Quelle: Dieter Kasang
Das Quartär (Eiszeitalter)
Das Quartär ist das jüngste Eiszeitalter und die jüngste Epoche der Erdgeschichte. Es begann vor 2,6 (oder 2,7) Millionen Jahren und dauert bis in die Gegenwart an.
Eiszeitalter gab es auch in früheren Epochen der Erdgeschichte, z.B. im Paläozoikum vor rund 300 Millionen Jahren oder im Proterozoikum vor 600 bis 700 Millionen Jahren. Das gegenwärtige Eiszeitalter wird in der Fachsprache als Quartär bezeichnet und in das Pleistozän (das eigentliche Eiszeitalter) und das Holozän (die Nacheiszeit) untergliedert. Es ist die jüngste Phase des Känozoikums, der Erdneuzeit. Die jüngste Vereisung der Erde setzte allerdings bereits sehr viel früher als das gegenwärtige Eiszeitalter ein. Bereits ca. 35 Mill. Jahre vor heute bildete sich der antarktische Eisschild. Erst mit der Vereisung auch der Arktis um etwa 2,6 Mill. Jahre v.h. begann dann das Quartär.
Zusammen mit anderen Eiszeitaltern der Erdgeschichte zeichnet sich das Quartär dadurch aus, dass um beide Pole herum größere Eisschilde zu finden sind. Diese Eismassen stießen vor allem auf der Nordhalbkugel in den Kaltzeiten weit nach Süden vor und banden so viel Wasser, dass sich der Meeresspiegel um 100 m und mehr gegenüber den Warmzeiten senkte. So lag der Meeresspiegel im Letzten Glazialen Maximum (LGM) vor etwa 20 000 Jahren um 130 m niedriger als heute, woraus sich ableiten lässt, dass das gesamte globale Eisvolumen um 50 Millionen km3 größer als das gegenwärtige war.
Abb. 1: Änderungen der atmosphärischen CO2-Konzentration in den letzten 640 000 Jahren sowie Schwankungen von Deuterium als Proxy (Stellvertreterdaten) für Temperatur nach Eisbohrkernmessungen in der Antarktis.1
Während des gegenwärtigen Eiszeitalters (wahrscheinlich trifft das auch für frühere Eiszeitalter zu) wechseln sich warme und kalte Phasen in einem Zyklus von ungefähr 100 000 Jahren ab. Das Quartär umfasste über 20 Kalt-/Warmzeit-Zyklen, wobei die Amplitude der früheren Zyklen wahrscheinlich geringer war als die der späteren. Dem Holozän der Gegenwart ging vor ungefähr 130 000 bis 116 000 Jahren das Eem und vor etwa 230 000 Jahren die Holstein-Warmzeit voraus. Das Eem dauerte von 130 000 bis 115 000 Jahre v.h. und war um etwa 2 °C wärmer als das Holozän. Vor allem die Winter waren offensichtlich wesentlich milder. Die Warmzeiten dauerten zwischen 10 000 und 30 000 Jahren.2 Dazwischen lagen verschiedene Kaltzeiten wie die Weichsel-, die Saale- oder die Elster-Kaltzeit (Bennungen nach der norddeutschen Nomenklatur).
