Quelle: Dieter Kasang
Mittelalterliche Warmzeit
Als mittelalterliche Warmzeit wird ungefähr der Zeitraum zwischen 950 und 1250 n. Chr. bezeichnet, in dem auf der Nordhemisphäre überdurchschnittlich hohe Temperaturen herrschten, besonders im Vergleich zur anschließenden.
Inhaltsverzeichnis
Klimaverhältnisse
Die mittelalterliche Warmzeit zeichnet sich durch besonders hohe durchschnittliche Temperaturen im Vergleich zu vorangegangenen und folgenden Jahrhunderten aus. Das gilt allerdings nur für die Nordhemisphäre, denn auf der Südhemisphäre herrschten zu dieser Zeit eher unterdurchschnittliche Temperaturen und die Eisbedeckung war besonders groß.3)
Die durchschnittliche Temperatur auf der Nordhemisphäre nahm ab 800 zunächst kontinuierlich zu und erreichte etwa zwischen 1000 und 1100 n.Chr. die höchsten Werte (siehe Abb. 1).1) Im Vergleich zu der mittleren Temperatur der Zeit von 1000 bis 1800 n. Chr. war es 1,5-2°C wärmer und im Vergleich zu 1880-1960 etwa 0,6°C wärmer.4) Die mittelalterliche Warmzeit war aber deutlich kälter als die letzten 30 Jahre unserer Zeit (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Rekonstruierte Temperaturänderungen der letzten 1300 Jahre nach Proxydaten (Baumringe, Eisbohrkerne, Sedimente, Korallen u.a.) sowie instrumentellen Messungen: Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ist sehr wahrscheinlich die wärmsten Klimaperiode seit 1300 Jahren und das letzte Jahrzehnt das wärmste in dieser Zeit.B1
Die räumliche Ausbreitung der Temperaturabweichung war jedoch nicht gleichmäßig und es gab regional starke Unterschiede.4) Besonders von der Erwärmung betroffen waren Gebiete in den hohen Breiten (Nordatlantik, Südgrönland, eurasische Arktis, Teile Nordamerikas).7) Mildere Winter in Nordwesteuropa führten zu kontinuierlicher Gletscherschmelze auf Grönland und verringertem Gletscherwachstum auf Island.8) Die milden Winter und eine geringere Klimaschwankung fallen mit einem Bevölkerungswachstum in dieser Region zusammen. Außerdem wurde so die Gründung von Kolonien auf Grönland und Island durch die Wikinger ermöglicht.9)
Die größte sommerliche Erwärmung Europas fand in Südeuropa, besonders am Mittelmeer, statt.1) Zusammen mit den erhöhten Temperaturen gab es sowohl dort als auch im westlichen und kontinentalen Gebiet der jetzigen USA sowie in Nordmexiko und dem tropischen Afrika teilweise schwere Dürreperioden. In Nordwest- und Südosteuropa, dem mittleren Osten und Südostasien hingegen herrschten feuchtere Bedingungen.10) In Nordwesteuropa ermöglichten die feuchten und warmen Sommer Landwirtschaft in nördlicheren und höher gelegenen Regionen und führten zu guten Ernten.11) Dies begünstigte das schnelle kulturelle, politische und wirtschaftliche Wachstum des mittelalterlichen Europas unter der Karolinger-Dynastie.9) Mit den höheren Temperaturen war beispielsweise auch Weinanbau in England möglich und Feigen- und Olivenbäume fanden in Teilen Deutschlands gute Wachstumsbedingungen.1)
Ursachen für die mittelalterliche Warmzeit
Die veränderten Klimaverhältnisse während der mittelalterlichen Warmzeit können auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden.
