Ozonabbau in der Stratosphäre
Von Natur aus stehen Ozonabbau und -zerstörung über einen längeren Zeitraum im Gleichgewicht. Seit einigen Jahrzehnten jedoch hat der Mensch durch die Emission von Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) dieses Gleichgewicht empfindlich gestört.
Seit Ende der 1970er Jahre wird das Gleichgewicht zwischen Ozonbildung und Ozonabbau zunehmend durch menschliche Einflüsse gestört. Ursache ist die anthropogene Emission von halogenierten Kohlenwasserstoffen, die Chlor und Brom enthalten. Die Chlor enthaltenden Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die in der Natur nicht vorkommen, wurden lange Zeit als Treibgas in Spraydosen verwendet, als Kältemittel in Kühlregalen, Kühl- und Gefriergeräten, als Aufschäummittel für Baustoffe, als Lösemittel zu Reinigungszwecken in der Textilreinigung und in der Elektroindustrie. Die Brom enthaltenden Halone wurden für Feuerlöscher genutzt. In die Atmosphäre entweichende FCKW und Halone sind in der Troposphäre unzerstörbar und reichern sich daher hier an. Nach einigen Jahren gelangen sie teilweise in die Stratosphäre. Hier sind die halogenierten Kohlenwasserstoffe zunächst für das Ozon unschädlich. Erst wenn sie durch die starke UV-Strahlung und chemische Reaktionen in reaktive Gase umgewandelt worden sind, kann es zur Ozonzerstörung kommen.
Abb. 1: Umwandlung der halogenierten Kohlenwasserstoffe in reaktive Gase und Reservoirgase in der Stratosphäre
Die wichtigsten reaktiven Gase, die bei diesem Prozess entstehen, sind Chlor- und Brom-Atome sowie Chlor- und Brommonoxid. Sie gehen mit Ozonmolekülen eine Reaktion ein, bei der das Ozon zerstört wird, aus der die reaktiven Gase aber unbeschadet wieder hervorgehen und so das nächste Ozonmolekül zerstören können (s. Abb. 2). Diese katalytischen Reaktionen können bis zu 10 000 Mal ablaufen, bis das reaktive Gas entweder in eine andere chemische Verbindung eintritt oder aus der Stratosphäre absinkt und in der Troposphäre ausgewaschen wird oder zu Boden sinkt. Bromverbindungen besitzen zwar pro Molekül ein wesentliches größeres Zerstörungspotential im Vergleich zu Chlorverbindungen. Sie sind jedoch gegenwärtig in der Stratosphäre in wesentlich geringeren Mengen vorhanden, so dass die größte Bedrohung für die Ozonschicht vom Chlor ausgeht. An der Ozonzerstörung sind sowohl das Chlormonoxid wie das Chloratom beteiligt. Chlormonoxid reagiert mit einem Sauerstoffatom, wobei ein Chloratom frei wird. Das Chloratom reagiert mit Ozon, wobei ein Sauerstoffmolekül und Clormonoxid entstehen. Der katalytische Chlor-Zyklus ist hauptsächlich für die Zerstörung des Ozons in der Stratosphäre außerhalb der Polargebiete (hier laufen teilweise andere Zyklen ab, auf die im Artikel über das Ozonloch eingegangen wird) verantwortlich.
Abb. 2: Ozonzerstörung in der Stratosphäre. Der Zyklus kann entweder mit Cl oder mit ClO beginnen. Im ersten Fall ist das Ergebnis die Zerstörung eines Ozonmoleküls und die Entstehung von Chlormonoxid, im zweiten Fall die Entstehung eines Chloratoms, das wiederum ein Ozonmolekül zerstören kann.1
Die Ozonzerstörung durch die reaktiven Gase wäre jedoch erheblich größer, wenn es in der Stratosphäre nicht auch Reaktionen gäbe, die die Chlorradikale und in geringerem Maße auch die Bromradikale binden würden (vgl. Abb.1). So reagieren Chlorradikale mit Methan und Stickoxiden zu Salzsäure (HCl) und Chlornitrat (CLONO2), die als Reservoirgase bezeichnet werden, weil das Chlor in ihnen längere Zeit gebunden bleibt und somit für den Ozonabbau nicht mehr zur Verfügung steht.
