Klimawandel

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Erdsystemmodelle

Der neueste und umfassendste Typ von Klimamodellen sind die sog. Erdsystemmodelle (ESM).


Generationen von Klimamodellen

Bis zum vierten Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC von 2007 waren Atmosphäre-Ozean-Modelle die Standardmodelle. Sie werden auch weiterhin intensiv genutzt. Sie bestehen im Wesentlichen aus Wechselwirkungen von Atmosphäre, Ozean, Landoberfläche und Meereis, die das physikalische Klimasystem repräsentieren. Ihre primäre Funktion ist es, die Prozesse im physikalischen Klimasystem zu verstehen. Sie werden außerdem vielfach für Projektionen möglicher Klimaentwicklungen in der Zukunft verwendet, basierend auf Annahmen zur künftigen Entwicklung der atmosphärischen Konzentration von Treibhausgasen und Aerosolen.1

© MPI/DWD 2017


Abb. 1: Prozesse und Wechselwirkungen in einem ErdsystemmodellB1

Die Ergebnisse des 5. Berichts des IPCC von 2013 basierten schon zu einem großen Teil auf Simulationen mit Erdsystemmodellen, die den damaligen Stand der Entwicklung repräsentierten. Mit Blick auf den 6. IPCC-Bericht ist die Entwicklung inzwischen weiter gegangen. Die Simulationen von Erdsystemmodellen werden vom Coupled Model Intercomparison Project (CMIP) koordiniert, das Teil des Weltklimaforschungsprogramms World Climate Research Programmes (WCRP) ist, das von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) u.a. internationalen Organisationen unterstützt wird. Von CMIP1 und CMIP2 in den 1990er Jahren bis CMIP6 in der Gegenwart unterstützen die Modellprojekte die Berichte des Weltklimarates IPCC. Im Vergleich zu CMIP5, das die Entstehung des 5. Assessment-Reports (AR5) des IPCC begleitete, nimmt an CMIP6, das Modellrechnungen für den 6. Report bereitstellt, der ab 2021 erscheinen soll, eine deutlich größere Anzahl an Forschungsinstituten teil. Dabei stehen drei wissenschaftliche Fragestellungen im Fokus:2

1.      Wie reagiert das Erdsystem auf Änderungen des Antriebs?
2.      Was sind die Ursachen und Folgen systematischer Modell-Abweichungen von der Beobachtung?
3.      Wie kann der künftigen Klimawandel angesichts der internen Klimavariabilität und von   Unsicherheiten in den Szenarien bestimmt werden?

Die inhaltliche Schwerpunkte der aktuellen Modellexperimente von CMIP6 richten sich an den ‚großen wissenschaftlichen Herausforderungen‘ des Weltklimaforschungsprogramms aus.3 Dabei handelt es sich um sieben Themenbereiche, die sowohl wissenschaftliche Aufgaben formulieren als auch gesellschaftlich relevant sind:

1.       Schmelzendes Eis und die globalen Folgen
2.       Wolken, Zirkulation und Klimasensitivität
3.       Kohlenstoff-Rückkopplungen im Klimasystem
4.       Wetter- und Klimaextreme
5.       Wasser für die Nahrungsmittelkörbe der Welt
6.       Regionaler Meeresspiegelanstieg und die Folgen für die Küsten
7.       Kurzfristige Klimavorhersagen

Erdsystemmodelle

Die allgemeinen Zirkulationsmodelle der Atmosphäre und des Ozeans bilden auch den Kern eines Erdsystemmodells. Darüber hinaus beinhalten sie Modelle der Biosphäre und Eisdynamik, sowie Aerosole und chemische Prozesse in der Atmosphäre. Damit werden auch verschiedene biogeochemische Kreisläufe abgebildet, die mit den physikalischen Systemen interagieren. Dazu gehören vor allem der Kohlenstoffkreislauf, der Sulfat- und Ozon-Kreislauf. Auch die Dynamik der Vegetation wird modelliert. Zwar werden Kohlendioxid, Aerosole, Ozon und Vegetation auch in den gekoppelten Atmosphäre-Ozean-Modellen berücksichtigt, aber ohne interaktive Rückkopplungen mit dem physikalischen Klimasystem. Die Einbeziehung dieser Rückkopplungen in die Klimasimulation ist ein wesentlicher Unterschied zwischen einem physikalischen Klimamodell und einem Erdsystemmodell.4

Gelegentlich wird wie in Abb. 1 auch die Anthroposphäre (die durch den Menschen bestimmten Aktivitäten und Veränderungen) als Teil eines Erdsystemmodells betrachtet. Der Gebrauch des Begriffs orientiert sich an der tatsächlichen Modellentwicklung und beschränkte sich lange Zeit auf die interaktive Einbeziehung der biogeochemischen Kreisläufe. Warum schon darin ein wichtiger Fortschritt in der Modellentwicklung liegt, zeigt das Beispiel Kohlendioxid (Abb. 2).