Abb. 2: Temperaturabweichungen 128 000 bis 125 000 v.h. im Vergleich zur vorindustriellen Zeit nach 16 Modellsimulationen.2a
Von den letzten Warmzeiten ist das Klima des letzten Interglazials, des Eem, am besten durch Daten und Modellstudien belegt. Während die Treibhausgaskonzentrationen im Eem ähnlich wie in der vorindustriellen Zeit waren, wichen die Erdbahnparameter deutlich ab. Die jahreszeitlichen und breitenbedingten Schwankungen der Einstrahlung waren im Eem größer und die Einstrahlung in den hohen Breiten stärker und in den niederen Breiten schwächer im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. In Nordostsibirien nahe der arktischen Küste waren vor ca. 128 000 Jahren nach Proxydaten die Temperaturen um 10 °C höher als im späten Holozän, auf Grönland ca. 126 000 Jahren um 8 °C höher. Auch die Ostantarktis war um einige Grad wärmer. Insgesamt wird auf der Grundlage von Daten das Eem um 1-2 °C wärmer als die vorindustrielle Epoche eingeschätzt. Modellsimulationen zeigen dagegen in den höheren Breiten im Eem etwas weniger wärmere Temperaturen.3
Bei einem Vergleich zwischen der aktuellen Warmzeit und der letzten Kaltzeit fällt auf, dass es in der Kaltzeit starke Temperaturschwankungen gab, die für das Holozän unbekannt sind. Es gab relativ warme Perioden, die sogenannten Dansgaard-Oeschger-Zyklen, und besonders kalte Perioden, die sogenannten Heinrich-Events. Diese Ereignisse waren auf den Nordatlantikraum konzentriert, während auf der Südhalbkugel jeweils umgekehrte Verhältnisse herrschten. Als Ursache wird eine Verstärkung bzw. ein Aussetzen der kaltzeitlichen thermohalinen Zirkulation angenommen, bedingt durch die Verringerung bzw. Verstärkung der Frischwasserzufuhr von den Eisschilden der Nordhalbkugel (Näheres s. Abrupte Klimaänderungen). Auch das Ende der letzten Kaltzeit war von heftigen Klimaschwankungen begleitet, der warmen Alleröd- und der kalten Jüngeren Dryas-Phase.
Ursachen: Kalt- und Warmzeiten
Die grundlegende Ursache für die verhältnismäßig regelmäßigen Schwankungen zwischen Kalt- und Warmzeiten im Quartär wird in der Variabilität der Erdbahnparameter gesehen. Diese Erklärung wird nach dem Pionier der Erforschung des orbitalen Antriebs auch als Milankovitch-Theorie bezeichnet. Sie besagt, dass sich die Erde nicht gleichmäßig wie ein Uhrwerk um die Sonne bewegt, sondern aufgrund der Anziehungskraft durch andere Planeten quasi regelmäßige Abweichungen davon aufweist, die verschiedenen Zeitskalen folgen und sich vorausberechnen lassen. Es gibt zum einen die Abweichung der elliptischen Erdbahn von der Kreisbahn, die Exzentrizität, dann die Variation in der Neigung der Erdachse gegen die Erdbahnebene, die Obliquität, und schließlich die Präzession, eine Art Pendelbewegung der Achse der Erde. In der Summe kommt es zu komplizierten Überlagerungen und Abhängigkeiten der einzelnen Effekte.
Abb. 2: Die wichtigsten Erdbahnparameter und ihre Zyklen in den letzten 1000 Millionen Jahren.4
Entscheidend ist dabei, wie viel Sonnenstrahlung die Kontinente der Nordhalbkugel im Sommer erhalten: Fällt sie unter einen kritischen Wert, schmilzt der Schnee des letzten Winters nicht mehr ab, im nächsten Winter fällt darauf neuer Schnee und allmählich entsteht ein Eisschild. Günstige Bedingungen für warme Sommer auf der Nordhalbkugel liegen in folgenden Fällen vor:
1. Die Erde befindet sich auf ihrer elliptischen Bahn im Nordsommer deutlich näher zur Sonne als im Nordwinter (Exzentrizität).
2. Die Erdachse ist relativ stark geneigt (Obliquität), und zwar gerade im Nordsommer zur Sonne hin (Präzession).
Die nächste stärkere Reduzierung der solaren Einstrahlung auf die Nordhalbkugel im Sommer beginnt in 30 000 Jahren.
Abb. 3: Bedingungen für Kaltzeit und Warmzeit in Abhängigkeit von den Erdbahnparametern5
Die Unterschiede in der Sonneneinstrahlung durch die Schwankungen der Erdbahnparameter sind jedoch viel zu schwach, um das ganze Ausmaß der Temperaturunterschiede zwischen Kalt- und Warmzeiten zu erklären. Tatsächlich lässt sich aus ihnen nur ein Temperaturunterschied von höchstens 0,5 °C ableiten, während der tatsächliche Unterschied typischerweise bei 5 °C lag. Es muss also Prozesse im Klimasystem selbst gegeben haben, die durch positive Rückkopplungen den solaren Antrieb wesentlich verstärkt haben. Diese werden heute in zwei Faktoren gesehen:
1. in der Albedo, vor allem der Eis-Albedo,
2. in den Treibhausgasen der Atmosphäre, vor allem dem Kohlendioxid.6
Abb. 4: Strahlungsantrieb durch die Sonneneinstrahlung in den letzten 400 000 Jahren, bedingt durch Änderungen der Erdbahnparameter.7
Bei einer Abkühlung durch verminderte solare Strahlung, die orbital verursacht ist, wachsen die Eis- und Schneeflächen. Die Folge ist eine verstärkte Reflexion der Sonneneinstrahlung, die eine weitere Abkühlung und ein weiteres Wachsen der Eis- und Schneeflächen zur Folge haben usw. Auch die Vegetation spielt dabei eine, wenn auch geringere Rolle. In einem kälteren Klima gehen die Vegetationsflächen zurück, wodurch ebenfalls die solare Einstrahlung stärker reflektiert wird. Durch die Albedo-Rückkopplung lassen sich etwa 2,5 °C der Temperaturdifferenz zwischen Kalt und Warmzeiten erklären.
