Das Klima der SSP-Szenarien
Treibhausgaskonzentration, Strahlungsantrieb und Temperatur der SSP-Szenarien
Die Strahlungsantriebe der SSP-Szenarien
Die aus den SSP-Basis-Szenarien abgeleiteten CO2-Emissionen und Strahlungsantriebe liegen allesamt so hoch, dass auf keinem der beschriebenen Pfade die auf der Klimakonferenz 2015 in Paris geforderte Begrenzung der globalen Mitteltemperatur auf 2 °C bzw. 1,5 °C erreichbar wäre (Abb. 1). Die unter SSP-Narrative beschriebenen alternativen gesellschaftlichen Entwicklungen würden also nicht von sich aus und mit der heutigen Klimapolitik in der Lage sein, einen ‚gefährlichen‘ Klimawandel zu vermeiden.
Abb. 1: Der Strahlungsantrieb der Basis-Szenarien SSP1 bis SSP5, d.h. ohne Klimaschutzmaßnahmen, die über die heutige Klimapolitik hinausgehen. Als Vergleich sind auch die Strahlungsantriebe der RCP-Szenarien (gestrichelt) und die höchsten und niedrigsten Modellergebnisse des 5. Sachstandsberichts (AR5) des IPCC (AR5 scenarios max/min) eingezeichnet.B1
Der Strahlungsantrieb der beiden höchsten Basis-Szenarien SSP3 und SSP5 liegt am Ende des 21. Jahrhunderts bei 7 und 8,5 W/m2, was einer globalen Mitteltemperatur von über 4 °C bzw. über 5 °C entspricht. Auch mit den Strahlungsantrieben der Basis-Szenarien SSP1 und SSP2, die um 2100 bei ca. 5 W/m2 (3,0 °C) und 6,5 W/m2 (3,7 °C) liegen, lassen sich die Ziele der Pariser Klimavereinbarungen nicht erreichen.1 Für das 2-Grad-Ziel müsste der Strahlungsantrieb bei 2,6 W/m2 liegen, für das 1,5-Grad-Ziel bei 1,9 W/m2. In einer dem Szenario SSP1 entsprechenden Weltgemeinschaft, die dem grünen und nachhaltigen Weg folgt und global kooperativ handelt, besteht jedoch eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit für zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen, die die 2-Grad-Grenze unterschreiten. Und der mittlere Weg des SSP2-Pfades kann durch eine ehrgeizige Klimapolitik diesem Ziel wenigstens näher kommen. Wenn die Weltgemeinschaft jedoch den SSP3- oder den SSP5-Weg beschreitet, wird sie kaum in der Lage sein, eine erfolgreiche Klimapolitik zu entwickeln. Insbesondere gilt das für die in Nationalismen und regionale Rivalitäten zerfallende SSP3-Welt, während in der global vernetzten SSP5-Welt ein Umsteuern um die Mitte des Jahrhunderts nicht ganz ausgeschlossen ist.2
Vier Standard-Szenarien
Wegen der größeren Chancen für eine erfolgreiche Klimapolitik werden SSP1 und SSP2 auch mit zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen gerechnet. Beide Szenarien gehören zu den vier Standardszenarien SSP1, SSP2, SSP3 und SSP5, die von allen an dem Forschungsprogramm für den 6. IPCC-Bericht beteiligten Modellgruppen gerechnet werden sollen. SSP3 und SSP5 werden allerdings nur als Basisszenarien ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen simuliert. Die Benennungen SSP5-8.5 und SSP3-7.0 signalisieren, dass am Ende des Jahrhunderts ein Strahlungsantrieb von 8,5 W/m2 bzw. 7,0 W/m2 steht. Bei SSP1 und SSP2 wird der Strahlungsantrieb dagegen durch zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen entsprechend den Benennungen SSP1-2.6 und SSP2-4.5 auf 2,6 W/m2 bzw. 4,5 W/m2 gesenkt (Tab. 1). In dieser Form werden auch die Daten auf dem Hamburger Bildungsserver angeboten.
