Klimawandel

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Kaltzeitliche Klimaschwankungen

Während der gesamten letzten Kaltzeit hat die Thermohaline Zirkulation unterschiedliche Zustände (Modi) gezeigt. Das belegt, dass der jetzige Zustand nicht der einzig mögliche Modus ist.

Das Jüngere Dryas-Ereignis wurde lange Zeit als einmalig betrachtet.1 Inzwischen lässt sich aus Proxydaten von Meeressedimenten, Korallen und anderen Quellen ableiten, dass es während der letzten Vereisung mehrere Ereignisse mit einer abgeschalteten, aber auch mit einer verstärkten thermohalinen Zirkulation ähnlich der heutigen gegeben hat.2 Die THC zeigte während der letzten Kaltzeit drei typische Modi. Der eine Modus (A) glich dem heutigen mit einer starken Bildung von Tiefenwasser im Nordmeer von ungefähr 20 Sv (1 Sverdrup = 106 m3/sec). Bei dem anderen Modus (B) versiegte die Tiefenwasserbildung im nördlichen Nordatlantik und verlagerte sich in die Region südlich von Island und reduzierte sich auf die Hälfte. Bei einem dritten, seltener vorkommenden Modus C war die thermohaline Zirkulation im Nordatlantik ganz abgeschaltet. Je schwächer die thermohaline Zirkulation im Nordatlantik ausgebildet war, desto mehr breitete sich das Antarktische Bodenwasser nach Norden aus (s. Abb. 4). Modellrechnungen lassen vermuten, dass der Modus B der typische kaltzeitliche Modus war, während die Modi A und C unter glazialen Bedingungen eher instabil waren und nur relativ kurzfristig vorkamen.

© Eigene Darstellung nach Rahmstorf 2002


Abb. 1:
Schematische Darstellung der drei Modi der thermohalinen Zirkulation im Pleistozän. NADW = Nordatlantisches Tiefenwasser, AABW = Antarktisches Bodenwasser3

Worin liegt die Ursachen für den aus heutiger Sicht erstaunlich häufigen Wechsel der THC von dem einen in den anderen Modus? Modell-Untersuchungen haben gezeigt, dass die THC während Kaltzeiten sehr sensibel auf Änderungen der Frischwasserzufuhr schon in einer Größenordnung von 0,1 Sv reagiert.4 Während die Tiefenwasserbildung der heutigen THC geographisch auf das Gebiet des Nordmeers, d.h. am Südrand der Meereisbedeckung beschränkt ist, da südlich davon die Meeresoberflächentemperaturen zu warm für ein Absinken sind, lag die bevorzugte Absinkzone während des Glazials deutlich weiter südlich. Eine leichte Verringerung der Frischwasserzufuhr im Nordmeer konnte aber die Absinkzone innerhalb weniger Jahrzehnte in das Gebiet nördlich von Island verlagern. Dadurch konnte sich warmes Wasser von Süden an Island vorbei nach Norden schieben und hier innerhalb kurzer Zeit eine Erwärmung von 5-10 oC auslösen, die aus den geologischen Daten als Dansgaard-Oeschger-Ereignis bekannt ist. Solche Ereignisse gab es im letzten Glazial mindesten zwanzig Mal in einem typischen Zeitabstand von 1500 Jahren. Umgekehrt konnte eine starke Erhöhung der Frischwasserzufuhr auch das Absinken südlich von Island unterbinden und die THC ganz abschalten, was der Auslöser extrem kalter Perioden war, die als Heinrich-Events bekannt sind.

Bei den Heinrich-Events weiß man, dass die Ursache für die Frischwasserzufuhr im Kalben des Laurentischen Eisschildes lag, da die nach Osten abdriftenden Eisberge auf dem Meeresboden glaziale Sedimente in einer Mächtigkeit von einigen Metern in der Labradorsee bis zu mehreren Zentimetern im östlichen Atlantik hinterlassen haben. Auch bei den Dansgaard-Oeschger-Ereignissen haben die großen Eisschilde wahrscheinlich eine wichtige Rolle gespielt. Die THC könnte nach Modellberechnungen dadurch angekurbelt worden sein, dass mehr Niederschlag über den Eisschilden als Schnee niederging und langfristig liegenblieb, als die Eisschilde an Masse durch Abschmelzen und Gletscherabbrüche an den Nordatlantik abgaben. Dadurch verlor der Nordatlantik mehr Frischwasser durch Verdunstung, als er durch Zufluss und schmelzende Eisberge gewann. Der Salzgehalt und die Dichte erhöhten sich, wodurch die Tiefenwasserproduktion in das Gebiet nördlich von Island verlagert wurde.

Die Frage bleibt, wodurch die beiden Abweichungen vom Normalverhalten der glazialen THC letztlich angestoßen wurden. Hier gehen einige Forscher von externen Auslösern aus, z.B. relativ kleinen Schwankungen der Solarstrahlung.5 Andere halten aufgrund von Modellsimulationen eine interne Wechselwirkung zwischen thermohaliner Zirkulation und den an den Nordatlantik angrenzenden Eismassen für ausreichend.6 Danach führte unter glazialen Bedingungen das Wachstum der kontinentalen Eismassen zu einem fortgesetzten Entzug von Frischwasser und ließ die THC von dem stabilen Modus B in den instabilen Modus A übergehen. Die damit einhergehende Erwärmung verstärkte zunächst die Verdunstung und damit die Tiefenwasserproduktion im Modus A. Zugleich wuchsen durch den intensivierten Wasserkreislauf die kontinentalen Eismassen und breiteten sich soweit in Richtung Küste und nach Süden aus, bis es an den Rändern zu großen Gletscherabbrüchen kam, die das Verhältnis von Frischwasserzufuhr und Verdunstung umkehrten, die Tiefenwasserproduktion im Nordmeer versiegen und die THC wieder in den Modus B zurückfallen ließen. Die seltenen Heinrich-Events (Modus C) wurden im Anschluss daran in einigen Fällen durch besonders starke Kalbungen ausgelöst.

Anmerkungen:
1. Vgl. Broecker, W.S. et al.(1985): Does the ocean-atmosphere system have more than one stable mode of operation?, Nature 315, 21-26; Broecker, W.S. (1996): Plötzlicher Klimawechsel, Spektrum der Wissenschaft, Januar 1996, 86-92
2. Wefer, G. (1998): Ursachen der Klimaschwankungen im Quartär, in: J.L.Lozán, H. Graßlund P.Hupfer (Hg.): Warnsignal Klima, Hamburg, S. 55-58; Clark, P.U., S.J. Marshall, G.K.C. Clarke, S.W. Hostetler, J.M. Licciardi and J.T. Teller (2001): Freshwater Forcing of Abrupt Climate Change During the Last Glaciation, Science 293, 283-287
3. nach Rahmstorf, S. (2002): Ocean circulation and climate during the past 120,000 years, Nature 419, 207-214
4. Clark, P.U., N.G. Pisias, T.F. Stocker, A.J. Weaver (2002): The role of the thermohaline circulation in abrupt climate change, Nature 415, 863-869
5. z.B. Rahmstorf, S. (2002): Warum das Eiszeitklima Kapriolen Schlug, Spektrum der Wissenschaft Dossier 1/2002, 48-49; Ganopolski,A. and S. Rahmstorf (2001): Rapid changes of glacial climate simulated in a coupled climate model, Nature 409, 153-158
6. Schmittner, A., M. Yoshimori and A.J. Weaver (2002): Instability of Glacial Climate in a Model of the Ocean- Atmosphere-Cryosphere System, Science 295, 1489-1493