Kohlenstoffkreislauf und Vegetation

Das durch menschliche Tätigkeiten emittierte Kohlendioxid geht in der Natur in einen Kreislauf ein, der auf das physikalische Klimasystem zurückwirkt. Ozean und Landvegetation spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie etwa die Hälfte des anthropogenen CO2 als Netto-Senken aus der Atmosphäre aufnehmen. Ihre Aufnahmekapazität verändert sich jedoch unter dem Einfluss des durch das CO2 hervorgerufenen Klimawandels. Das in der Atmosphäre verbleibende CO2 erhöht die Temperatur der Atmosphäre und als Folge auch des Ozeans, verändert den Niederschlag und fördert die Photosynthese der Pflanzen, wodurch die Senken-Funktion von Landvegetation und Ozean erheblich beeinflusst wird. Ein wärmerer Ozean kann weniger CO2 aufnehmen. D.h. mehr Kohlendioxid verbleibt in der Atmosphäre, die dadurch wärmer wird, was wiederum die Temperatur des Ozeans erhöht, der dadurch noch weniger Kohlendioxid aufnehmen kann usw. – ein positiver Rückkopplungsprozess. Pflanzen werden durch mehr CO2 in ihrem Wachstum zwar gefördert und können dadurch mehr Photosynthese betreiben. Gleichzeitig können verringerte Niederschläge in bestimmten Regionen der Erde das Pflanzenwachstum einschränken, wodurch weniger CO2 aufgenommen wird. Und die höheren Temperaturen führen zu einer Verstärkung der Zersetzung von organischem Material und damit zu einer höheren CO2-Freisetzung. Diese Rückkopplungsmechanismen in ein Modell einzubeziehen und in Projektionen zur zukünftigen Klimaentwicklung zu integrieren macht die besondere Qualität von Erdsystemmodellen gegenüber früheren Ozean-Atmosphäre-Modellen aus.

© Dieter Kasang nach IPCC 2013


Abb. 2: Erdsystemmodell mit KohlenstoffkreislaufB2

In den Modellrechnungen zum 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates wurde allgemein die Kohlenstoffaufnahme auf dem Land überschätzt, da die Verfügbarkeit von Stickstoff weitgehend unberücksichtigt blieb.5 Neuere Erdsystemmodelle beziehen den terrestrischen Stickstoff-Zyklus und seine Kopplung mit dem Kohlenstoff-Zyklus auf dem Land mit ein. Das reduziert allgemein die Reaktion der Nettoprimärproduktion und der Kohlenstoffspeicherung auf eine höhere atmosphärische CO2-Konzentration aufgrund einer zunehmenden Begrenzung von Stickstoffverfügbarkeit. Die Verbesserung wird auch erreicht durch eine Darstellung der Biogeochemie des Bodens in mehreren Schichten und nicht wie früher nur in einer einzigen Schicht. Es wird damit gerechnet, dass damit auch eine verbesserte Simulation der Dynamik von Kohlenstoff im Permafrost erreicht werden kann.6

Am Beispiel des Kohlenstoff-Kreislaufs ist deutlich geworden, dass auch die Vegetation mit dem physikalischen Klimasystem interagiert. Erdsystemmodelle besitzen daher auch ein interaktives Vegetationsmodell. Die Vegetation ist nicht nur eine wichtige Kohlenstoffsenke, sie beeinflusst durch ihre Albedo auch direkt die Energiebilanz der Erdoberfläche und steuert den Austausch von Wasser mit der Atmosphäre sowie dessen Abfluss in Flüsse und Ströme. Veränderungen der Vegetationsdecke, z.B. eine nordwärts Verschiebung der borealen Wälder, hat daher wichtige biogeophysikalische Rückkopplungen mit dem physikalischen Klimasystem zur Folge. Daher sind verschiedene dynamische globale Vegetationsmodelle entwickelt und in Erdsystemmodelle integriert worden. Auch die Wechselwirkung mit den durch den Klimawandel wahrscheinlich zunehmenden Waldbränden mit dem Klimasystem wurden von Erdsystemmodellen berücksichtigt.