Cl + CH4 -> HCl + CH3
ClO + NO2 -> CLONO2
Unter den klimatischen Bedingungen der stratosphärischen Polarregionen kann das Chlor allerdings auch aus den Reservoirgasen freigesetzt werden. Die entsprechenden Bromverbindungen (HBr und BrONO2) sind auch außerhalb der Polargebiete wesentlich instabiler als die Chlorreservoirgase und photolysieren relativ leicht. Daher ist auch das Ozonzerstörungspotential von Brom pro Molekül etwa 45 Mal so groß wie das von Chlor.
Die gesamte globale Ozonmenge hat seit dem Ende der 1970er Jahre um ca. 4% abgenommen. Abgesehen von den Polargebieten nahm das Ozon in den mittleren Breiten der Südhalbkugel (35oS-60oS) mit 6% doppelt so stark ab wie in den entsprechenden Breiten der Nordhalbkugel.2 Vertikal wurde die stärkste Abnahme in der oberen Stratosphäre bei 35-45 km Höhe beobachtet. Am Hohenpeißenberg in Süddeutschland, wo der Deutsche Wetterdienst regelmäßig Ozonmessungen vornimmt, wurde von den 1970er bis in die 1990er Jahre eine Abnahme der gesamten Ozonschicht um 2,9% pro Dekade ermittelt, in der oberen Stratosphäre dagegen um 7%.
Neben dem Einfluss der halogenierten Kohlenwasserstoffe spielen auch natürliche Faktoren für die Veränderung der Ozonmenge eine Rolle, so vor allem die Sonneneinstrahlung und eine grob zweijährige Schwankung stratosphärischer Winde über dem Äquator, die sogenannte Quasi-Biennale Oszillation (QBO). Die Solareinstrahlung ist für die natürliche chemische Ozonbildung und -zerstörung verantwortlich; ihr Einfluss auf die Ozonveränderung wird allerdings mit 1-2% als nicht sehr groß eingeschätzt.3 Die Quasi-Biennale Oszillation der tropischen Atmosphäre beeinflusst den Transport von stratosphärischem Ozon aus den tropischen Quellgebieten in die mittleren Breiten in der Größenordnung von 2-3%. Abb.7 zeigt daher in 35-45 km Höhe über dem Hohenpeißenberg einerseits einen chemisch bedingten langfristigen Abwärtstrend der Ozonkonzentration. Andererseits sind Schwankungen erkennbar, die durch die Variabilität der Sonneneinstrahlung (11-jähriger Zyklus) und die Quasi-Biennale Oszillation bedingt sind. Ein weiterer, singulär auftretender Faktor sind Vulkanausbrüche, durch die Sulfataerosole bis in die obere Stratosphäre gelangen können. Einerseits reflektieren die vulkanischen Partikel die Solareinstrahlung, wodurch weniger Ozon gebildet werden kann. Andererseits spielen sich an ihren Oberflächen chemische Reaktionen ab, durch die ozonzerstörendes Chlormonoxid entsteht.
Abb. 3: Prozentuale Abweichung des Ozongehalts vom vieljährigen Mittel in 35-45 km Höhe über dem Hohenpeißenberg und über Hawaii sowie die Sonnenaktivität als Strahlungsfluss bei 10,2 cm und die Quasi-Biennale Oszillation in 10 hPa über Singapur.4
Die Messergebnisse vom Hohenpeißenberg, die in 35-45 km Höhe von 1987 bis 2004 einen abwärts gerichteten Trend aufweisen, stimmen mit Satellitenmessungen über den gesamten Bereich der nördlichen mittleren Breiten im wesentlichen überein. Sie zeigen vom Ende der 1990er Jahre und bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts in etwa gleichleibende Ozonwerte, die 2003 von einer auffälligen Zunahme und 2004 von dem bisher stärksten Rückgang abgelöst wurden. Dagegen zeigen Messungen auf Hawaii und auch auf Neuseeland seit 1996 einen eher stabilen Ozonverlauf. Diese Ergebnisse haben zu einer Diskussion darüber Anlass gegeben, ob sich hier schon die Wirkung geringerer FCKW-Emissionen und einer dadurch verringerten Chlorkonzentrationen in der Stratosphäre bemerkbar machen, die Ozonschicht sich also bereits zu erholen begonnen habe.5 Die atmosphärische Konzentration wichtiger FCKWs wie F-12, F-11 und F-113 hat als Folge des sogenannten Montrealer Protokolls von 1987 und der Nachfolgekonferenzen (London 1990, Kopenhagen 1992, Peking 1999) in den 1990er Jahren den Höhepunkt überschritten und nimmt seitdem ab, und zwar seit Ende der 1990er Jahre auch in der unteren Stratosphäre.