Abb. 2: Temperatur, Sonneneinstrahlung und Vulkanismus in den letzten 1000 JahrenB2
Von 900-1000 sowie von 1050-1200 war die solare Einstrahlung besonders erhöht,1) während der letzteren Zeitperiode um etwa 0,4 W/m². Dies führte sowohl zur Erwärmung der Land- und Wasseroberflächen.10) Die direkte Erwärmung der Oberfläche war vor allem im tropischen Pazifik und in Grönland sehr groß. Die Grönlandsee erwärmte sich sogar um 1,4°C.3) Hier kamen Eis-Albedo-Rückkopplungsprozesse zum Tragen: Durch die stärkere Einstrahlung schmelzen Eis und Schnee und geben das darunter liegende Land bzw. Wasser frei, welches eine sehr viel geringere Albedo hat und somit mehr Energie durch die Sonneneinstrahlung aufnimmt, sich also erwärmt.10) Dadurch kommt es zu einer weiteren Erwärmung der darüber liegenden Atmosphäre, was wiederum eine Temperaturerhöhung und vermehrtes Eis- und Schneeschmelzen zur Folge hat. Dass die erhöhte solare Einstrahlung nicht auch auf der Südhemisphäre zu einer Erwärmung geführt hat, ist sowohl auf die langsame Anpassung der dort viel größeren Wassermassen an veränderte Umgebungsbedingungen als auch auf die dort herrschenden sehr großen Windgeschwindigkeiten zurückzuführen. Durch starke Winde wird einerseits die Luft sehr schnell und sehr stark vermischt und eine Erwärmung verlangsamt, andererseits wird auch die Durchmischung im Ozean verstärkt, sodass kalte Wassermassen aus den unteren Schichten an die Oberfläche gelangen.3)
Eine weitere wichtige Rolle für die Erwärmung spielten auch die Abwesenheit von großen Vulkanausbrüchen, welche zu einer Abkühlung hätten führen können, sowie eine veränderte Landnutzung durch den Menschen.1) Die großskalig durchgeführten Waldrodungen in Europa führten einerseits zu einer Abkühlung aufgrund einer höheren Albedo.12) Denn dunkle Wälder mit geringer Reflektivität wurden durch hellere Felder oder Wiesen ersetzt, die mehr solare Strahlung reflektieren und somit weniger aufnehmen. Andererseits hatte die Vernichtung von Wald eine höhere CO2-Konzentration in der Atmosphäre zur Folge und die neuen Nutzungsflächen (z.B. Wiesen und Getreidefelder) wiesen eine geringere Evapotranspiration auf als Bäume, was zu einer Erwärmung führte, die die Abkühlung überwog.1)
Anmerkungen:
1) Goosse, H., Guiot, J., Mann, M. E., Dubinkina, S., Sallaz-Damaz, Y. (2011): The medieval climate anomaly in Europe: Comparison of the summer and annual mean signals in two reconstructions and in simulations with data assimilation. Global and Planetary Change 84-85, 35-47.
2.a) Abb. verändert nach IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Figure 6.10
2b) Eigene Darstellung nach IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Figure 6.10 und 6.13
3) Swingedouw, D., Terray, L., Cassou, C., Voldoire, A., Salas-Mélia, D., Servonnat, J. (2011): Natural forcing of climate during the last millennium: fingerprint of solar variability. Clim Dyn 36: 1349-1364. DOI: 10.1007/s00382-010-0803-5.
4) Christiansen, B., Ljungqvist, F. C. (2012): The extra-tropical Northern Hemisphere temperature in the last two millennia: reconstructions of low-frequency variability. Clim. Past, 8, 765-786. doi: 10.5194/cp-8-765-2012.
5) Glaser, R., Riemann, D. (2009): A thousand-year record of temperature variations for Germany and Central Europe based on documentary data. Journal of Quaternary Science, Vol. 24 pp. 437-449. ISSN 0267-8179.
7) Mann, M. E., Zhang, Z., Rutherford, S., Bradley, R. S., Hughes, M. K., Shindell, D., Ammann, C., Faluvegi, G., Ni, F. (2009): Global Signatures and Dynamical Origins of the Little Ice Age and Medieval Climate Anomaly. Science 326, 1256. DOI: 10.1126/science.1177303.
8) Miller, G. H., Geirsdóttir, Á., Zhong, Y., Larsen, D. J., Otto-Bliesner, B. L., Holland, M. M., Bailey, D. A., Refsnider, K. A., Lehman, S. J., Southon, J. R., Anderson, C., Björnsson, H., Thordarson, T. (2012): Abrupt onset of the Little Ice Age triggered by volcanism and sustained by sea-ice/ocean feedbacks.
9) Büntgen, U., Tegel, W., Nicolussi, K., McCormick, M., Frank, D., Trouet, V., Kaplan, J. O., Herzig, F., Heussner, K., Wanner, H., Luterbacher, J., Esper, J. (2011): 2500 Years of European Climate Variability and Human Susceptibility. Science 331, 578. DOI:10.1126/science.1197175.
10) Diaz, H. F., Trigo, R., Hughes, M. K., Mann, M. E., Xoplaki, E., Barriopedro, D. (2011): Spatial and temporal characteristics of climate in medieval times revisited. American Meteorological Society. DOI:10.1175/BAMS-D-10-05003.1.
11) Mann, M. E. (2002): Medieval Climatic Optimum. The Earth system: physical and chemical dimensions of global environmental change, Volume 1, pp 514-516. John Wiley & Sons, Ltd, Chichester.
12) Mann, M. E. (2007): Climate Over the Past Two Millennia. Annu. Rev. Earth Planet. Sci. 35:111-36. doi: 10.1146/annurev.earth.35.031306.140042.
Bildquellen:
B1. Abb. verändert nach IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Figure 6.10
B2. Eigene Darstellung nach IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Figure 6.10 und 6.13