Abb. 5: Der Strahlungsantrieb von Treibhausgasen und Albedo im Letzten Glazialen Maximum (LGM) im Vergleich zu heute8
Die Treibhausgase spielen eine ähnliche Rolle wie die Albedo. Sie stehen für ca. 2 °C des Temperaturunterschieds. Warum ist das so? In den Kaltzeiten lag der CO2-Gehalt bei 190 ppm (heute 385 ppm), in den Warmzeiten bei 280 ppm. Der Grund liegt vor allem in der Aufnahmekapazität des Ozeans, der bei einer Abkühlung der Atmosphäre CO2 entzieht und bei einer Erwärmung CO2 an sie abgibt. Auch hier spielt sich über die Landvegetation eine sekundäre Rückkopplung ab. Die verminderte Vegetation in Kaltzeiten kann weniger Kohlendioxid speichern als eine üppige Vegetationsdecke in Warmzeiten. Neben Kohlendioxid spielen dabei auch andere Treibhausgase eine Rolle. CO2 steht allerdings für 75% des Antriebs durch Treibhausgase, Methan für 14% und Distickstoffoxid für 11%.9
Die verzögerte Aufnahme bzw. Abgabe des sich abkühlenden bzw. erwärmenden Ozeans hat zur Folge, dass sich in den Daten der Eisbohrkern zunächst eine Temperaturab- bzw. -zunahme zeigt und erst nach einigen Hundert Jahren auch ein Anstieg des Kohlendioxids.9a Von Klimaskeptikern ist dieses Phänomen als Argument dafür benutzt worden, dass Kohlendioxid für Klimaänderungen keine Rolle spiele. Übersehen wird dabei, dass die orbital bedingten Temperaturschwankungen nur für einen anfänglichen kleinen Teil des Gesamtunterschiedes zwischen Kalt- und Warmzeiten verantwortlich sind, der als Ganzes nur durch die oben beschriebenen Rückkopplungsprozesse erklärt werden kann. Auch die Klimaentwicklung im gesamten Känozoikum zeigt, dass Klimaänderungen ganz entscheidend durch Kohlendioxid beeinflusst werden.
Der Beginn des Eiszeitalters
Die Erde hat sich auch vor Beginn des Eiszeitalters schon mit ähnlichen Schwankungen um die Sonne bewegt. Warum hat dann aber das gegenwärtige Eiszeitalter erst vor 2,7 Mill. Jahren eingesetzt? Dafür werden vor allem zwei Ursachen diskutiert. Die wichtigste ist die veränderte atmosphärische Zusammensetzung der Atmosphäre seit dem frühen Känozoikum. Am Beginn des Känozoikums lag der CO2-Gehalt im Mittel bei 1000 ppm (ein Wert, der nach dem extremen IPCC-Szenario A1Fl bis zum Jahr 2100 erreicht werden könnte). Vor 10-20 Millionen Jahren v.h. war dieser Wert auf 350-400 ppm gesunken und ging dann zwischen 5 und 2 Mio. Jahren auf weniger als 300 ppm zurück.10 Die letzte Absenkung des Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre hatte eine Abkühlung auf Grönland um 2-3 °C zur Folge. Durch große Gebirgsbildungsprozesse, vor allem die Aufwölbung des Himalayas und des tibetanischen Plateaus, wurde ab etwa 36 Millionen Jahre v.h. Kohlendioxid bei Verwitterungsprozessen in hohen Maßen aus der Atmosphäre gebunden und der CO2-Gehalt auf unter 500 ppm gesenkt. Damit begann eine tendenzielle Abkühlung, die zunächst die Bildung des antarktischen Eisschildes einleitete.