Tab. 1: Die vier Standardszenarien nach Art, CO2-Gehalt, Strahlungsantrieb und globale Mitteltemperatur im Jahr 21003
Die folgende Matrix zeigt die Position der Standardszenarien nach Strahlungsantrieb und sozioökonomischen Entwicklungspfaden. Es gibt zwei Entwicklungen der Weltgemeinschaft, die deutlich auf einen gefährlichen Klimawandel zusteuern, die gespaltene Gesellschaft (SSP3) und die fossile Gesellschaft (SSP5). Nur eine global kooperative und auf Nachhaltig setzende Weltgemeinschaft (SSP1) ist in der Lage, den Klimawandel in Grenzen zu halten. Und nur in einer solchen Gesellschaft ist es machbar, eine Klimapolitik zu entwickeln, die einen gefährlichen Klimawandel vermeidet (Abb. 2).
Abb. 2: Einordnung der vier Standardszenarien nach sozioökonomischen Entwicklungspfad und StrahlungsantriebB2
Emissionen und Konzentrationen
Abb. 3: CO2-Emissionen bis 2100 in GtCO2/Jahr nach den Basis-Szenarien SSP5-8.5 und SSP3-7.0 sowie den Szenarien SSP2-4.5 und SSP1-2.6 mit neuen klimapolitischen Maßnahmen. Schwarze Linie: historische Entwicklung.B4
Der Weg dahin führt über die radikale Reduzierung der CO2-Emissionen (Abb. 3) und anderer Treibhausgase (nicht gezeigt). Damit müsste sofort, d.h. in den Jahren 2020/21, begonnen werden. Und in den nächsten 10 Jahren bis 2030 müssten die Emissionen von über 40 Gt CO2/Jahr um 2020 auf möglichst 30 Gt CO2/Jahr gesenkt werden. Angesichts der gegenwärtigen Verfassung der Weltgemeinschaft, in der die internationale Kooperation nicht zu-, sondern abnimmt und nationalistische und populistische Politikströmungen an Boden gewinnen, ist das schwer vorstellbar.4 Die grüne Kurve in der Abb. 3 zeigt außerdem, dass in der 2. Hälfte des 21. Jahrhunderts zusätzlich negative Emissionen notwendig werden, um wenigstens das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Dabei muss der Atmosphäre mehr CO2 entzogen als zugeführt werden, z.B. durch das Pflanzen von Bäumen, das Abfangen von CO2 bei Verbrennungsprozessen und anschließende Kohlendioxid-Speicherung u.a. Maßnahmen.
Abb. 4: CO2-Konzentration der vier StandardszenarienB4
Ein Vergleich zwischen Abb. 3 und 4 verdeutlicht, dass die Entwicklungen der Emissionen und der Konzentrationen von Kohlendioxid nicht demselben Verlauf folgen. Auch wenn es auf dem grünen Weg und unter Einsatz weiterer Klimaschutzmaßnahmen (SSP1-2.6) gelingen sollte, ab Anfang der 2020er Jahre weniger Kohlendioxid zu emittieren, wird die CO2-Konzentration, wenn auch verlangsamt, bis 2060 weiter ansteigen und erst danach leicht sinken. Kohlendioxid ist ein sehr langlebiges Treibhausgas, das Jahrzehnte bis Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleibt. Ein Ende der Emissionen wird daher nicht unmittelbar zu einem Absinken der Konzentration führen. Das kann nur durch eine Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre in absehbarer Zeit erreicht werden. Nur eine sich nachhaltig entwickelnde und kooperative Weltgemeinschaft, die zudem den Klimaschutz gegenüber heute erheblich verstärkt und zusätzlich Climate-Engineering-Maßnahmen einsetzt, wird in der Lage sein, die CO2-Konzentration am Ende des Jahrhunderts auf einem Niveau, das nur wenig über dem gegenwärtigen Wert von 410 ppm liegt, zu stabilisieren. Durch die Basis-Szenarien SSP5-8.5 und SSP3-7.0 wird die heutige CO2-Konzentration fast verdreifacht bzw. mehr als verdoppelt. Und auch bei dem mittleren Szenario SSP2-4.5 nimmt die CO2-Konzentration trotz weiterer Klimaschutzanstrengungen gegenüber der Gegenwart noch um ca. 50 % zu.