Gegenwärtig lässt sich die Frage nach einer Erholung der Ozonschicht noch nicht hinreichend beantworten. So könnte auch das gerade durchlaufene Maximum des 11-jährigen Sonnenzyklus für die Stagnation der Ozonentwicklung verantwortlich sein, und man müsste erst das nächste Maximum um 2008 abwarten, um den solaren Anteil eindeutiger bestimmen zu können.6 Zudem ist die starke Ozonabnahme am Beginn der 1990er Jahre (Ähnliches gilt für die zu Beginn der 19980er Jahre), von der sich die geringere Abnahme in der 2. Hälfte der 1990er Jahre auffällig abhebt, auch durch den Ausbruch des Mt. Pinatubo (bzw. El Chichon) bedingt. Zukünftig könnte außerdem zunehmend die Abkühlung der Stratosphäre eine Rolle spielen, eine Folge sowohl der stratosphärischen Ozonabnahme wie der troposphärische Kohlendioxidzunahme. Eine kältere Stratosphäre begünstigt vor allem in den Polargebieten die Ozonzerstörung und könnte die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Ozonschicht verzögern. Eine ähnliche Wirkung könnten auch Veränderungen der Zirkulationsverhältnisse durch den anthropogenen Klimawandel besitzen. Mit ,normalen" Ozonwerten" wie in den 1970er Jahren kann ohne Berücksichtigung der unsicheren klimatischen Wirkung und nur aufgrund der zu erwartenden Entwicklung der Chlorkonzentration in der Stratosphäre erst um die Mitte des 21. Jahrhunderts gerechnet werden.7
Anmerkungen:
1. in Anlehnung an: Fahey, D.W. (2002): Twenty Questions and Answers About the Ozone Layer
2. Fahey, D.W. (2002): Fahey, D.W. (2002): Twenty Questions and Answers About the Ozone Layer
3. Staehelin, J., N.R.P. Harris, C. Appenzeller, and J. Eberhard (2001): Ozone Trends: a Review, Reviews of Geophysics 39, 231-290
4. verändert nach: Claude, H., W.Steinbrecht, U. Köhler, C. Brühl, B. Steil, E. Manzini, M. Giorgetta, (2005): Sehr niedrige Ozonwerte 2004 in der oberen Stratosphäre, Ozonbulletin des Deutschen Wetterdienstes 103
5. Newchurch, M.J., E.-U. Yang, D.M. Cunnold, G.C. Reinsel,J.M. Zawodny, J.M. Russell III (2003): Evidence for slowdown in stratospheric ozone loss: First stage of ozone recovery, Journal of Geophysical Research 108, No. D16, 4507, doi 10.1029/2003JD003471
6. Claude, H., W.Steinbrecht, U. Köhler, C. Brühl, B. Steil, E. Manzini, M. Giorgetta, (2005): Sehr niedrige Ozonwerte 2004 in der oberen Stratosphäre, Ozonbulletin des Deutschen Wetterdienstes 103; Köhler, U., W. Steinbrecht, B. Haßler, A. Richter, J. Anderson, J. Russell III (2004): 20 Jahre Ozonloch - XX. Quadrennial Ozon Symposium auf Kos (Griechenland), Ozonbulletin des Deutschen Wetterdienstes 99
7. Claude, H., W.Steinbrecht, U. Köhler, C. Brühl, B. Steil, E. Manzini, M. Giorgetta, (2005): Sehr niedrige Ozonwerte 2004 in der oberen Stratosphäre, Ozonbulletin des Deutschen Wetterdienstes 103