Der Beginn der Vereisung der Nordhemisphäre ist noch nicht geklärt und muss wahrscheinlich auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden. Eine Theorie macht die Entstehung der nordatlantischen meridionalen Zirkulation zu Beginn des Pleistozän dafür verantwortlich.10 Die Schließung der mittelamerikanischen Landbrücke, die bereits vor 13 Millionen Jahre begann, war hiernach vor 2,7 Millionen Jahren nahezu beendet. Das ozeanische Strömungssystem, das bis dahin zwischen den beiden amerikanischen Kontinenten den Atlantik mit dem Pazifik verband, organisierte sich neu und nahm das heutige Aussehen im Nordatlantik an. Dadurch wurde wie in der Gegenwart warmes und salzreiches Wasser weit nach Norden transportiert, die Verdunstung in den höheren nördlichen Breiten verstärkt und Wasserdampf zunehmend über die großen Landmassen transportiert. Damit war genügend Feuchtigkeit in der Atmosphäre zur Bildung von großen Eismassen vorhanden. Die verminderte Sonneneinstrahlung der nächsten "kühlen" Phase der Milankovitch-Zyklen sorgte dann dafür, dass der Niederschlag als Schnee auf die Landflächen der höheren Breiten fiel und auch im Sommer liegen blieb. Und als Folge entwickelten sich die ersten großen Eisschilde auf der Nordhalbkugel, und der Beginn des Pleistozäns war eingeleitet.
Wahrscheinlich lässt sich der Beginn des Eiszeitalters jedoch nicht auf einen einzigen tektonischen Vorgang zurückführen.11 Den Daten nach geschah der Übergang ins Eiszeitalter allmählich. Daran waren sowohl tropische wie außertropische Ereignisse beteiligt wie Änderungen beim tropischen Auftriebswasser, Änderungen der Eisalbedo, der Monsunstärke und der ozeanischen Zirkulation.
Anmerkungen:
1. Eigene Darstellung nach IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Technical Summary, Figure TS.1
2. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 6.4.1.5
2.a Quelle: IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Figure 5.6; IPCC-Lizenz: Reproduction of limited number of figures or short excerpts of IPCC material is authorized free of charge and without formal written permission provided that the original source is properly acknowledged, with mention of the complete name of the report, the publisher and the numbering of the page(s) or the figure(s). Permission can only be granted to use the material exactly as it is in the report. Please be aware that figures cannot be altered in any way, including the full legend.
3. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 5.3.4
4. Eigene Darstellung nach Zachos, J., M. Pagani, L. Sloan, E. Thomas and K. Billups (2001): Trends, Rhythms, and Aberrations in Global Climate 65 Ma to Present, Science 292, 686-693
5. Quelle: Dirk Notz, Max-Planck-Institut für Meteorologie
6. Hansen, J. et al. (2008): Target Atmospheric CO2: Where Should Humanity Aim?
7. Eigene Darstellung nach Hansen, J. et al. (2008): Target Atmospheric CO2: Where Should Humanity Aim?
8. Eigene Darstellung nach Hansen, J. et al. (2008): Target Atmospheric CO2: Where Should Humanity Aim?
9. Hansen, J. et al. (2008): Target Atmospheric CO2: Where Should Humanity Aim?
9a. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 6.4.1
10. Haug, G., R. Tiedemann und R. Zahn (2002): Vom Panama-Isthmus zum Grönlandeis, Spektrum der Wissenschaft Dossier 1/2002, 50-52; Driscoll, N.W. and G.H. Haug (1998): A Short Circuit in Thermohaline Circulation: A Cause for Northern Hemisphere Glaciation?, Science 282, 436-438; Haug, G.H. and R. Tiedemann (1998): Effect of the formation of the Isthmus of Panama on Atlantic Ocean thermohaline circulation, Nature 393, 673-676
11. Ravelo, A.C. et al. (2004): Regional climate shifts caused by gradual global cooling in the Pliocene epoch, Nature 429, 263-267