Rossby- und Kelvinwellen oder der "Delayed Oscillator"
Rossby/Kelvin
Eine Weiterentwicklung der Wasserstau-These von Wyrtki stellt die Delayed-Oscillator-Theorie dar, die den Wassertransport differenzierter erklären konnte und weithin Anerkennung fand. Die englische Bezeichnung drückt aus, dass es sich um einen Prozess handelt, bei dem zeitlich verzögerte Signale eine Rolle spielen. Der Wassertransport wird nicht wie bei Wyrtki als einfache Schaukel gesehen, sondern als ein Mechanismus, der durch zwei unterschiedliche ozeanische Wellen bestimmt wird, die schnelle, entlang des Äquators von West nach Ost wandernde Kelvinwelle, die faktisch auch den Wassertransport bei Wyrtki begleitet, und die langsame, nördlich und südlich des Äquators von Ost nach West wandernde Rossbywelle. Durch beide Wellen wird warmes und kaltes Wasser zonal transportiert. Die Kelvinwellen bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von 2-3 m/sec ostwärts und brauchen für die Überquerung des pazifischen Beckens etwa zwei Monate, die Rossbywellen mit 0,6-0,8 m/sec westwärts und benötigen 1-2 Jahre vom Ost- zum Westrand des Pazifiks.
Abb. 1: Schematische Darstellung des "delayed oscillator". Dargestellt sind verschiedene Phasen des ENSO-Zyklus.1
Bei einer angenommenen Abschwächung der Passate im Ostpazifik wird der Auftrieb von kaltem Wasser vor der südamerikanischen Küste abgeschwächt und damit der Temperaturunterschied zwischen Ost- und Westpazifik verringert. Der verminderte Wind löst Kelvinwellen im Westpazifik aus, die Richtung Südamerika warmes Wasser transportieren, hier die Thermokline absenken und den Auftrieb unterdrücken und somit einen El Niño auslösen. Das warme Wasser wird entlang der Küste nach Norden und Süden abgelenkt, kühlt sich ab und wird von Rossbywellen nach Westen transportiert. Am Westrand des Pazifik werden diese Rossbywellen als Kelvinwellen reflektiert und transportieren jetzt relativ kaltes Wasser nach Osten, wodurch eine La Niña ausgelöst wird. Der Abstand zwischen einer El-Niño- und einer La Niña-Phase wird durch die Zeit bestimmt, die die Wellen für die Überquerung des Pazifik brauchen.
Der Delayed Oscillator ist ein stark vereinfachtes Modell, das mit einigen der beobachteten Eigenschaften von ENSO übereinstimmt, aber z.B. nicht die eher unregelmäßige Abfolge von Warm- und Kaltphasen zu erklären vermag. Klimamodelle, die auf diesem Mechanismus beruhen, zeigen eine sehr regelmäßige Abfolge von El-Niño- und La-Niña-Ereignissen, die nicht vollständig mit der Wirklichkeit übereinstimmt. In Beobachtungsstudien konnte zwar gezeigt werden, dass das Ende eines El Niño konsistent mit der Delayed-Oscillator-Theorie erfolgte, sein Beginn jedoch aus dem Nichts zu kommen schien und nur, kurz bevor die Anomalien offensichtlich waren, vorhergesagt werden konnte.2
Anmerkungen:
1. Eigene Darstellung nach M. Latif (2006): Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen, promet 32, Nr. 3/4, 123-129
2. vgl. Kessler, W.S. (2002): Is ENSO a cycle or a series of events?, Geophysical Research Letters 29, 40-1 bis 40-4