Interaktive Eisschilde

Eine weitere wichtige interaktive Integration in die neuen Erdsystemmodelle ist die von Eisschilden.7 Eisschilde werden zunehmend bedeutender für den weiteren künftigen Meeresspiegelanstieg und sind zugleich dessen am wenigsten quantitativ bestimmbare Ursache. Der Anteil von Eisschilden zum künftigen Meeresspiegelanstieg wurde bisher durch separate Modellstudien erfasst und nicht mit der künftigen Klimaänderung gekoppelt. Jüngere Beobachtungen zeigen jedoch, dass Eisschilde durch dynamische Prozesse, die mit der Klimaentwicklung in Wechselwirkung stehen, schneller an Masse verlieren als in bisherigen Modellstudien angenommen. Dabei geht es um Prozesse wie das Eis-Höhenfeedback: Eisschilde verlieren z.B. in einem wärmeren Klima durch Schmelzprozesse an Höhe, wodurch ihre Oberfläche in wärmere Atmosphärenschichten gerät, was wiederum das Abschmelzen des Eises verstärkt. Oder es geht um die Eis-Albedo-Rückkopplung, bei der der Verlust an Eis dunklere Landflächen freilegt, wodurch die Albedo herabgesetzt wird, was zu weiterer Erwärmung und verstärkter Eisschmelze führt. Das Schmelzwasser der Eisschilde kann außerdem die Dichte von Meerwasser beeinflussen und etwa die nordatlantische Umwälzzirkulation abschwächen. Durch solche Prozesse wird das Abschmelzen von Eismassen durch Rückkopplung mit dem übrigen Klimasystem beschleunigt oder (wie im letzten Beispiel) verlangsamt und damit der Meeresspiegelanstieg entscheidend beeinflusst, was wiederum Folgen für tief liegende Küstengebiete weltweit hat.

Zielsetzung

Ziel der Erdsystemmodellierung ist es, möglichst alle Wechselwirkungen wichtiger geophysikalischer und geochemischer Prozesse im Klimasystem modellieren zu können, unter Einbindung von Atmosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre (die Ozeane und alle Gewässer), Kryosphäre (Eis und Schnee) und sogar der Anthroposphäre mit ihren Treibhausgasemissionen.

Angestrebt wird also die Entwicklung eines "System-Erde-Modells", das möglichst alle Komponenten des Klimasystems einschließlich ihrer Rückkopplungen und der externen Störungen simuliert. Ein solches Erdsystemmodell, das enorm viel Rechenkapazität erfordert, könnte künftig auch die Rückwirkungen auf die menschliche Gesellschaft darstellen.

Anmerkungen:
1. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 9.1.2.1
2. Stouffer, R. J., Eyring, V., Meehl, G. A., Bony, S., Senior, C., Stevens, B., & Taylor, K. E. (2017): CMIP5 scientific gaps and recommendations for CMIP6. Bulletin Of The American Meteorological Society, 98, 95-105. doi:10.1175/BAMS-D-15-00013.1
3. WCRP Grand Challenges, https://www.wcrp-climate.org/grand-challenges/grand-challenges-overview
4. Flato, G. (2011): Earth system models: an overview, WIREs Climate Change 2, 783–800. doi: 10.1002/wcc.148
5. Jones, C. D., Arora, V., Friedlingstein, P., Bopp, L., Brovkin, V., Dunne, J., Graven, H., Hoffman, F., Ilyina, T., John, J. G., Jung, M., Kawamiya, M., Koven, C., Pongratz, J., Raddatz, T., Randerson, J. T. and Zaehle, S. (2016): C4MIP - The Coupled Climate-Carbon Cycle Model Intercomparison Project: experimental protocol for CMIP6, Geosci. Model Dev., 9(8), 2853–2880, doi:10.5194/gmd-9-2853-2016
6. Mauritsen, T., Bader, J., Becker, T., Behrens, J., Bittner, M., Brokopf, R., et al. (2019). Developments in the MPI-M Earth System Model version 1.2 (MPI-ESM1.2) and its response to increasing CO2. Journal of Advances in Modeling Earth Systems, 11, 998–1038. https://doi.org/10.1029/2018MS001400
7. Nowicki, S. M. J., Payne, A., Larour, E., Seroussi, H., Goelzer, H., Lipscomb, W., Gregory, J., Abe-Ouchi, A., and Shepherd, A. (2016): Ice Sheet Model Intercomparison Project (ISMIP6) contribution to CMIP6, Geosci. Model Dev., 9, 4521–4545, https://doi.org/10.5194/gmd-9-4521-2016

Bildquellen:
B1. Quelle: DWD (2017): Nationaler Klimareport; Lizenz: CC BY-NC-ND  
B2. Eigene Darstellung (Dieter Kasang) nach IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Box 6.4, Figure 1