Strahlungsantrieb und Temperatur mit und ohne Klimaschutzmaßnahmen-
Entsprechend fallen die Simulationen für den Strahlungsantrieb und die Temperatur aus (Abb. 5). Bei SSP1-2.6 und SSP2-4.5 kann der Strahlungsantrieb bis 2100 gegenüber den vorindustriellen Werten durch zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen um ca. 2 W/m2 gesenkt werden. Als Folge wird bei dem Szenario SSP1-2.6 eine Erhöhung der globalen Mitteltemperatur über die auf der Pariser Klimakonferenz von 2015 beschlossene 2-Grad-Marke vermieden. Einige Modelle haben auch den Verlauf zur Unterschreitung der ebenfalls in Paris geforderten Grenze von 1,5 °C berechnet, der jedoch nicht in die vier Standardszenarien aufgenommen wurde. Angesichts einer gegenwärtig schon erfolgten Erwärmung von 1 °C und des aktuellen Zustands der Weltgemeinschaft ist dieser Weg kaum noch vorstellbar. Die auf die Ausbeutung der letzten fossilen Energiereserven setzende Welt des Szenarios SSP5-8.5 und das in nationale und regionale Rivalitäten zerfallende Entwicklungsmodell SSP3-4.5 landen am Ende bei globalen Mitteltemperaturen von 4-5 °C. Gegenüber dieser Entwicklung wäre es ein Fortschritt, wenn die Welt die schlimmsten sich in wichtigen Regionen bereits abzeichnenden klimatischen Folgen vermeiden und auf internationaler Ebene eine beherzte Klimapolitik anpacken, d.h. wenigstens den Pfad von SSP2-4.5 beschreiten würde.
Abb. 5: Änderung von Strahlungsantrieb und globaler Mitteltemperatur bis 2100 im Vergleich zu vorindustriellen Werten (1850) nach den vier SSP-StandardszenarienB3
Anmerkungen:
1. Riahi et al. (2017): The Shared Socioeconomic Pathways and their energy, land use, and greenhouse gas emissions implications: An overview, Global Environmental Change 42 (2017) 153–168, http://dx.doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2016.05.009; Hausfather, Z., Carbon Brief (2018): Explainer: How ‘Shared Socioeconomic Pathways’ explore future climate change
2. Gidden, M. J., K. Riahi, S.J. Smith, et al. (2019): Global emissions pathways under different socioeconomic scenarios for use in CMIP6: a dataset of harmonized emissions trajectories through the end of the century, Geosci. Model Dev., 12, 1443–1475
3. Daten nach Meinshausen, M., Z.R.J. Nicholls, J. Lewis, et al. (2020): The shared socio-economic pathway (SSP) greenhouse gas concentrations and their extensions to 2500, Geosci. Model Dev., 13, 3571–3605
4. Rickels, W., C. Merk, J. Honneth, J. Schwinger, M. Quaas und A. Oschlies (2019): Welche Rolle spielen negative Emissionen für die zukünftige Klimapolitik?, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik
Bildquellen:
B1. Riahi et al. (2017): The Shared Socioeconomic Pathways and their energy, land use, and greenhouse gas emissions implications: An overview, Global Environmental Change 42 (2017) 153–168; Lizenz: CC BY
B2. Michael Böttinger, DKRZ, nach: O’Neill et al. 2016: The Scenario Model Intercomparison Project (ScenarioMIP) for CMIP6, Geosci. Model Dev., 9, 3461–3482, 2016, doi:10.5194/gmd-9-3461-2016; Lizenz: CC BY-NC-SA
B3. Eigene Darstellung (D.K.) nach Gidden, M. J., K. Riahi, S.J. Smith, et al. (2019): Global emissions pathways under different socioeconomic scenarios for use in CMIP6: a dataset of harmonized emissions trajectories through the end of the century, Geosci. Model Dev., 12, 1443–1475; Lizenz der ursprgl. Quelle: CC BY
B4. Michael Böttinger, DKRZ, Lizenz: CC BY-NC-SA