärmere Temperaturen bedeuten würde.2 Außerdem zeigten einige ozeanische Passagen (z.B. die Beringstraße, der Grönland-Schottland-Rücken, die Mittelamerikanische Landbrücke) nicht dasselbe Aussehen wie heute. Besonders die Schließung der Mittelamerikanischen Landbrücke, deren genauer Zeitpunkt immer noch Gegenstand der Forschung ist, hatte große Auswirkungen auf das nordatlantische Klima. So ist dadurch erst die atlantische meridionale Umwälzzirkulation (MOC) in ihrer heutigen Form entstanden, und einige Forscher sehen darin sogar einen entscheidenden Faktor für den Beginn des Eiszeitalters.
Anmerkungen:
1. Fedorov, V., C. M. Brierley, K. T. Lawrence, Z. Liu, P. S. Dekens & A. C. Ravelo (2013): Patterns and mechanisms of early Pliocene warmth, Nature 496, 43-52
2. Haywood, A.L., et al. (2011): Are there pre-Quaternary geological analogues for a future greenhouse warming?, Philosophical Transactions of the Royal Society 369, 933-956
3. Rosenbloom,N.A., B. L. Otto-Bliesner, E. C. Brady, and P. J. Lawrence (2013): Simulating the mid-Pliocene Warm Period with the CCSM4 model, Geoscientific Model Development 6, 549–561, 2013
4. Lunt, D.J., et al. (2010): Earth system sensitivity inferred from Pliocene modelling and data, Nature Geoscience 3, DOI: 10.1038/NGEO706
4.a de la Vega, E., Chalk, T.B., Wilson, P.A. et al. (2020): Atmospheric CO2 during the Mid-Piacenzian Warm Period and the M2 glaciation. Scientific Reports 10, 11002. https://doi.org/10.1038/s41598-020-67154-8
5. Fedorov, A.V., C.M. Brierley & K. Emanuel (2010): Tropical cyclones and permanent El Niño in the early Pliocene epoch, Nature 463, 1066-1071
6. PlioMIP
7. Haywood, A.M., et al. (2013): Large-scale features of Pliocene climate: results from the Pliocene Model Intercomparison Project, Climate of the Past, 9, 191–209
8. Stepanek, C., and G. Lohmann (2012): Modelling mid-Pliocene climate with COSMOS, Geoscientific Model Development, 5, 1221–1243
9. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 5.2.2.2 und Box 5.1
Bildquellen:
B1. N. A. Rosenbloom, B. L. Otto-Bliesner, E. C. Brady, and P. J. Lawrence (2013): Simulating the mid-PlioceneWarm Period with the CCSM4 model, Geoscientific Model Development 6, 549–561, doi:10.5194/gmd-6-549-2013 ; Lizenz: CC BY-NC-SA
B2. Dolan, A. M., Hunter, S. J., Hill, D. J., Haywood, A. M., Koenig, S. J., Otto-Bliesner, B. L., Abe-Ouchi, A., Bragg, F., Chan, W.-L., Chandler, M. A., Contoux, C., Jost, A., Kamae, Y., Lohmann, G., Lunt, D. J., Ramstein, G., Rosenbloom, N. A., Sohl, L., Stepanek, C., Ueda, H., Yan, Q., and Zhang, Z. (2015): Using results from the PlioMIP ensemble to investigate the Greenland Ice Sheet during the mid-Pliocene Warm Period, Clim. Past, 11, 403-424, https://doi.org/10.5194/cp-11-403-2015 ; Lizenz: CC BY